Aufmarsch der Veteranen lettischer Waffen SS in Riga

Von Oberst a.D. Michael Brix

 

Alljährlich werden am 16. März in Riga die Toten der lettischen Waffen SS Divisionen geehrt.  An diesem Tag erhielten drei lettische Waffen SS Divisionen ihre Feuertaufe, als sie im Jahre 1942 versuchten von Norden her, nach Leningrad durchzubrechen. Jedoch erfolglos. 

Ich nutzte die Gelegenheit, um an einem vom VVN/BDA organisierten Protest deutscher Antifaschisten in der lettischen Hauptstadt teilzunehmen.

Mit einem Bus fuhren wir von Berlin über Polen und Litauen nach Lettland.

Schon unsere Anreise wurde durch Schikanen der lettischen Behörden behindert.

An der Grenze zu Lettland wurden wir erwartet. Unsere Personalausweise wurden eingezogen, im Grenzkontrollpunkt kontrolliert und sicherlich kopiert. Gibt es da nicht ein Schengener Abkommen, dem auch Lettland beigetreten ist? Dabei wurde festgestellt, dass die Gültigkeit von zwei Ausweisen abgelaufen war. Einer davon gehörte Hans Coppi, dem Enkel des von der Hitlerjustiz 1944 hingerichteten Widerstandskämpfers der „Roten Kapelle“. Selbstverständlich konnten diese ihre Identität anhand anderer Dokumente belegen. Inzwischen wurden wir gefilzt. Ein Spürhund wurde durch den Bus geschickt, um nach Drogen zu suchen. Unser Gepäck wurde akribisch durchsucht.  Sogar die Schachtel mit meiner Zahnbürste musste ich öffnen. Etwa drei Stunden brauchte man, um für die Zwei eine Bescheinigung mit der Einreisegenehmigung auszustellen und uns die Weiterreise zu gestatten.

Nach circa 10 Kilometern wurden wir von einer Streife angehalten und auf einen Parkplatz verwiesen. Dort wurde zielgerichtet nur der Fahrtenschreiber kontrolliert und dabei festgestellt, dass die Busfahrer die zulässige Fahrtzeit überschritten hatten. Die Fahrer hatten beim unfreiwilligen Halt an der Grenze vergessen, diesen abzustellen. Unsere Forderung, dort anzurufen und sich von dem Aufenthalt zu überzeugen wurde abgelehnt.

Jetzt sollte jeder Fahrer wegen Gefährdung des Straßenverkehrs 400 Euro Strafe zahlen. Das ging aber nur per Visacard. Ein Fahrer hatte solch ein Dokument, der andere nur eine EC-Karte. Das ging natürlich nicht. Einer von uns wollte nun  seiner Visacard  bezahlen. Das wurde nicht akzeptiert. Der Betrag könne nur vom Konto des Verkehrssünders stammen.

Es war reine Schikane, um unsere Fahrt nach Riga zu verhindern. Wir riefen Martina Renner, Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag, die schon per Flugzeug in Riga angekommen war, um dort mit örtlichen Antifaschisten unsere Aktion vorzubereiten. Über Einschaltung eines Rechtsanwalts wurde dann doch eine Lösung gefunden. Der Führerschein des betroffen Fahrers wurde eingezogen. Den konnten wir dann von einer Polizeidienststelle in Riga abholen, nachdem das Strafgeld von einem von uns auf einer Bank eingezahlt worden war. Da spielte es dann offensichtlich keine Rolle, von wessen Konto der Betrag stammte. Auf der Polizeidienststelle erfuhren wir dann, dass die Streife zu einer Sondereinsatzgruppe und nicht zur Polizei gehörte.

Wir kamen in einem Hotel unter, nachdem zwei andere sich geweigert hatten, uns aufzunehmen.

Am nächsten Tag dann unsere Aktion. Da stand ein Häuflein von rund 100 Antifaschisten, davon 30 Deutsche, die anderen hauptsächlich Russen, gegen etwa 2000 übriggeblieben SS Veteranen mit ihrem Nachwuchs. Uns hatte die Polizei vorsorglich eingekesselt. Nach dem Gottesdienst in einer Kirche formierte sich dann ihre Marschkolonne mit einem Pfarrer an der Spitze und zog dann unter Beifall von Zuschauern in Richtung Freiheitsdenkmal um dort für ihre „Märtyrer“ Blumen niederzulegen. Sie trugen volksverdummende Losungen mit sich wie zum Beispiel „Nein zum Kommunismus und Nein zum Nazismus“. Dabei waren sie doch selber Nazis. Mir gelang es, einige Fotos von diesem Aufzug zu machen.

Es war erschreckend, ansehen zu müssen, welchen Zuspruch Faschisten wieder genießen. Hatten wir so etwas nicht schon einmal in Deutschland?     

Am Nachmittag besuchten wir dann das Holocaustmuseum. Ein russischer Oberst a. D. der Sowjetarmee führte uns durch die Ausstellung. Er erzählte uns, dass vorrangig durch lettische Waffen SS Leute mehr als 90 000 lettische  darüber hinaus mehr als 5000 ungarische und 20 000 deutsche Juden ermordet wurden.

Er selbst wird als Feind Lettlands behandelt, ihm wird die lettische Staatsbürgerschaft verweigert. Die russische Sprache ist nicht zweite Amtssprache  und wird an Normalschulen nicht gelehrt. Seine Rente wird ihm aus Russland überwiesen, aber nur, weil er vor 1990 aus dem Staatsdienst entlassen worden war. Allen späteren in Rente gegangenen russischen Staatsbediensteten wird die Rentenüberweisung durch die lettischen Behörden verweigert.

Wir kehrten heim mit der Frage, was der weiteren Ausweitung faschistischer Ideologien nicht nur in den baltischen Staaten, sondern auch in Ungarn, der Ukraine, aber auch bei uns in Deutschland und sonst wo  in der Welt entgegenzusetzen ist. Soll sich die These vom Faschismus als letzter Ausweg aus kapitalistischen Krisen wieder einmal bewahrheiten?