Maritime Traditionsarbeit

von Obermaat a.D. Wolfgang Kolditz

Vom Sommer 1956 bis Ende 1974 wurden i m Bestand der in See gehenden Einheiten der Volksmarine vier Großschiffe geführt.
Diesen Schiffen wurden ab 1961 die Namen „Karl Marx“, „Friedrich Engels", „Ernst Thälmann“ und „Karl Liebknecht" verliehen.
Gebaut wurden diese Schiffe Anfang der 50er Jahre auf der Marinewerft in Kaliningrad. Nach der Erprobungsphase wurden die ersten beiden Küstenschutzschiffe - so die Bezeichnung - offiziell am 22.11.1 958 mit einem militärischen Zeremoniell im Seegebiet vor Warnemünde an die Seestreitkräfte der DDR übergeben. Im Oktober 1 959 erfolgte im Saßnitzer Hafen die Übergabe der anderen beiden Schiffe. Saßnitz war fortan ihr Heimathafen 1964 erfolgte die Verlegung nach Warnemünde, die Bri-gade unterstand ab diesem Zeitpunkt der 4. Flottille.
Ein solches Schiff war 91,58 Meter lang und 10,20 Meter breit mi t einem Tiefgang von 3,15 und einer Höhe von 23,70 Metern.
Der Antrieb erfolgte über zwei Getriebeturbinen.
Die Bewaffnung bestand aus drei 100 Millimeter Geschützen, vier 37 Millimeter Flugabwehr-geschützen, vier reaktiven Wasserbombenwerfern und vier Einzelwerfern für Wasserbomben.
Die Schiffe erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von mit 28 Seemeilen pro Stunde und hatten einen Aktionsradius vom ca. 2.000 Seemeilen.
Zur Besatzung gehörten insgesamt 193 Matrosen, Unteroffiziere und Offiziere. Neben vier Smuts - Köchen - gab es, zumindest auf der "K. Liebknecht", auf dem der Autor lange Zeit fuhr, einen Schuhmacher, der seine kleine Werkstatt auf dem Bootsdeck hatte, und in der Wäschekammer fungierte zeitweise auch ein Schnei der.
Einem Arzt oblag die gesundheitliche Betreuung. Dafür stand ihm im Achterschiff ein kleines Revier zur Verfügung.
Laut Kapitän zur See a.D. Manfred Kretzschmar, der sich sehr intensiv mit der Geschichte der KSS Brigade beschäftigte - er war einige Jahre Kommandant eines KSS und später Brigadechef - sind seit Gründung der Brigade bis zu deren Auflösung ca. 24.000 Seeleute über die berühmten Planken der vier Schiffe gegangen.
Aus deren Reihen sind hervorragende Persönlichkeiten sowohl im militärischen Bereich ­ Admirale und Generale - und im zivilen Bereich, Professoren, Ärzte und Generaldirektoren hervorgegangen.
Als im Sommer 1999 in Putbus das Jubiläum „40 Jahre Klaus Störtebecker auf Rügen" begangen wurde, waren unter den Gästen auch ehemalige Angehörige der KSS - Brigade. Sie waren im Sommer 1959 als Piraten, Seeräuber und Landsknechte bei der Uraufführung der „Störtebecker - Ballade'' von Kuba in Ralswiek dabei.
Und wie das während solcher Feiern so ist, kam der Gedanke auf, sich doch i n  irgendeiner Form an die Dienstzeiten an Bord der vier KSS zu erinnern.

Also wurde am 11.11. 2000 in Dresden der Traditionsverein "KSS - Brigade Saßnitz" gegründet.
Während am Anfang I 8 offiziell e Mitglieder gezählt wurden, sind es heute, im Jahre 2018, 53. Daneben können weitere 145 als Sympathisanten und Freunde der KSS-Brigade gerechnet werden.
Das erste Treffen des Vereins fand im September 2000 in Saßnitz statt, zu dem 146 „Ehemalige" mit ihren Frauen und Partnerinnen an die Küste gekommen waren.
Zur Tradition gehört seitdem eine Fahrt in See um an der Ansteuerungstonne Saßnitz - ca. 10 Seemeilen vor Stubbenkammer - mit einer bewegenden maritimen Trauerfeier für alle die bisher verstorbenen Matrosen, Maate. Fähnriche und Offizieren, als auch die Zivilbeschäftigen der ehemaligen KSS – Brigade, der Volksmarine, auf der aber auch der Seeleute aller Nationen gedacht wird.
Gleiches gilt für Verstorbene, deren letzter Wunsch es war, während einer Seebestattung die letzte Reise anzutreten.
Zur Tradition gehört, dass diese Treffen nicht nur in Saßnitz, sondern auch in all den Häfen stattfinden, in denen jemals ein KSS eingelaufen ist und festgemacht hat. So fanden Treffen bisher in Peene-münde, Rostock und Wismar statt.
Höhepunkt war ein Treffen im Jahre 2011 an der „Wiege der Deutschen Marine" in Wilhelmshaven, zu dem 176 Ehemalige gekommen waren.
Große Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung dieses Treffens gewährte die Marine-kameradschaft Wilhelmshaven. Neben der maritimen Trauerfeier im Jadebusen gestaltete sich der Besuch auf der Fregatte "Lübeck" der Deutschen Marine und der Flottenball im "Gorch Fock-Haus" zu einem Höhepunkt.
Das 15-jährige Bestehen des Vereins fand natürlich im Heimathafen Saßnitz statt. Dazu wurde der ehemalige Glasbahnhof im Saßnitzer Hafen angemietet.
Von hier aus fuhren bis Mitte der 90-er Jahre die Fährschiffe nach Schweden ab.
Als sich Dunkelheit über den Hafen legte, wurde von der gegenüberliegenden Hauptmole ein Riesenfeuerwerk abgebrannt. Als Überraschung lief unter viel Beifall und vielen "Aaaahs" und "Oooohs" das festlich illuminierte KSS 502 in den Hafen ein. Wie die Feuerwerker dies ermöglicht haben bleibt ein Geheimnis.

Neben den genannten Aktivitäten wird im Leben des Vereins großer Wert auf die Lösung anstehender sozialer Probleme gelegt. Gesundheitlich eingeschränkte Personen werden in Fahrgemeinschaften mit zu den Veranstaltungsorten genommen. Zu runden Geburtstagen und anderen Jubiläen finden Gratulationen vor Ort statt - immer mit maritimen Charakter.
Das 18. Treffen findet im September auf Rügen statt.

Vorsitzender des Vereins

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Fotos: Sammlung Seemann