Ralf Rudolph 14. Juli 2014

Das Massaker von Odessa

„Noch sitzt Ihr da oben, Ihr feigen Gestalten. Vom Feind bezahlt, dem Volke zum Spott !
Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk, dann gnade Euch Gott !“
(Theodor Körner 1791-1813, gefallen im Freiheitskrieg gegen Napoleon)

Das am Schwarzen Meer gelegene Odessa ist mit ca. einer Million Einwohnern die größte Hafenstadt der Ukraine. Bei den vorletzten Präsidentschaftswahlen stimmten die Bürger von Odessa mehrheitlich für den weggeputschten Präsidenten Viktor Janukowitsch. In der Stadt leben viele Ukrainer mit russischen Wurzeln (ca. 60 Prozent). Daher gibt es im Raum Odessa eine starke Opposition gegen die rechtsextreme Putsch-Regierung in Kiew. Diese Opposition sollte am 2. Mai 2014 gewaltsam gebrochen werden. Nach dem Verlust der Krim und der Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer, die von Rebellen besetzt war, verblieb der Ukraine als einziger Zugang zum Meer nur noch der Hafen von Odessa. Eine Besetzung der Stadt durch Regierungsgegner wäre daher für die ukrainische Übergangsregierung eine strategische Niederlage gewesen. Es musste also ein Exempel statuiert werden. Informationen aus dem ukrainischen Machtapparat deuten auf eine langfristige Vorbereitung der Aktion hin. So erklärte Generalstaatsanwalt Oleg Makhnitsky: "Diese Aktion war eine geplante Operation und wurde nicht von Zwischenebenen vorbereitet. Sie wurde sorgfältig vorbereitet und koordiniert und Vertreter der verschiedenen Behörden nahmen daran teil.". Zehn Tage vor der Tragödie fand in Kiew unter dem Vorsitz des damals noch amtierenden Präsidenten Olexander Turtschinow ein geheimes Treffen zur Organisation eines Sondereinsatzes gegen die bereits in der Stadt erstarkenden Antiregierungskräfte statt. Anwesend waren: Innenminister Arsen Awakow, der Kommandant des Maidan in Kiew und heutige Leiter des Sicherheitsdienstes, Andriy Parubiy, Valentin Nalivaitschenko als Sekretär des Verteidigungsrates und der nationalen Sicherheit. Der ukrainische Oligarch Igor Kolomojsky, von den Behörden in Kiew an die Spitze der regionalen Verwaltung von Dneprpetrowsk gestellt, wurde für die Organisation dieser Operation hinzugezogen. Dieser Akteur ist mit seiner Biografie eine Illustration dafür, welche innerukrainischen Kräfte die Putschregierung in Kiew momentan stützen und für ihre wirtschaftlichen Interessen instrumentali-sieren. Petro Kolomojsky wurde am 13. Februar 1963 in Dneprpetrowsk in einer jüdischen Familie geboren. Sein Studium am Metallurgischen Institut in Dneprpetrowsk schloss er 1985 als Diplom-Ingenieur für Maschinenbau ab. In der wirren Zeit der ersten Jahre staatlicher Selbständigkeit der Ukraine gelang es ihm ein Privatvermögen zusammenzuraffen, was heute bei über 3 Milliarden US-Dollar liegt. Ihm gehört die größte Bank der Ukraine und über seine Gesellschaft PrivatGroup hält er Beteiligungen im Bergbau, der Stahlindustrie und den Medien. Zur Zeit der Ministerpräsidentin Julia Timoschenko sympathisierte er mit ihrer Politik. Als sie jedoch zurücktrat und verhaftet wurde, wendete er sich von ihr ab. Kolomojsky hat neben der ukrainischen Staatsbürgerschaft auch die israelische. Seit dem Jahr 2000 lebt er vorwiegend in der Schweiz, in seiner Villa am Genfer See. Über seine Schweizer Stiftung EJU (Europan Jewish Union) die er mit einem weiteren Oligarchen der Ukraine, Vadim Rabinovich, besitzt, sollen nach Informationen des USA-Geheimdienstes Geschäfte mit dem organisierten Verbrechen wie Geldwäsche, Kriegswaffenhandel und Drogenschmuggel getätigt worden sein. In der Zeit der Maidanproteste unterstützte er die neofaschistischen Kämpfer des Rechten Sektors finanziell. Dieses Engagement zahlte sich aus: Am 02. März 2014 wurde er von der an die Macht geputschten Regierung der Ukraine zum Gouverneur von Dneprpetrowsk ernannt, weil wohl sein Geld willkommen war und man durch diese Ernennung den Verdacht des Antisemitismus, der den Putschisten anhaftete, ausräumen wollte. Am 14. April 2014 gründete der neue Gouverneur seine Privatarmee, die Sondereinheit Dnepr, die seit dieser Zeit an vielen Grausamkeiten gegen die Regierungsgegner beteiligt ist. Das ist auch nicht verwunderlich, denn Kolomojsky stellte den Kämpfern seiner Privatarmee Kopfgelder in Aussicht: Für jeden vernichteten „Feind der Demokratie“ 1.000 bis 10.000 US-Dollar und für jedes zurückeroberte öffentliche Gebäude 100.000 Dollar. Zeitweise bezahlte er auch die Versorgung der ukrainischen Nationalgarde und die Gehälter der öffentlich Bediensteten des Gebietes Dneprpetrowsk aus seinem Privatvermögen. Er ist einer der härtesten Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin und der rebellierenden ukrainischen Bürger mit russischen Wurzen in der Ostukraine. Im Juni 2014 leitete die russische Strafverfolgungsbehörde gegen Kolomojsky ein Ermittlungsverfahren wegen Finanzierung rechtsradikaler Terrorschwadronen ein. Anfang Juli 2014 erließ ein Moskauer Gericht einen Haftbefehl gegen ihn, verbunden mit der Auslieferungsbitte an Interpol.

Während des Planungstreffens hatte der Innenminister Arsen Awakow die Verwendung von Schlägertrupps vorgeschlagen, die in die Reihen der Anhänger des Fußball-Clubs von Odessa eingeschmuggelt werden sollten. Es war Kolomojsky, der das 1. Bataillon seiner persönlichen Armee Dnjepr für die Aktion anbot und vorschlug es vorübergehend unter das Kommando regierungstreuer Polizeioffiziere von Odessa zu stellen. Er war sogar bereit eine Prämie von 5.000 US-Dollar für jeden während der Operation getöteten Separatisten zu zahlen. Die Operation war von Anfang an für den 2. Mai geplant. Ein Fußballspiel sollte an diesem Tag stattfinden, das die Anwesenheit vieler Anhängern des Fußballclubs in der Innenstadt rechtfertigen würde. Darüber hinaus sollten auf den Straßen von Odessa nur wenige Bewohner sein, da der Tag Feiertag war und die Mehrheit der Bevölkerung den zweiten freien Tag nach dem 1. Mai bestimmt innerhalb der Familie genießen würde. Fünfzehn Straßensperren waren installiert worden, um den Zugang nach Odessa für eventuell zur Hilfe kommende Rebellen aus Donezk zu blockieren. Die Sperren wurden von Kräften kontrolliert, die dem Kommando des 1. Bataillons von Kolo-mojskys Privatarmee unterstanden, sowie von Faschisten des Rechten Sektors aus Dneprpetrowsk und Lemberg. Sie und auch die Polizeikräfte in den Straßen von Odessa hatten strikte Anweisungen bekommen, Busse aus Kiew, Dneprpetrowsk und Lemberg an diesem Tag keinesfalls aufzuhalten. Damit sollte die ungehinderte Heranführung der organisierten Schlägertrupps sichergestellt werden. Darüber hinaus kamen zwei militärische Einheiten der Selbstverteidigungskräfte vom Kiewer Maidan in Odessa zum Einsatz, die besonders aus Mitgliedern der faschistischen UNA-UNSO-Gruppierung bestanden. Diese neu aufgestellten Sondereinheiten setzten sich aus Aktivisten nationalistischer Organisationen und Parteien zusammen. Auch sie waren ursprünglich von Igor Kolomojsky aufgestellt und vom mittlerweile neuen Präsidenten der Ukraine, Pjotr Poroshenko, mitfinanziert worden. Betreut wurden diese Trupps durch Sergei Pachinsky, Dienstleistungschef der Präsidialkanzlei in Kiew, derselbe, der am 18.Februar auf dem Maidan mit einem Scharfschützengewehr im Kofferraum seines Autos gestellt worden war. Die nationalistischen Maidankämpfer, die mit Bussen vorwiegend aus Kiew und Lemberg herangekarrt wurden, trugen teilweise rote Armbinden. Sie sollten eine besondere Rolle bei der Organisation der Provokationen spielen.

 

Provokateure mit roten Armbinden versammeln sich im Schutz der Polizei. Jede Polizei der Welt würde die Ansammlung von bewaffneten Vermummten mit schusssicherer Kleidung und Stahlhelmen schon bei deren Entstehung so früh wie möglich auflösen.

Rote Armbinden waren für Provokateure vorgesehen, um sich von den Aktivisten der Regierungsgegner aus Odessa zu unterscheiden. Ebenso trugen einige Polizeikräfte, die im Voraus über die geplanten Ereignisse informiert waren, rote Armbinden. Die Rechnung ging auf: Viele friedliche Bürger und Aktivisten der Regierungsgegner folgten den Aufforderungen der Provokateure, die Faschisten zu stoppen.

 

Bereits am Vormittag erreichte ein Zug aus Charkow mit Hunderten von Fans des Fußballclubs Metallist Charkow, der gegen Odessa spielen sollte, die Stadt. Einigen Kiewtreuen in den Reihen der Fußballfans war eine besondere Rolle für den Beginn der Tragödie zugedacht. Die Planer in Kiew hatten vorgesehen, dass der traditionelle gemeinsame Marsch der einheimischen Fußballfans des Clubs Tschernomorez Odessa durch Odessa zum Stadion, der seit Jahren vor jedem Fußballspiel üblich ist, dieses Mal als Marsch „Für die Einheit der Ukraine“ deklariert wird. Eine Gruppe der Fans aus Charkow sollte diesen Marsch von Anfang an für Provokationen nutzen. Verschiedene kleine Gruppen des 1. Bataillons der Privatarmee Dnjepr und des Rechten Sektors hatten sich bereits an verschiedenen Stellen in der bis dahin ruhigen Stadt in Stellung gebracht. Am Nachmittag begaben sich einige Kämpfer der Nationalisten zum Kathetrale-Platz, wo sich die Fußballfans aus Odessa ver-sammelten, um zum Stadion zu marschieren. Bereits zu Beginn fiel unter dem Teil der rechtsgerichteten Fußballfans eine Gruppe gut ausgerüsteter Kämpfer mit Schilden, Helmen, Knüppeln, Luftgewehren und Infanteriewaffen auf. Überwiegend handelte es sich um Männer zwischen 30 und 40 Jahren, die offensichtlich keine Fußballfans waren. Manche Schilder waren mit 14. Hundertschaft der Selbstvertei-digung beschriftet. Diese Kämpfer sollten die Menge organisieren und sie auf den Griechischen-Platz führen. Die kampfbereiten Gruppen waren instruiert, das Interesse der Fans vom Fußballspiel abzulenken und sie nicht zum Stadion, sondern ins Stadtviertel Koukikovo, wo das Gewerkschaftshaus steht, zu kanalisieren. Viele dieser radikalen Kämpfer, getarnt mit dem Band des Heiligen Georgs an der Brust, legten ihre Masken an und marschierten die Alexandrowski-Allee hinunter zur Griechischen Straße. Sie sollten für die Medien die sogenannten pro-russischen Kräfte im Marsch darstellen, damit der Ausbruch der Kämpfe den Regierungsgegnern angelastet werden kann.

 Als die Kolonne, angeführt von den getarnten Nationalisten, die Griechische Straße entlang zog, wurden sie durch einzelne Gruppen instruierter Fans aus Charkow provoziert. Auch stellten sich der Kolonne einige wenige Aktivisten des „Odessaer Selbstschutzes“, einer Gruppierung der Regierungsgegner, entgegen. Sie wurden von den Nationalisten mit Steinen, Flaschen und Blendgranaten beworfen. Es waren Schüsse zu hören. Vor der Gewalt der Rechten flüchteten die Aktivisten des Selbstschutzes in das Warenhaus Afina am Griechischen Platz. Der nationalistische Mob verfolgte sie und wollte in das Warenhaus eindringen. Der Polizei verhinderte das jedoch, indem sie den Eingang ins Einkaufszentrum mit Fahrzeugen blockierte. Daraufhin bewarfen die Nationalisten das Warenhaus mit Molotow-Cocktails. Nach Schätzungen von Beobachtern hatten sich bis zu 1.000 Nationalisten unter die Fußballfans gemischt und nahmen an dem Marsch und an der Schlägerei teil. Die örtlichen Fans, die den schwarz-blauen Schal des Odessaer Clubs trugen, verließen den Marsch in Massen, als die Zusammenstöße begannen und als klar wurde, dass die eingeschleusten Provokateure den Marsch gegen die eigenen Mitbürger lenkten. Bürger von Odessa waren nun bei den Marschierern in der Minderheit. Die Hauptaufgabe der eingeschleusten Nationalisten war es, den Marsch durch die Straßen von Odessa in Richtung des Kulikow-Platzes vor dem Gewerkschaftshaus zu führen und dabei Zusammenstöße mit Regierungsgegnern zu provozieren. Mit Schlagstöcken, Molotowcocktails und Feuerwerkskörpern jagten sie die Regierungsgegner durch die Stadt. Schusswaffen wurden auf beiden Seiten verwendet, und Opfer wurden in beiden Lagern gemeldet. Auf den Straßen Odessas starben dabei laut russischen Quellen 12 Personen. Die Polizei versuchte erst durch eine lebende Mauer mit Schutzschilden die Gegner zu trennen, wurde aber selbst mit Brandflaschen beworfen und zog sich mit 20 verletzten Polizisten zurück. Es sind der Leiter der regionalen Polizeikräfte (Bezirk Odessa), Petr Lutsiuk, und sein lokaler Vertreter (Stadt Odessa), Dmitry Fucheji, die persönlich die Leitung der Operationen in die Hand nahmen. Petr Lutsiuk war mit der Neutralisierung des regionalen Gouverneurs von Odessa, Vladimir Nemirovsky beauftragt. Er sollte verhindern, dass der Gouverneur nichtgeplante Sicherheitsmaßnahmen ergreift, die die Operation hätte gefährden können. Fucheji begleitete die Nationalisten direkt bis zum Griechischen Platz, wo er angeblich "versehentlich verletzt wurde", jedoch war das offenbar nur eine Ausrede, um seine Person der Aufmerksamkeit bei den weiteren geplante Geschehnissen zu entziehen. Dmitry Fucheji verschwand auf mysteriöse Weise unmittelbar nach den tragischen Ereignissen von Odessa.

Es war ein ungleicher Kampf: ca. 1.500 Nationalisten gegen ca. 300 Regierungsgegner. Nach Abzug der Polizei versuchten diese sich durch den Bau von Barrikaden mittels parkender Autos und Müllcontainer zu schützen. Die Kämpfer des Rechten Sektors verhöhnten die Zusammengeschlagenen und fotografierten die am Boden Liegenden.

Polizisten waren in äußerst geringer Anzahl zu sehen, obwohl allein die Polizei des Gebietes Odessa ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, eine Menschenmenge von 1.000 Teilnehmern von Pogromen und Morden abzuhalten. Wie sich später herausstellte, hatten die meisten Polizisten den Befehl erhalten, die Verwaltung und das Polizeipräsidium zu schützen sowie das Stadion zu bewachen. Auf diese Weise wurde die Stadt den rechten Schlägern ausgeliefert. Das ist nicht weiter erstaunlich, da der ukrainische Innenminister Arsen Awakow, der Planer des Massakers, langandauernde und enge Verbindungen zu den Neonazigruppierungen hat, die sich zur Partei Rechter Sektor zusammengeschlossen hatten. Während die Auseinandersetzungen auf dem Griechenland-Platz weitergingen, realisierte eine Mördergruppe des Rechten Sektors die letzten Vorbereitungen des wichtigsten Teils der Operation mit dem Code-Namen Ha’ola (Hebräisch: Opferaltar). Durch eine Tür auf der Rückseite des Gebäudes schlichen sie sich in das Haus der Gewerkschaften und nahmen ihre Positionen in den Kellern und auf den Dachböden ein. In dieser Gruppe waren nur bewährte radikale Nationalisten, im Töten erfahrene Kämpfer. Während die Masse der Meute durch das Zentrum der Stadt zog und von dem Griechischen Platz zum Koulikovo-Viertel strömte, waren bereits einige Provokateure auf dem Kulikow-Platz vor dem Gewerkschaftshaus im Einsatz. Das Gewerkschafts-gebäude war seit Wochen Hauptquartier der Föderalisten und Regierungsgegner. Auf dem Platz vor dem Gebäude hatten die Regierungsgegner ein Zeltlager errichtet, wo sie Unterschriften für eine Ukrainische Förderation und Russisch als zweite Amtssprache sammelten. Die Provokateure schlossen sich den Regierungsgegnern an und gaben sich als Verteidiger des Zeltlagers aus. Ihre Aufgabe war es jedoch, auf den Platz eine Panik auszulösen. Sie verbreiteten die Information: "Die vom Rechten Sektor kommen! Sie kommen, um uns zu töten!". Die Regierungsgegner flüchteten nicht in die Stadt, sondern nahmen Zuflucht im Haus der Gewerkschaften, wo die eingeschleusten Mörder bereits auf sie warteten. Unter den Flüchtenden waren auch Frauen mit Kindern, ältere Menschen und unbeteiligte Bürger Odessas. Einige liefen in die Keller, aus denen keiner von ihnen lebend herauskam. Andere suchten Zuflucht in den oberen Stockwerken. Viele wurden getötet. Von den Mördern wurde eine Mischung aus Benzin und Napalm, aber auch Chlorgas verwendet, um ein stechend riechendes, betäubendes Gift einzusetzen.

 

Mittlerweile waren mehr als 1.400 nationalistische Kämpfer auf ihrem Marsch durch die Stadt auf dem Platz eingetroffen. Sie zündeten die Zeltstadt der Regierungsgegner an. Einige unbewaffnete Unterschriftensammler zogen sich nach sinnloser Verteidigung, da sie in der Unterzahl waren, ebenfalls in das anliegende Gebäude der Gewerkschaft zurück. Durch die Fenster und Türen des Gebäudes wurden von den ukrainischen Nationalisten Molotowcoctails geworfen und die unteren Etagen des Gebäudes in Brand gesetzt.


Von den Nationalisten wurden alle Ausgänge versperrt. Viele der im Gebäude Anwesenden sollen an Rauchvergiftung gestorben sein. Andere sprangen aus den Fenstern, verletzten sich, oder sprangen in den sicheren Tot. Einige, die versuchten durch den Hinterausgang zu fliehen oder denen ein Sprung aus unteren Etagen gelang, wurden von den Radikalen mit Knüppeln zusammengeschlagen. Die am Boden liegenden wurden mit den Füßen getreten. So wurde auch der Abgeordnete des Gebietsparlamentes, Alexej Albu, behandelt. Er sagte aus: „Als wir aus dem brennenden Haus flüchten wollten, warf sich eine Horde von Nationalisten mit Schlagstöcken auf uns. Ich und mein Freund Wladi wurden schwer am Kopf getroffen, so dass wir ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten“.

Bei genauer Betrachtung von Fotos und Videos des Massakers fällt auf, dass das Gebäude nicht überall gebrannt hat. Nur die untere Etage stand in Flammen. Die Fotos zeigen seltsame Teilverkohlungen an Leichen, die sich nicht mit dem Brand erklären lassen. Das deutet darauf hin, was wirklich im Gebäude vorgefallen ist. Die Flüchtenden wurden im Gebäude bereits von ihren Mördern empfangen, gefoltert und getötet, anschließend besonders ihre Köpfe und Hände mit brennbaren Flüssigkeiten übergossen und angezündet, um die Spuren zu verwischen und die Identifizierung der Opfer zu erschweren. Die anderen Körperteile und Kleidung wiesen keine Verbrennungen auf. Die gefundenen verbrannten Leichen waren durch Kopfschüsse umgekommen. Einige ukrainische Abgeordnete teilten mit, dass im Gewerkschaftshaus ein gefährlicher chemischer Stoff zum Einsatz kam. Auch der ukrainische Geheimdienst SBU bestätigte das. Auf dem Dach des Gebäudes waren zudem mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer in Tarnanzügen gesehen worden, die Brandflaschen auf den Platz warfen. Ein weitere Überlebender berichtet: „Wir sind in das Gebäude hinein und wir wurden schon erwartet. Auf uns wurde irgend eine chemische Flüssigkeit gesprüht. Viele sind sofort bewusstlos geworden und blieben da liegen, wo sie sich in diesem Moment befanden. Die Radikalen haben die am Boden Liegenden zusammengeschlagen. Manche sind erschossen worden, oder gar stranguliert. Danach wurden die Köpfe und die Hände mit entflammbarer Flüssigkeit überschüttet und angezündet. Viele wurde in den Keller verschleppt“.


 Die "Schlacht" im Haus der Gewerkschaften dauerte mehrere Stunden. Während der ganzen Zeit warfen die zuvor in das Gebäude eingedrungenen Nationalisten Molotowcocktails vom Dach, was den gewaltsamen Widerstand der Regierungsgegner für die Medien eindrucksvoll demonstrieren sollte, während ihre Kumpane methodisch im Haus mordeten. Die Wasserversorgung des Gebäudes war im Voraus abgestellt worden, um alle Löschversuche zu unterbinden. Eine halbe Hundertschaft bewaffneter Polizisten auf dem Platz sah dem Treiben ohne einzugreifen zu. Die Sicherheitskräfte hatten den Befehl erhalten, sich von dem Schlachtfeld zurückzuziehen und sich nicht einzumischen. Nach Angaben von Augenzeugen wurden von der Polizei auch Provokateure instruiert, die sich auf der Seite der Regierungsgegner an den Straßenschlachten beteiligten. Das Publikum auf dem Platz war gespalten, zwischen denjenigen, welche die eingeschlossenen Menschen im Haus retten wollten und jenen, die das Inferno bejubelten. Manche filmten die Toten. Nachdem die Ha’ola-Phase der Operation abgeschlossen war, flohen die Mörder durch die Ausgänge auf der Rückseite und an den Seiten des Gebäudes und verließen die Stadt. Nach dem grausamen Massaker sprühten sie noch faschistische Symbole der SS-Division Galizien an die Wände des Gewerkschaftsgebäudes. Danach betraten Polizeikräfte das Gebäude, um die Zahl der Opfer und die Zerstörungen festzustellen. Registriert wurde vorrangig die Anzahl der Toten in den oberen Stockwerken. Die meisten Menschen wurden aber im Keller ermordet. Es ist unwahrscheinlich, dass eines Tages die genaue Zahl der Opfer bekannt werden wird.

Premier Jazenjuk beschuldigte später die Sicherheitskräfte der Untätigkeit. Auch die Feuerwehr wurde nicht durch die Polizei, sondern von Bürgern informiert und es dauerte 40 Minuten, bis sie am Einsatzort war. Der ukrainische Generalstaatsanwalt Machnitski, Mitglied der nationalistischen Partei Swoboda, vertritt die Meinung, dass es eine von langer Hand vorbereitete Aktion der Regierungsgegner gewesen sei, in die auch die Polizei verwickelt war. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht. Er erklärte am 06. Mai 2014 in Kiew: “Heute sprechen wir nicht nur von der Tatenlosigkeit, sondern auch von der Teilnahme der Miliz an diesen Verbrechen. Uns liegt Video- und Fotomaterial vor, aus dem hervorgeht, dass einige Milizangehörige absichtlich nichts unternommen haben. Es gab sogar eine Absprache zwischen Milizionären und den Banditen“. Mit Banditen sind die Regierungsgegner gemeint. Viele Bürger von Odessa trauen dem Staatsanwalt in Kiew keine unvoreingenommenen Ermittlungen zu. Sie wollen nicht warten, bis Kiew ermittelt hat. Es wäre für die ukrainische Regierung leicht, Zweifel der Öffentlichkeit auszuräumen. Sie bräuchte nur Spezialisten, Juristen der OSZE, der EU und Russlands zu Untersuchungen vor Ort zuzulassen. Doch daran hat sie offensichtlich kein Interesse. Nach Angaben des Informationsbüro des Stadtrates von Odessa soll die Anzahl der Geschädigten und Opfer des Massakers am 2. Mai 2014 ca.174 betragen. Darunter sollten sich Ende Mai noch 25 Opfer in Lebensgefahr befunden haben. Nachdem noch zwei Opfer im Krankenhaus ihren Verletzungen erlagen, soll sich die Zahl der Toten auf 46 erhöht haben. Fünf von ihnen starben an Schusswunden, 32 an Rauchgasvergiftung, 8 durch tödliche Verletzungen nach dem Sprung aus dem Fenster und ein Opfer an seinen Brandwunden. Der Gebietsparlamentsabgeordnete Wadim Sawenkow erklärte jedoch, die Angabe von 46 Toten sei falsch. In Wirklichkeit seien bei dem Massaker 116 Menschen ums Leben gekommen. Auch anonyme Zeugen aus der Polizei sprechen von 116 Toten, darunter 6 Frauen. Das Alter der Toten liegt zwischen 18 und 62 Jahren. Tatsache ist, dass drei Wochen nach den Ereignissen noch 48 Personen vermisst wurden und 20 Opfer noch nicht identifiziert werden konnten. Verhaftet wurden 172 Personen – vorrangig Regierungsgegner. Viele der Opfer wurden von der Polizei in Gewahrsam genommen. Ohne Essen und Trinken wurden sie erst gegen Mittag des nächsten Tages verhört und des Banditentums beschuldigt. Auf Grund der Proteste der Mehrzahl der Bürger Odessas gegen das Massaker löste der Übergangspräsident der Ukraine, Turtschinow, kurzerhand den verschwundenen Polizeichef von Odessa ohne konkrete Untersuchung ab. Turtschinow erklärte zwar, Russland sei der Schuldige an den grausamen Ereignissen und unter den Anführen der Regierungsgegner seien viele Russen gewesen, aber es konnte nicht nachgewiesen werden, dass unter den Opfern und verhafteten Regierungsgegnern ein einziger russischer Staatsbürger war. Über den ebenfalls abgelösten Vizepolizeichef Sergei Futschedschi ist bekannt geworden, dass er mit der Vorbereitung des Massakers nicht einverstanden war und die Ausweisung der Nationalisten des Rechten Sektors aus Odessa gefordert hatte. Er soll auch mit allen Mitteln versucht haben, die nationalistischen Provokationen und Ausfälle zu verhindern. Er selbst soll eine Sondereinheit der Polizei in der Griechischen Straße kommandiert haben, um die Regierungsgegner vor den nationalistischen Schlägertrupps zu schützen. Nach dem die Odessaer das ganze Ausmaß des Massakers begriffen, legten viele Bürger Blumen am Gewerkschaftshaus nieder. Am Sonntag, dem 4. Mai versammelten sich ca. 2.000 Bürger Odessas, Regierungsgegner und Angehörige der Verhafteten vor der Polizeizentrale und forderten mit den Ruf „Faschisten“ die Freilassung der Verhafteten. Als keine Reaktion seitens der Polizei erfolgte, fuhren sie mit einem LKW das eiserne Tor nieder und gelangten so auf den Hof der Polizeizentrale. Das war der Anlass, dass 67 inhaftierte Regierungsgegner von der Polizei freigelassen wurden. Nach der Freilassung wurden nach Aussagen des ukrainischen Innenministers Arsen Awakow zwei hohe Polizeioffiziere aus Odessa sofort verhaftet, darunter Andre Netrebcki, neu ernannter Chef der Polizei von Odessa und der Leiter des Untersuchungsgefängnisses. Auf Grund der weiter zu befürchtenden Unruhen in Odessa blieben auf Anordnung des Stadtrates alle Schulen bis zum 11. Mai 2014 geschlossen. Vom Stadtrat wurde eine dreitägige Trauer angeordnet. Der ukrainische Übergangspräsident Turtschinow sprach von tragischen Ereignissen, die vor allem auf äußere Provokationen zurückzuführen seien, und rief wegen der Helden, die bei der Antiterrordemonstration in der Ostukraine und in Odessa umgekommen seien zwei Tage Staatstrauer aus. Die traditionelle Demonstration aus Anlass des Sieges im zweiten Weltkrieg wurde in Odessa aus Angst vor weiteren Zusammenstößen von den Behörden verboten. Am 23. Mai wurde um das Gewerkschaftshaus ein zwei Meter hoher Bretterzaun errichtet und polizeiliche Absperrung angeordnet – angeblich wegen Renovierungsarbeiten. Aber die Vizegouverneurin von Odessa nannte den wirklichen Grund: „Um Blumenexkursionen zum Ort der Tragödie zu beenden“.

Von den eine Million in Odessa lebenden Menschen sind ca. 30.000 jüdischen Glaubens. Aufgeschreckt von den antisemitischen und faschistischen Parolen der durch die Straßen ziehenden Radikalen und in Anbetracht der blutigen Auseinander-setzungen, bei denen auch jüdische Bürger verletzt wurden, bereitete sich die örtliche jüdische Gemeinde auf eine Evakuierung vor. Die Zeitung The Jerusalem Post berichtete, dass für den Fall einer weiteren Gewalteskalation 70 Busse für die Rettung der Juden von Odessa zur Verfügung stünden. Nach Angaben des Leiters der jüdischen Wohltätigkeitsorganisation Tikwa in Odessa sollen bei Verschlimmerung der Lage zuerst 600 jüdische Kinder in ein außerhalb der Stadt angemietetes, provisorisches Kinderlager gebracht werden. Als eine der möglichen Zufluchtsorte für die Juden aus Odessa wurde Moldawiens Hauptstadt Chisinau, die zwei Fahrstunden von Odessa entfernt ist, benannt. Die Geschehnisse am 2. Mai 2014 in Odessa werden in die moderne ukrainische Geschichte als beispiellose Gewalttat und große Tragödie eingehen. Von den Kämpfern des Rechten Sektors wurden Menschen bei lebendigem Leibe verbrannt. Es war Massenmord. Der russische Außenminister Lawrow äußerte sich am 19. Mai dazu: „Wir möchten, dass all die zahllosen Fakten, die jetzt auftauchen, geklärt werden. Einschließlich der Berichte, laut denen am Vorabend der Tragödie rund 1.000 Schläger in Odessa eingetroffen waren, darunter mutmaßliche Söldner aus anderen Ländern, die von bekannten ukrainischen politischen Figuren bezahlt wurden. Wir möchten, dass all das gründlich untersucht wird, darunter auch die Informationen, denen zufolge Menschen nicht an Kohlenmonoxyd-Vergiftung starben, sondern infolge der Einwirkung eines chemischen Giftstoffes sowie an Schusswunden. Viele von denen, die sich aus dem brennenden Haus retteten, wurden außerdem laut Informationen auf der Straße totgeschlagen....Was am 2. Mai in Odessa geschah, ist Faschismus pur...Wir werden darauf hinwirken, dass alle Zeugnisse, die dafür sprechen, dass die Dimension der Tragödie von den Behörden absichtlich verheimlicht werden, untersucht und publik gemacht werden“. Aber die ukrainische Übergangsregierung hat kein Interesse an der Aufklärung dieses Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Noch einen Monat nach der Tragödie im Gewerkschaftshaus gab es keine objektive Darstellung der Geschehnisse. Die Überlebenden fühlen sich immer noch nicht in Sicherheit. Viele von ihnen haben immer noch Angst vor Vergeltung durch die rechten Nationalisten und den ukrainischen Geheimdienst SBU. In der Stadt finden immer noch Festnahmen statt und die Überlebenden haben Angst auf die Straße zu gehen und Gerechtigkeit zu fordern. Vor dem geschlossenen und umzäunten Gewerkschaftshaus versammeln sich täglich nur einige Odessaer, denen die Tragödie nicht gleichgültig ist. Wie viele bei den Kämpfen festgenommene Regierungsgegner noch festgehalten werden, ist nicht bekannt. Der abgesetzte stellvertretende Polizeichef von Odessa, Dmitri Futschedschi, hat nach seiner Flucht über Transnistrien nach Russland dargelegt, dass der Konflikt bewusst von Kiewer Stellen, besonders vom Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates und Mitgliedes der Swoboda-Partei, Andrij Parubij, herbeigeführt wurde. Der abgelöste Gebietsgouverneur von Odessa, Wladimir Nemirowski, sagte, dass an der Organisation der Unruhen auch Personen aus dem engeren Kreis um Julja Timoschenko beteiligt waren. Für die westlichen Medien war die Berichterstattung über die Ereignisse in Odessa schnell zuende. Sie taten fast so als hätte es sich um einen normalen Brand gehandelt und wer die Täter waren, wurde kaum erwähnt. Das Massaker von Odessa wurde als Brandkatastrophe bezeichnet. Die westliche Presse besteht auch weiterhin darauf, dass das Verbrechen vom 2. Mai in Odessa durch einen zufälligen Brand ausgelöst worden ist, obwohl die zur Verfügung stehenden Bilder und Videos keinen Zweifel zulassen, dass die Opfer gefoltert und ermordet wurden, bevor man sie verbrannte. Stattdessen sprach man von einer unglücklichen und tragischen Verkettung angeblicher Zufälle. Die Toten habe es bei spontanen Kollisionen zwischen gewaltbereiten Fußball-Hooligans und gewaltbereiten Separatisten gegeben. Durch die Vertuschung der wahren Ereignisse machen sich diese Medien zum Mittäter des Massakers in Odessa. Und die westlichen Staaten zeigen keine Reue, sie haben eigentlich sogar Blut an den Händen, indem sie die Nazis der Swoboda-Partei und des Rechten Sektors als Teil der neuen Kiewer Übergangsregierung unterstützen. Im Westen wurde außerdem nicht auf eine objektive Untersuchung der Tragödie von Odessa gedrängt. Es gab keine Proteste wegen des barbarischen Massakers in Odessa. Keines der Senatsmitglieder und keines der 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses der USA und auch die Mehrheit der EU-Parlamentarier hat diese Ereignisse verurteilt. Schon mit den in westlichen Medien verwendeten Bezeichnungen der Demonstranten in Odessa als „pro-russische Militaristen“ oder „Separatisten“ sollen die Zuschauer gegen Russland manipuliert werden. Es wird unterschwellig der Eindruck vermittelt, dass die Opfer in Odessa keine Ukrainer, sondern eine Art „Fünfte Kolonne“ Moskaus gewesen sind und sich im Grunde ihr Schicksal selbst zuzuschreiben hätten. Es waren aber Ukrainer, die nicht der mit westlicher Hilfe an die Macht geputschten Regierung folgen wollten und die sich im Sinne des im Westen vielzitierten Menschenrechtskanons das Recht auf eine eigene politische Meinung nicht nehmen lassen wollten. Die Bezeichnung „Regierungsgegner“ oder „Antifaschisten“ passt nicht in die westliche Politik der Hofierung des Kiewer Putschistenregimes. Die ukrainische Ex-Regierungschefin und Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko hat die Verbrennung und Tötung von Menschen im Gewerkschaftshaus von Odessa als „Schutz administrativer Gebäude“ und das Massaker in den Straßen sowie den Überfall auf das Zeltlager als „friedliche Demonstration“ bezeichnet. Die bei dem Brand ums Leben gekommenen Menschen bezeichnete sie als „Angehörige von russischen Diversionstruppen, die gekommen waren, um Einwohner von Odessa zu töten“. Es ist zwar nicht akzeptabel, aber durchaus verständlich, dass in Anbetracht solcher Äußerungen am 17. Mai 2014 das Büro des Wahlstabes der Präsidentschaftskandidatin Timoschenko von Unbekannten in Odessa angezündet wurde. Weder der frühere Pastor und deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, noch die Pfarrerstochter und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben Worte des Trostes oder der Trauer für die Menschen in Odessa gefunden Als einziger westlicher Außenminister wollte Frank-Walter Steinmeier am 13. Mai 2014 in Odessa, am Haus der Gewerkschaften, einen Kranz für die vielen Toten niederlegen. Er wollte ein Zeichen setzen. Aber die Verantwortlichen in Kiew und in Odessa machten Steinmeier klar, dass das angeblich alte Wunden wieder öffnen würde – er solle doch auf die Kranzniederlegung verzichten. Der neue Gouverneur von Odessa, Igor Palizja, erschreckte den deutschen Minister mit der Bemerkung, dass er nicht genau wisse, wie die Leute in Odessa auf eine Kranzniederlegung reagieren würden. Steinmeier knickte ein. Statt ein deutliches Zeichen der Menschlichkeit zu setzen, machte er einen Rückzieher und der Kranz mit den schwarz-rot goldenen Schleifen blieb im Auto. Hier stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen Feigheit und diplomatischer Zurückhaltung verläuft. Langsam sollte einem so versierten Außenpolitiker wie Frank-Walter Steinmeier auffallen, dass die durch nationalistische und neofaschistische Maidanrebellen an die Macht geputschte ukrainische Übergangsregierung kein Interesse an einer friedlichen Lösung des Ukrainekonfliktes hat. Bei seinem letzten Besuch am 13. Mai in Kiew und Odessa, wo es um die Vorbereitung des „Runden Tisches“ ging, wurde er vom ukrainischen Übergangspremier Jazenjuk in einem kaum 45 Minuten dauernden Gespräch auf dem Flugplatz in Kiew abgefertigt. Der damalige Übergangspräsident Turtschinow hatte nach zweistündiger Verschiebung des Treffens und undiplomatischer Wartezeit Steinmeiers im Vorzimmer nur 15 Minuten für ihn Zeit. Dem ukrainischen Ministerpräsidenten war es wichtiger nach Brüssel zu fliegen und um Geld bei der EU sowie um militärischen Beistand bei der NATO zu betteln. Und der ehemalige Präsident hatte keine Zeit für Steinmeiers Runde-Tisch-Idee, weil er seine Truppen in der Ostukraine auf die eigenen Staatsbürger hetzen musste. Diese Missachtung deutscher Bemühungen hat gute Gründe: Spielführer sind in diesem Konflikt die Amerikaner. Sie haben die Maidan-Bewegung finanziert, beraten die Übergangsre-gierung und haben naturgemäß kein Interesse an einer Deeskalation. Hier geht es um geopolitische und wirtschaftliche Interessen der USA und der deutsche Außenminister wirkt in diesem Zusammenhang mit seinen hilflosen Bemühungen als Störfaktor. Warum soll man in Washington auch den Vertreter einer Regierung ernst nehmen, die nicht einmal willens und in der Lage ist, die eigenen Bürger vor amerikanischen Ausspähaktionen zu schützen, die US-Truppen im Land duldet und die Bundesrepublik als Stützpunkt für amerikanische Angriffskriege missbrauchen lässt?

 

Steinmeier beim Treffen am 13 Mai mit Jazenjuk auf den Kiewer Flugplatz

So wurden alle bisherigen Bemühungen Steinmeiers nach scheinheiliger Zustimmung durch die vormalige Opposition und die daraus entstandene ukrainische Übergangsregierung ignoriert: Ob es das Abkommen mit dem weggeputschten Präsidenten Janokowitsch war, ob es das Protokoll der Genfer Verhandlungen war, das durch die USA, die EU, Russland und die zeitweilige ukrainische Regierung unterzeichnet wurde, aber durch letztere, was die Entwaffnung des Rechten Sektors und die Räumung der besetzten Häuser und des Maidan in Kiew betraf, nicht umgesetzt wurde, oder ob es der „Runde Tisch“ war, der zur politischen Selbstbefriedigung wurde, weil sich die ukrainische Übergangsregierung weigerte die Regierungsgegner vom Donbass an den Tisch zu laden und auch jegliche Gespräche mit Russland ablehnte. Immer ließ man die europäischen Diplomaten und speziell Steinmeier ins Leere laufen. Alle Vorschläge zur objektiven Untersuchung der Vorfälle am 02. Mai 2014 in Odessa mit wahrscheinlich über 116 Toten oder am 9. Mai in Mariupol mit 100 Toten unter Beteiligung der OSZE wurden von der ukrainischen Übergangsregierung abgelehnt. Das spricht für sich. Um das Gesicht gegenüber dem Ausland zu wahren, hat nun die ukrainische Übergangsregierung festgelegt, dass über die Geschehnisse in Odessa der erste Gerichtsprozess Ende Juli 2014 stattfinden soll. Insgesamt soll gegen 114 Angeklagte verhandelt werden, wobei 13 davon noch in Haft und 2 auf der Flucht sind. Bei den Angeklagten handelt es sich vorwiegend um Regierungsgegner. In einer der ersten Sitzungen der staatlichen Untersuchungskommission wurden auch Todesursachen der Opfer referiert. Die Untersuchung der Todesursachen und Verletzungen hatte man dem gerichtsmedizinischen Dienst unter Leitung seines Chefs Grigori Kriwda übertragen. Dieser war auch der Berichterstatter auf der anschließenden Pressekonferenz. Seine Äußerungen erwiesen sich als völlig realitätsfremd: Kriwda legte etwa dar, dass am 2. Mai keine hochtraumatisierten und schwerverletzten Personen die Krankenhäuser von Odessa eingeliefert worden seien. „Es gab nur einige Hautabschürfungen bei den Eingelieferten, auch Fälle von Schussverletzungen, aber nur leichte Streifschüsse. Es waren aber alles nur Leichtverletzte“. Es war zu erkennen, dass Kriwda eine vorgeschriebene, allen Tatsachen widersprechende Darstellung bekannt gab. Denn viele Journalisten hatten die furchtbaren Bilder, die Bürger der Stadt an diesem Tag aufgenommen hatten, nicht vergessen. Warum wurden die vielen Bildbeweise oder Befragungen der Überlebenden im Gewerkschaftshaus nicht für den Bericht genutzt? Aber das Gegenteil trat ein: Die Zeugen, die Familienangehörigen der Getöteten und die Verletzten werden nach wie vor verfolgt. Viele der Augenzeugen aus dem Gewerkschaftshaus flohen ins Ausland und trauen sich nicht zurück. Dieser Terror wurde vom neuen Chef der Polizei von Odessa, einem rechten Maidankämpfer organisiert. Er übergab die Namen und Adressen der Familienangehörigen und der Überlebenden, aber auch der Augenzeugen der Öffentlichkeit und machte sie so den Nationalisten des Rechten Sektors zugänglich. Bei einem so verharmlosenden Untersuchungsbericht über einen Massenmord an Zivilisten müsste jeder Staatsanwalt eine sofortige Nachuntersuchung fordern, sogar unter Einbeziehung von Gerichtsmedizinern und Kriminalisten aus neutralen Staaten oder der OSZE. Obwohl die Behörden von Odessa selbst 48 Tote bestätigten, wurden laut Untersuchungsbericht der Einsatz von Schusswaffen und das Erschlagen mit harten Gegenständen als Todesursachen ausgeschlossen. Es ist ein Hohn, dass die Überlebenden, die Geschlagenen und Verletzten nun auch noch vor Gericht gestellt werden sollen. Der Untersuchungsausschuss ist von Kiew angewiesen, den Bericht der Untersuchungskommission schnellstens dem Gericht zu überstellen. Man will die leidige Angelegenheit vom Tisch haben, der Welt die Fassade eines rechtsstaatlichen Verfahrens liefern und die Hintergründe des Massakers von Odessa vertuschen. Und das sind die neuen Partner der Europäischen Union.

 

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