Die neuen Anforderungen an die Stäbe und das fliegende Personal der Hubschrauberkräfte (HSK) mit ihrer Formierung als Armeefliegerkräfte (ArFK)

der Landstreitkräfte. (LaSK)

 Von Oberst d. R. D. Kulitzscher, C –FK des MB-III, Verdienter Militärflieger der DDR

 Es war schon etwas Neues, als ich nach siebenjähriger Tätigkeit als Kommandeur des Jagdfliegerausbildungsgeschwaders-15 aus gesundheitlichen Gründen den Steuerknüppel einer MiG-21 mit dem einer Mi-8 tauschte. Auch unser Umzug von Rothenburg nach Strausberg, der Wechsel des Arbeitsplatzes meiner Frau und der Schule durch unsere 3 Kinder musste verkraftet werden.

Die Umschulung auf die Mi-8, die Eingliederung in ein neues Kollektiv mit erfahrenen Fluginspekteuren der Hubschrauberkräfte unter der Leitung von Major Stephan stellten mich vor neue, ungewohnte Aufgaben.

In der Bundeswehr wurden Mitte der siebziger Jahre die Kampfpanzer Leopard 2 eingeführt. 1979 wurden die Panzerabwehrhubschrauberregimenter-16, -26 und -36 mit dem Panzerabwehrhubschrauber PAH-1 und den Hubschraubern Bo-105, die mit den Panzerabwehrlenkraketen (PALR) Hot bewaffnet waren, aufgestellt. Zur Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichtes wurden Ende der siebziger/ Anfang der achtziger Jahre auch in den meisten Armeen des Warschauer Vertrages die Armeefliegerkräfte geschaffen. Das brachte für uns neue Aufgaben, Arbeit  und Verantwortung mit sich.

 Ausgangspunkt unserer Überlegungen war vorrangig:

 - Wie können wir die Gefechtsmöglichkeiten unserer Kampfhubschrauber vom Typ   Mi-24 und Mi-8TB wirksam zur Unterstützung der Landstreitkräfte (LaSK) bei Gefechtshandlungen einsetzen?

- Wie können wir den Anforderungen des modernen Gefechts gerecht werden? Was müssen dazu unsere Hubschrauberführer (HSF) noch lernen und welche taktischen Verfahren sind dazu die zweckmäßigsten?

 Dazu konzentrierten wir uns Ende der siebziger Jahre auf zwei Schwerpunkte:

 - Wir leisteten unseren Teilbeitrag im Kommando der LSK/LV bei der Erarbeitung des Stellenplans und Ausrüstungsnachweises (STAN) für die Jahre 1980 bis 1985, mit dem die Struktur, die personelle Besetzung, der Kampfbestand und die gesamte Ausrüstung für die ArFK geplant wurden. Das war keine einfache Aufgabe, da immer die optimale Variante zwischen militärischer Notwendigkeit und den wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten unserer Republik gefunden werden musste.

- Wir überarbeiteten die Dienstvorschriften für die Gefechtsausbildung und den     Gefechtseinsatz der Mi-24 und Mi-8TB und entwickelten dazu neue Übungen, die für die neuen Aufgaben erforderlich waren.  Dabei konnten wir uns auf Erfahrungen der sowjetischen Streitkräfte stützen, uns lag eine Übersetzung ihres Kurses der Gefechtsausbildung für die Mi-24 vor.

Doch die Überlegungen mussten weiter gehen. Wir hatten ja auch die Erfahrungen der beiden Gefechtsführungszentren-3 und -5 der LSK/LV und die unserer Kampfhubschraubergeschwader. Besonders durch Major W. Altmann, der den Einsatz von Kampfhubschraubern bereits in den vorherigen Jahren bei den größten Übungen der LaSK, z.B. „Schild-76“, „Waffenbrüderschaft“ u.a. leitete, wurden uns wertvolle Hinweise gegeben.

Welche Erfahrungen waren es, die herangereift waren und zu den wichtigsten taktischen Verfahren der ArFK bei Gefechtshandlungen wurden?

 - Gedeckter Anflug bei Funkstille zu den Feuerlinien und den Hinterhalten unter Ausnutzung der natürlichen Deckungsmöglichkeiten des Geländes, um einen hohen Grad der Überraschung zu erreichen.

- Kurzzeitiges Hochziehen zur Zielerkennung und Feuerführung aus optimaler Entfernung und anschließend sofortiges energisches Abkurven mit Höhenverlust, um die Zeit des Aufenthaltes in der Wirkungszone gegnerischer Luftabwehrmittel zu verringern.

- Schießen auf langsam fliegende und manövrierende Luftziele (Kampfhubschrauber) mit dem MG und den ungelenkten Raketen bei Begegnungen über dem Gefechtsfeld und durch selbständiges Suchen/Vernichten in Sperre- und Suchzonen aus der hinteren Halbsphäre und auf Gegenkurs.

 Diesen taktischen Verfahren mussten die neuen Dienstvorschriften gerecht werden. Dazu leistete das gesamte Kollektiv meiner Unterabteilung wissenschaftliche Pionierarbeit, die  mit dem „Friedrich-Engels-Preis“ gewürdigt wurde. Hervorheben möchte ich die Arbeit der Oberstleutnante Gries, Lukas, Fesel und des Oberst  Spitzenberg. Mir  halfen besonders die Erfahrungen, die ich in der Methodik der Ausbildung von Offiziersschülern im JAG-15 gesammelt hatte.

 An der Militärakademie „Friedrich-Engels“ wurde 1979/80 die Lehrstühle 306 für Armeefliegerkräfte und 307 für Frontfliegerkräfte geschaffen. Von 1980 bis 1983 fand der erste Lehrgang statt, zu deren Absolventen die Offiziere Spantzel, Goller, Erfurt, Hofmann und Musche gehörten, die den Stäben der ArFK zu geführt wurden.

 Die Erarbeitung der theoretischen Voraussetzungen für die Formierung der ArFK war die eine Seite, die andere Seite war, diese in der Gefechtsausbildung anzuwenden und im Zusammenwirken mit den LaSK zu praktizieren. Dabei gab es durchaus Vorbehalte in Richtung Flugsicherheit, besonders aus dem Kreis der älteren Hubschrauberführer, die bisher hauptsächlich Transportaufgaben erfüllten und nur selten an Übungen der LaSK teilgenommen hatten. Wir, die Fluginspekteure der Unterabteilung, hielten es so, dass wir selbst als erste die neuen Übungen erprobten und dann die besten Hubschrauberführer des Geschwaders einwiesen.Ich möchte solche Hubschrauberführer des Kampfhubschraubergeschwaders-3 (KHG-3) wie den Kommandeur Oberst Krautz, den Stellvertreter für fliegerische Ausbildung Oberstleutnant Wolf, die Majore Rose und Berger und Strnad, den Kommandeur der Mi-24 Staffel Oberstleutnant Hochwald und den Kommandeur der Mi-8TB Staffel Oberstleutnant Soffner, die sich besondere Verdienste in der Gefechtsausbildung der ArFK erworben haben, nennen.Die spätere Praxis gab uns dahingehend Recht, dass keine Flugvorkommnisse in der Gefechtsausbildung beim Erarbeiten der neuen Übungen auftraten.

Ab 1982 unterstand das KHG-67 dem Führungsorgan der Front- und Armeeflieger-kräfte im Kommando der LSK/LV in Strausberg und verlegte Ende des gleichen Jahres vom Flugplatz Brandenburg-Briest auf den Flugplatz Cottbus. Nachdem 1983 im Kommando der LaSK in Geltow die Dienststellung des Chefs Fliegerkräfte der LaSK geschaffen und besetzt wurde, erfolgte 1984 auch mein Einsatz als Chef FK im Militärbezirk-III (MB-III). Dort war bereits ein Vorkommando unter der Leitung von OSL Plematl, meines zukünftigen Stabschefs und Stellvertreter tätig.

 1984 erhielt das Geschwader den Ehrennamen „Ferdinand von Schill“ und nahm an der Luftparade über Berlin zum 35. Jahrestag der DDR teil. Im November 1984 wurde  das KHG-67 am Standort Cottbus dem MB-III der Landstreitkräfte unterstellt und erhielt im Dezember 1986 die Bezeichnung KHG-3. Die 3.Staffel, ausgerüstet mit Mi-2 und Mi-9 erhielt die Bezeichnung Hubschrauberstaffel der Führung und Aufklärung-3 (HSFA-3). Die Sicherstellung des Geschwaders erfolgte durch das Fliegertechnische Batalion-103 und die Funktechnische Kompanie-103. Der Aufbau des KHG-5 mit seinen sicherstellenden Einheiten im MB-V verlief ähnlich. Damit waren die ArFK zu einer weiteren Waffengattung der LaSK geworden. Die wesentlichen Schritte ihrer Formierung sind als Anlage 1 in einem Schema dargestellt.

 Der Wechsel von einer Teilstreitkraft in eine andere bedeutete für alle eine große    Umstellung. Nach der Phase des gegenseitigen Kennenlernens ging es dann ganz schnell, die ArFK bei allen Stabs- und taktischen Übungen auf dem Übungsgefechtsfeld zu integrieren. Dazu gehörte, dass mir und meinem Stab die erforderlichen Arbeitsplätze mit den Nachrichtenverbindungen auf der feldmäßigen und in der gedeckten Führungsstelle zur Verfügung gestellt wurden. Neu und ungewohnt war auch die Forderung, die Führung der Fliegerkräfte während einer Verlegung des Gefechtsstandes des MB aus einem SPW heraus zu gewährleisten.

Im Chef des MB-III Generalleutnant Grätz hatten wir einen Vorgesetzten, der uns von Anfang an respektierte und hohe Forderungen an uns stellte,  besonders  auf dem Gebiet der Organisation des Zusammenwirkens mit den Raketentruppen/Artillerie (RTA) und der Truppenluftabwehr (TLA). Die Häufigkeit der Teilnahme der ArFK an Stabs-, taktischen und operativ-taktischen Übungen nahm zu. Alle wollten auf dem Truppenübungsplatz Kampfhubschrauber sehen und sie in die Kampfhandlungen integrieren. Nicht eine Übung der Ebene Division fand mehr ohne ArFK statt. Unsere Fliegerleitoffiziere (FLO) waren dazu sehr oft im Einsatz und sammelten von Übung zu Übung neue wertvolle Erfahrungen. Eine war z.B., dass jeder Gefechtseinsatz gleichzeitig mit der Nachaufklärung des Gegners verbunden werden musste, um neue Zielinformationen zu erhalten. Unsere FLO mussten lernen, Aufgaben an die Besatzungen in der Luft zu stellen und die Führenden der Verbände mussten lernen Aufgaben im Flug zu erhalten, diese zu verarbeiten und auch ohne Zeitverzug auszuführen. Das verlangte im modernen Gefecht die schnelle Veränderung der Lage.

Neben dem absoluten Schwerpunkt der Panzerbekämpfung wurden wir auch zur Verstärkung der Feuerkraft der Artillerie durch Schläge aus der Luft mit ungelenkter Raketenbewaffnung eingesetzt, wobei das Unterfliegen der Geschossflugbahnen der Artillerie häufigpraktiziert wurde. Wir mussten auch einen sicheren Rückflug unserer HS-Verbände zu ihren Landeplätzen gewährleisten, denn die in der Tiefe gestaffelten Kräfte der Divisionen verfügten alle über Mittel der Luftverteidigung, von der Zu-23 „Schilka“ bis zur Einmann-Flarakete „Strela 2-M“. Der visuellen HS-Erkennung der Eigenen durch die Bedienungskräfte dieser Mittel bei den Divisionen und Regimenter war eine größere Bedeutung als bisher beizumessen.

Eine völlig neue Anforderung erwuchs auch für mich und meinen Stab daraus, dass alle Einsatzvorschläge und Stabskarten von der Führungsebene Armee an bei Übungen in russischer Sprache erarbeitet und vorgetragen werden mussten.

Seit 1982 wurde das KHG in das Diensthabende System zur Verhinderung von Luftraumverletzungen mit langsam und tieffliegenden Luftfahrzeugen integriert und seine Aufgaben im Laufe der folgenden Jahre erweitert. Ab Sommer 1984 wurden allein durch das KHG-3 auf 3 Funktechnische Kompanien an der Staatsgrenze West Kampfhubschrauber stationiert, die jederzeit zum Start bereit standen und so zur Sicherung der Staatsgrenze beitrugen.

Abschließend wurde die Entstehung der ArFK aus den Hubschrauberkräften der LSK/LV in einem Schema dargestellt. Dabei konnten nur die wichtigsten Etappen und Aktivitäten aus Gründen der Übersichtlichkeit berücksichtigt werden. ( siehe nachfolgendes schema)

Die Formierung der ArFK zum damaligen Zeitpunkt war eine militärpolitische Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichtes und ein Erfolg. Die fliegenden Besatzungen und sicherstellenden Kräfte haben mit viel Mut und großen Anstrengungen zur Erhaltung des Friedens in der Periode des kalten Krieges beigetragen und ihren verfassungsmäßigen Auftrag in Ehren erfüllt.

 

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