12.02.2025

Eindrucksvolles Erinnern an die Opfer des Faschismus in der Oberlausitz

von Oberstleutnant a.D. Erhard Heinze

 

Im Jahr 2005 wurde der 27. Januar – das Datum der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz/Birkenau durch die Rote Armee im Jahr 1945 – zum internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust erklärt. Inzwischen wird an diesem Tag an vielen Orten weltweit den Opfern des Faschismus gedacht – so auch in diesem Jahr in Städten und Dörfern der Oberlausitz. Wie es in unserer Regionalgruppe Bautzen/Oberlausitz bereits Tradition ist, waren auch diesmal Angehörige unserer Gruppe in Bautzen, Zittau und Kamenz beteiligt und legten im Namen unseres Verbandes Blumen an den Gedenkstätten nieder.

In Bautzen gedachten die Teilnehmer an dem 1997 neu errichteten Gedenkstein an der Neuschen Promenade nahe dem heutigen ALSTOM-Betriebsgelände (allgemein bekannt als Waggonbau Bautzen). Der Stein ist dem Gedenken an Menschen gewidmet, die zwischen 1940 und 1945 Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion der damaligen Waggon- und Maschinenfabrik Bautzen, die damals der Industriellenfamilie Flick gehörte, und in den letzten Kriegsmonaten bei der Schaffung von Panzersperren und Schutzgräben im Bautzner Umland leisten mussten. Dazu bestanden seit 1940 zwei Lager für zur Arbeit gezwungene Kriegsgefangene. Im Oktober 1944 errichtete die SS auf dem Betriebsgelände der genannten Fabrik zusätzlich ein Außenlager des KZ Groß-Rosen. Etwa 500 bis 600 Häftlinge – überwiegend Menschen aus Polen, der Tschechoslowakei, der Sowjetunion, Frankreich, Belgien, Deutschland und Jugoslawien – wurden unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Mitte April 1945 wurde das Lager geräumt. Den anschließenden Todesmarsch von ca. 200 Lagerinsassen in Richtung Nixdorf (heute Mikulasovice, Tschechien) überlebten viele nicht.

Vor dem 1946 am Klienebergerplatz errichteten Mahnmal für die Opfer des Faschismus gedachten die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Zittau. Es wurde erinnert an die KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, die in den sogenannten ZITT-Werken, einem Tarnunternehmen der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG, Schwerstarbeit verrichten mussten. Bereits kurz nach Kriegsbeginn wurden vor allem Kriegsgefangene zum Einsatz gezwungen. 1944 erfolgte die Errichtung eines durch Stacheldraht abgegrenzten KZ-Lagers – wie in Bautzen ein Außenlager des KZ Groß-Rosen. Bis zu 864 KZ-Häftlinge sollen in den ZITT-Werken Zwangsarbeit geleistet haben. Viele Häftlinge fanden aufgrund desaströser Lebensbedingungen und Anfang Mai 1945 durch Luftangriffe den Tod. Mit der Inschrift „Zum Gedenken an die Opfer des Faschismus in den ehemaligen ZITT-Werken“ erinnert ein Gedenkstein im Urnenhain der Stadt Zittau, wie der städtische Friedhof auch oft genannt wird. Charakteristisch für die faschistische Willkür und Niedertracht ist auch das Schicksal des jüdischen Arztes Carl Klieneberger, dessen Namen der o.g. Platz in Zittau trägt. Er war seit 1912 Direktor des städtischen Krankenhauses in Zittau. 1933 musste er nach Hetzkampagnen seine Position aufgeben und war nur noch in seiner privaten Praxis tätig. Während dieser Zeit war er zahlreichen Denunzierungen von ehemaligen Kollegen und Patienten ausgesetzt und musste Demütigungen wegen seiner jüdischen Abstammungen hinnehmen. Als ihm am 01. Oktober 1938 die Approbation aberkannt werden sollte, wählte er am Vortag den Freitod.

OSL a.D. Erhard Heinze (VTNVAGT, links) und Hptm. a.D. Andreas Koch (Vorsitzender des Fördervereins "KZ-Außenlager Kamenz-Herrental") an der Gedenktafel der Gedenkstätte in Kamenz-Herrental Zirka 125 Personen trafen sich am 27. Januar dieses Jahres in der „Gedenkstätte KZ-Außenlager Kamenz-Herrental“ zur Gedenkfeier. Im Oktober 1944 errichtete die SS in einer stillgelegten Tuchfabrik ein KZ-Außenlager – ebenfalls ein Teil des KZ Groß-Rosen. Bis zu tausend Häftlinge aus 21 europäischen Nationen wurden in den mit Stacheldraht eingezäunten und nachträglich vergitterten Fenstern der ehemaligen Fabriksäle eingekerkert. Sie wurden zur Zwangsarbeit in Industriebetrieben, die aufgrund des Näherrückens der Fronten ihre Produktionsstätten u.a. auch nach Kamenz verlegten, eingesetzt. 50% der Häftlinge waren nicht älter als 30 Jahre. 

Ziel war die „Vernichtung durch Arbeit“. Hohe physische und psychische Belastung, katastrophale hygienische Zustände, ständiger Hunger, Tyrannei durch das Wachpersonal – das war der Alltag. Die hohe Zahl von fast 200 Todesopfern innerhalb von 130 Tagen des Bestehens des Lagers war diesen Bedingungen zu schulden. Zur Verbrennung der umgekommenen oder durch die Giftspritze ermordeten Häftlinge wurde extra die Kesselanlage der Tuchfabrik instandgesetzt. Im März 1945 erfolgte die Evakuierung des Lagers. Der Transport erreichte das KZ Dachau. Bei den folgenden Todesmärchen des Lagers Dachau in die Alpen fanden weitere ehemalige Kamenzer Häftlinge den Tod. 1952 erfolgte die Einweihung einer Gedenktafel und 2011 die feierliche Übergabe der umfangreich neu gestalteten Gedenkstätte. An einer Ehrenmauer sind auf Edelstahltafeln die Namen und Lebensdaten von 182 Opfern, die ermittelt werden konnten, aufgeführt. Der Schornstein der ehemaligen Tuchfabrik blieb als Mahnmal erhalten. An seinem Sockel wurde die Gedenktafel von 1952 angebracht. Seit 2008 leistet der Förderverein „Gedenkstätte KZ-Außenlager Kamenz-Herrental“ e.V. eine hervorragende Arbeit.

In allen drei genannten Städten hatten die Oberbürgermeister zu den Gedenkfeiern geladen. Sie sprachen selbst zu den Teilnehmern. Zu Wort kamen des Weiteren Redner verschiedener politischer Richtungen und Anschauungen: Vertreter von Parteien. Abgeordnete, Vertreter von Vereinen und von religiösen Gemeinschaften, Historiker u.a.
Aber einheitlich waren ihre Grundaussagen:

- wir Nachgeborenen sind dafür verantwortlich, dass sich diese Verbrechen nicht mehr
   wiederholen,
- das Ablegen von Blumen ist nicht nur ein Akt der Trauer, sondern auch ein Zeichen
   gegen das Vergessen,
- Erinnern bedeutet auch Verhindern.

Hervorzuheben ist, dass viele Redner weniger durch allgemeine Phrasen, sondern vielmehr durch konkrete Beispiele aus dem eigenen Erleben, aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis, aus der Literatur oder aus der eigenen wissenschaftlichen Arbeit sehr emotional auf die Gäste wirkten und sicher zum Nachdenken anregten. Beispielhaft – und für den Autor dieses Artikels beeindruckend –
sei hier angeführt, wie Herr Roland Dantz, OB der Stadt Kamenz, auf Grundlage wörtlicher Passagen aus den autobiographischen Aufzeichnungen des Kommandanten des KZ Auschwitz Rudolf Höß, die dieser kurz vor seiner Hinrichtung schrieb, das wahre Gesicht des Faschismus deutlich machte. Höß fehlte jegliche Empathie gegenüber den Opfern, nur Selbstmitleid ist erkennbar. Gerade diese Aufzeichnungen, so Herr Dantz, können dazu dienen, „den leisesten Zweifel bei jenen auszuräumen, die möglicherweise nicht glauben wollen oder können, was vor 80 Jahren geschah“.
Bemerkungswert und zugleich erfreulich war, dass in der Gedenkstätte Kamenz-Herrental ca. ein Drittel der Gäste Schüler mit ihren Lehrern aus Kamenzer Schulen war. Ihre Reaktionen während und nach den Feierlichkeiten zeigten, dass es für sie sicher mehr als nur eine Pflichtveranstaltung war.
Der Tag des diesjährigen Gedenkens machte die immerwährende Aktualität des Satzes, der seit Jahren auf dem Denkmal der Opfer des Faschismus in Zittau steht, deutlich:

„Den Toten zur Ehre – den Lebenden zur Lehre“.


(Anmerkung: Auf den irreführenden und verharmlosenden Begriff „Nationalsozialismus“ wurde bewusst verzichtet; unsere geehrten Opfer waren Opfer eines faschistischen Systems!)

 

 

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