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- "Schild-82" und die 4. MSD
28.11.2024
Oberst a.D. Friedemann Munkelt
Leiter der Übung war der bulgarische Verteidigungsminister, Armeegeneral Dshurow, Stellvertreter des Leitenden für die NVA war Generalleutnant Skerra, Nach der erhaltenen Aufgabenstellung wurde im Stab des Verbandes eine operative Gruppe unter Leitung des Divisionskommandeurs gebildet, unter Einschluss aller Stabsbereiche. Gleiches vollzog sich bei den teilnehmenden Kräften des MSR-22 in Mühlhausen in Verantwortung des Kommandeurs, Oberstleutnant Eichenberg (1985 Oberst). Für die Führung der politischen und Parteiarbeit wurde eine Arbeitsgruppe unter meiner Leitung gebildet, bestehend aus Mitarbeitern der Politabteilung und Politoffizieren des MSR-22.
Als Vertreter der Politischen Hauptverwaltung fungierte im Leitungsstab Oberst Kokott (07.10.82 GM), die Zusammenarbeit gestaltete sich sehr freundschaftlich und bildete die Basis einer dauerhaft guten Beziehung. Vor Ort wurde uns dann zur Koordinierung noch ein Oberst der Politischen Hauptverwaltung der Bulgarischen Volksarmee zugeteilt, den Namen habe ich aber leider nicht mehr im Gedächtnis.
Die Verlegung unserer Kräfte erfolgte per Luft-, Land- und Seetransport samt Technik und Bewaffnung, eine Ausnahme bildete die Panzer- und SPW-Technik, die von der Bulgarischen Volksarmee gestellt wurden. Bereits der Marsch ins Truppenlager wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis, die Bevölkerung begrüßte uns außerordentlich herzlich. Dieser erste Eindruck verstärkte sich dann durch eine Vielzahl von Begegnungen im weiteren Verlauf der Übung. Ich muss zugeben, von den eigentlichen Manöverhandlungen habe ich persönlich so gut wie nichts mitbekommen, ich war durchgehend im Truppenlager gebunden, da es galt eine Unmenge von Besuchen und Begegnungen zu organisieren. Das Truppenlager wurde in der Nähe der Stadt Tolbuchin errichtet. Beim schreiben dieser Zeilen musste ich erst mal meine Geographiekenntnisse auffrischen, eine Stadt dieses Namens (benannt nach dem Marschall der Sowjetunion F.I. Tolbuchin, maßgeblich an der Befreiung Bulgariens beteiligt) war nicht zu finden. Auch hier schlug die „neue Zeit“ zu, 1990 wurde Tolbuchin in Dobritsch umbenannt!
Zwei Dinge sind aber in meinem Gedächtnis geblieben. Zum ersten verfügte Bulgarien über keine großen Truppenübungsplätze, die gesamten Handlungen fanden im normalen Gelände, schwerpunktmäßig auf abgeernteten landwirtschaftlichen Flächen statt. Bei noch nicht abgeernteten Maisfeldern wurden für die Entfaltung der Truppen Schneisen gemäht. Zum zweiten wurde nach entsprechenden Informationen erstmals eine reale Artillerievorbereitung geschossen. Ein Ereignis, das auch im Truppenlager nicht zu überhören war.
Tagsüber wechselten sich die Besucher im Truppenlager pausenlos ab, Vertreter der an der Übung beteiligten Streitkräfte, Mitarbeiter örtlicher Partei- und Staatsorgane und von Betrieben des unmittelbaren Umfeldes. Am Abend dann, nach getaner militärischer Arbeit auf dem Gefechtsfeld, dominierten Treffen der Waffenbrüderschaft zwischen den Soldaten aller Dienstgrade.
Den Abschluss der gemeinsamen Übung bildete ein Meeting mit Militärparade auf dem Flugplatz in Burgas am 1. Oktober 1982. Bleibende Erinnerung, die bulgarische Medaille für Waffenbrüderschaft!
(geführt von Oberst a.D. Friedemann Munkelt im April 2024)
Wie hast Du, wie hat der gesamte Personalbestand die Nachricht aufgenommen, dass Teile des MSR-22 auserkoren wurden, die NVA bei dieser Truppenübung vertreten zu dürfen?
Erst mal waren wir überrascht, ich eingeschlossen, dass unser Regiment mit dieser Aufgabe betraut wurde! Als Kommandeur war ich natürlich stolz und betrachtete es als Anerkennung für die Leistungen aller Angehörigen des Truppenteils in der täglichen politischen und Gefechtsausbildung. Diesen Stolz haben wir in der weiteren Vorbereitung vertieft und es war bei allen teilnehmenden Kräften ein großer Enthusiasmus zu spüren.
Mit Dankbarkeit erinnere ich mich an die zielstrebige Arbeit meines Stellvertreters für Technik und Ausrüstung, Oberstleutnant Paul, mit ihm hatte ich noch viele Jahre Verbindung. Die Vorbereitung des Personalbestandes hatte 2 Schwerpunkte. Erstens die Vermittlung von Kenntnissen über des Gastgeberland, von der Geographie, über die Wirtschaft bis hin zur militärischen und politischen Führung des Landes. Mit viel Liebe wurden durch die Armeeangehörigen Gastgeschenke vorbereitet. Zweitens wurde eine intensive Gefechtsausbildung mit den Schwerpunkten Schieß- und Taktikausbildung durchgeführt und die zu verlegende Technik vorbereitet.
Was waren die Herausforderungen bei der Verlegung ins in das Truppenlager in Bulgarien, wie erinnerst Du Dich an den Empfang durch die Bevölkerung vor Ort?
Die Verlegung der Technik erfolgte per Eisenbahntransport unter Leitung des schon erwähnten Stellvertreters T/A, Oberstleutnant Paul. Die Route führte über Polen und die Sowjetunion, das rumänische Territorium war für uns tabu. Der übrige Personalbestand wurde per Lufttransport der NVA-Fliegerkräfte vom Flughafen Dresden-Klotzsche verlegt. In Kiew erfolgte eine Zwischenlandung, da wir die Bewaffnung an Bord hatten, durften wir das Flugzeug nicht verlassen. Überhaupt haben mich die hohen Sicherheitsbestimmungen in Vorbereitung und Durchführung der Flüge sehr beeindruckt, selbst ich musste meine Pistole an den Piloten übergeben. Wir mussten lernen, wie man einen Lufttransport organisiert. Das Truppenlager in Bulgarien war bestens vorbereitet, der Empfang vor Ort ausnehmend freundlich und von Herzlichkeit geprägt. Die Rückverlegung erfolgte auf gleiche Weise, mit einem „Vorkommnis“ beim Bahntransport, an der Grenze zur DDR gab es einen Quarantäne-Stopp (1 oder 2 Tage), übermäßiger Melonengenuss hatte vermehrt zu Magen- und Darmproblemen geführt. Kleine Episode des Rückfluges, mein Flieger startete als erster, wurde aber von den folgenden im Zielort Dresden vermisst. Wo ist der Kommandeur? Einfache Erklärung: zusätzliche Zwischenlandung in Berlin, um Vertreter des Ministerium abzusetzen.
Im hattest Du ja unter anderem die Führung der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages sowie den bulgarischen Verteidigungsminister zu begrüßen, wie verliefen diese Begegnungen?
Für mich, und sicher auch für den Personalbestand war es ein einmaliges Erlebnis, wann trifft man schon den Oberkommandierenden des Warschauer Vertrages, Marschall der Sowjetunion Kulikow und andere Persönlichkeiten. Die geführten Gespräche haben bei allen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.Bei Armeegeneral Dshurow hat mich seine Einfachheit, sein Verständnis für die Soldaten beeindruckt. Aus seiner Begleitung kam der Vorschlag den Gefechtspark zu besichtigen. Der Vorschlag verfiel der Ablehnung mit der Bemerkung: ausgezeichnet, habe ich bereits aus der Luft gesehen. Eine größere Anerkennung für meinen Oberstleutnant Paul konnte es nicht geben.
Von den Handlungen auf dem Gefechtsfeld habe ich leider nur sehr wenig mitbekommen, worin bestanden da die Herausforderungen, wie war das Zusammenwirken mit den Waffenbrüdern?
Es wurde jeden Tag hart im Gelände trainiert, dabei unterstützte mich unser Divisionskommandeur Oberst Gleau. Vertraut machen mit dem Gelände, entfalten der Gefechtsordnung, Übergang zum Angriff und Feuerführung bestimmten die tägliche Arbeit. Aber wir wollten natürlich den anderen Armeen ein gutes Bild der NVA vermitteln.
Als erschwerend kamen die hohen Temperaturen hinzu, aber die Getränkeversorgung klappte, und unsere bulgarischen Freunde hatten auch ein probates Hausmittel: kalte Gurkensuppe! Kontakt mit den Waffenbrüdern gab es bei Rekognoszierungen und Entschlussmeldungen auf dem KP, ansonsten bei Begegnungen im Truppenlager. Der Tag der Abschlusshandlungen war ein einmaliges Erlebnis. Eine reale Feuervorbereitung, hinter den Geschützen unserer Artilleristen stapelweise Munition, dazu der Einsatz der Flieger- und Hubschrauberkräfte. Es war eine einzige Wand aus Feuer, Lärm und Dreck, man muss es erlebt haben. Mittels Armeerundfunkempfänger zeichnete Major Stenzel den Gefechtslärm auf, diese Kassette haben wir später im Regiment in der Ausbildung genutzt.
Gab es Begegnungen im Territorium, die Dir besonders im Gedächtnis haften geblieben sind?
Da gibt es einige! So hatten wir ein Treffen mit dem Vorsitzenden der Agrargenossenschaft, auf dessen Feldern unsere Handlungen verliefen und entschuldigten uns für die unvermeidlichen Schäden. Seine Antwort: erfüllt eure Aufgaben, wir bringen wieder alles in Ordnung. Oder eine Einladung ins Truppenlager unserer polnischen Partner, hinter jedem Gast stand eine Ordonanz, die Atmosphäre etwas distanziert aber freundlich. Selbst war ich nicht dabei, aber es wurde erzählt, dass der rumänische Vertreter nur bereit war seinen Entschluss auf Rumänisch zu melden, obwohl ja Russisch die Kommandosprache des Warschauer Vertrages war, es wurde ihm genehmigt. Gruppenweise besuchten unsere Armeeangehörigen die Stadt Tolbuchin und den in der Nähe gelegenen Ort Scheglarzi. Die männlichen Vertreter trugen fast ausnahmslos ein Messer, nach dem Motte ein Mann ohne Messer ist kein Mann. Der Freundschaft tat es keinen Abbruch.
Wie hast Du das Abschlussmeeting mit Feldparade in Burgas erlebt?
Die Verlegung nach Burgos erfolgte per Eisenbahntransport, auch dort fanden wir ein bestens vorbereitestes Truppenlager vor. Training und Vorbereitung (Sauberkeit) der Technik bestimmten den Alltag. Von der Parade selbst habe ich nichts mitbekommen, ich saß im Inneren meines Führungs-SPW, oben in der Luke stand unser Divisionskommandeur mit Grußerweisung. Trotzdem ein Erlebnis der besonderen Art, waren doch sämtliche Verteidigungsminister des Warschauer Vertrages anwesend.
Wie erfolgte nach der Rückverlegung nach Mühlhausen die Auswertung im Truppenteil, wie war die Reaktion der teilnehmenden Kräfte?
Zu den teilnehmenden Kräften nur eine Bemerkung, die aber für sich spricht: Während der gesamten Übung hatten wir trotz der außerordentlich hohen Belastung einen Krankenstand null!! Es gab eine ganze Reihe auswertender Maßnahmen, die in der Regel mit entsprechenden Auszeichnungen und Belobigungen verbunden waren. Auch im Traditionszimmer fand „Schild-82“ seinen Niederschlag.
Eine abschließende Frage, die nicht direkt mit „Schild-82“ verbunden ist. Die Organisation der Waffenbrüderschaftsarbeit hat uns ja ständig begleitet, heute wird dies oft mit dem Zusatz „verordnet“ oder „befohlen“ versehen. Welche Rolle hat sie für Dich ganz persönlich gespielt?
Diese Arbeit war Herzenssache und gehörte zu unserem militärischen Alltag. Wir hatten in Mühlhausen ein Aufklärungs-Bataillon der Sowjetarmee und in Bad Langensalza ein Schweres Panzerregiment, mit beiden Truppenteilen verbanden uns freundschaftliche Beziehungen. Es gab zwar eine Ordnung zur Waffenbrüderschaftsarbeit, aber sie gab den organisatorischen und finanziellen Rahmen vor. Ansonsten war der Initiative keine Grenze gesetzt. Wenn ich an „Schild-82“ und unsere gemeinsamen Handlungen denke, dann steht an erster Stelle, dass es uns gelang den Frieden in Europa zu sichern! Die Bedeutung des hohen Gutes Frieden wird uns heute deutlicher denn je vor Augen geführt.