10.04.2025

Dieter Feuerstein in Potsdam

Fallschirmjäger-Traditionsverband Ost und Verband zur Pflege der Traditionen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR


Aus Alters- und Strukturgründen organisieren nun die Potsdamer beider Verbände gemeinsame Abende, so auch den gestrigen. Thomas Schmidt hatte Dieter Feuerstein eingeladen, den 25 Anwesenden über seine frühere Arbeit zu berichten.

Thomas Schmidt hatte Dieter Feuerstein eingeladen, den 25 Anwesenden über seine frühere Arbeit zu berichten.
Wer es nicht wusste, Dieter arbeitete im Operationsgebiet für die Hauptverwaltung Aufklärung in der Rüstungsindustrie. Konkret bei Messerschmidt-Bölkow-Blohm. Diese entwickelten und bauten u.a. den Eurofighter und Tornado.
Er sprach viel über seinen Vater, seine Schulzeit, die Bundeswehr, das Studium und eben den Einstieg und die Arbeit bei MBB. Einiges kannte man, vieles hatte ich so noch nicht gehört. Ein oder zwei Jahre vor dem Abitur wurde Dieter durch die HV A gebrieft. Dabei finde ich es immer wieder, „lustig“ ist vielleicht nicht das richtige Wort, dass er nach dem Abitur Geisteswissenschaften studieren wollte, weil Mathematik und Physik gar nicht seine Themen waren.  
 

So sahen auch die Noten in den beiden Fächern aus. Doch die HV A hatte anderes mit ihm vor. „Wie auch immer, schön das Abitur machen!“ Anschließend sollte er, dabei nahm Dieter noch einen zweijährigen Umweg in Kauf, in West-Berlin an der Technischen Universität „Luft- und Raumfahrt-Technik“ studieren. Da ich an dieser Stelle nicht alles wiederholen kann, beschränke ich mich auf die Zeit bei MBB.
Dieter arbeitete im Bereich der Forschung und Entwicklung, konkret im Bereich Avionik/Bewaffnung. Er erwähnte Beispiele aus der Forschung, erklärte uns bestimmte Rüstungsprojekte. Z.B. referierte er über zielsuchende Raketen. Um dem Ganzen die Krönung zu verleihen, wurde er auch noch „Verantwortlicher für den materiellen Geheimschutz“ in einem Teil des Konzerns. Somit liefen sehr viele Informationen über seinen Tisch.
Kurzum, man hatte „den Bock zum Gärtner gemacht!“ Dieter ist sehr stolz darauf, dass er alles, was den Tornado betrifft, zu 100% aufgeklärt hat. Der Tornado gehörte ganz klar zu den Angriffsytemen, während der Eurofighter eher der Verteidigung zugeordnet wurde. Daran, dass sich die HV A mit ihren sowjetischen Partnern für die Angriffssysteme interessierte, kann man erkennen, wo die Prioritäten lagen. Dieter lieferte und lieferte … Natürlich war er bei dieser Arbeit nicht allein. Seine Frau, sein Instrukteur und sein Führungsoffizier wurden von einem Mitarbeiter des MfS nach dem „Mauerfall“ verraten. Und dieser Verräter war dann auch der Zeuge der Staatsanwaltschaft, die für Dieter eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren forderte. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, wurden Komponenten aus der Forschung und Entwicklung in der sowjetischen Rüstungsschmiede Mikojan-Gurewitsch (besser bekannt als MiG) verbaut. Diese hatte Dieter beschafft. Die Staatsanwaltschaft schäumte vor Wut. Seine Frau und die anderen beiden Mitstreiter bekamen Haftstrafen, zur Bewährung ausgesetzt, weil Dieter am liebsten die alleinige Verantwortung übernommen hätte. Der Richter gab Dieter wohlwollend am Ende 8 Jahre, wovon er ziemlich genau 4 Jahre abgebrummt hat.
Aber auch im Knast war er nicht allein. In der übernächsten Zelle saß Alfred Spuhler, viele Jahre erfolgreich beim BND. Die beiden wurden natürlich schnell Freunde. Inzwischen ist er leider verstorben.
Dieter wurde an einem 7. Oktober entlassen und hat daher gleich zweimal gefeiert. Noch während seiner Kundschaftertätigkeit dankten ihm die HV A und die sowjetischen Partner sehr. Von der DDDR bekam er den Vaterländischen Verdienstorden in Silber und Bronze, die UdSSR, die ihn gerne selbst verpflichtet hätte, verlieh ihm den Lenin-Orden.

Wenn Dieter solche Vorträge hält, wird er auch immer mal wieder gefragt, auch verbunden mit seiner Haftzeit, den Verlust der gutbürgerlichen Existenz, ob sich das am Ende gelohnt hat. Die Antwort ist immer dieselbe, kurz und knackig: „Rund 50 Jahre Frieden in Europa, das hat sich schon gelohnt!“

 

Regionalgruppe Potsdam, 9.4.2025 und Jürgen Köhler, Redakteur des UF

 

Anmerkung der Autoren: Dieter Feuerstein hat unmittelbar nach dem Abend noch eine Ergänzung geschickt, die wir euch nicht vorenthalten wollen:

Es gibt Momente, da merkt man das eigene Alter unangenehm deutlich. So habe ich - wieder zu Hause angekommen - gemerkt, dass ich ein doch recht wichtiges operatives und erfolgreiches Detail meines Wirkens völlig vergessen hatte, zu erwähnen: An einer Information hatten meine Vorgesetzten in Berlin und unsere Freunde eines befreundeten Dienstes eines befreundeten Staates ganz besonderes Interesse. Es handelte sich um die sogenannte HATALIB (Harm Target Library). Eine vollständige Bibliothek aller bekannten elektromagnetischen Kennungen von Radaren der Warschauer Vertragsstaaten und der VR China. Signaturkennungen für eine selbst-ziel-suchende Rakete unverzichtbar. Zum einen für uns hochinteressant, zu erfahren, was der Gegner weiß; aber noch viel interessanter, was er nicht weiß. Ich war gerade dabei, über eine Sekretärin an das Objekt unserer Begierde zu gelangen (bei meiner Ehre: nicht als Romeo selbst, wohl aber vermittelnd für einen anderen Genossen), da wurde ich zum Sicherheitsbeauftragten für den materiellen Geheimschutz ernannt und das Dokument wurde mir geradezu auf dem Silbertablett gereicht.

 

Dieter Feuerstein, 10.04.2025

 

sie dazu auch:  Beitrag zum Buch mit dem Titel „Kundschafter im Westen“ zu „Die Toten bleiben jung“

 

 

 

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