14. Juni – 17. Juni 2018

Besuch bei unseren polnischen Freunden

Eine kleine Delegation der Havelberger Pionierkameradschaft – Oberstleutnant a. D. Wolfram Gumpel und Major a. D. Andreas Bellmann – war vom 14. Juni bis zum 16. Juni zu Gast bei unseren polnischen Freunden der Pionierkameradschaft Wloclawek. Die Einladung erfolgte aus Anlass des 40. Jahrestages der Einweihung des Pionierdenkmals in Wloclawek und des 35. Jahrestages des Beginns der Ausbildung an der Pontonpionierschule. Für die Menschen in Polen ist das Jahr 2018 ein historisch bedeutsames: Polen erlangte vor 100 Jahren mit dem Waffenstillstand vom 11. November 1918, der die Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges beendete, und dem Friedensvertrag von Versailles seine Unabhängigkeit zurück.

Mit den zum Ende des 18. Jahrhunderts erfolgten drei Teilungen Polens werden in erster Linie die Teilungen des Doppelstaates Polen-Litauen bezeichnet. In den Jahren 1772, 1793 und 1795 teilten die Nachbarmächte Russland, Preußen und Österreich den Unionsstaat schrittweise unter sich auf, so dass auf der Karte Europas bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 für über 120 Jahre kein eigenständiger polnischer Staat mehr existierte. 

Die Wiedererlangung der Unabhängigkeit spielte bei den Feierlichkeiten am 15. Juni nicht nur eine Nebenrolle, sondern zeigte durch die Anwesenheit des Oberbürgermeisters der Stadt Wloclawek, Dr. Marek Wojtkowski (Prezydent Miasta Wloclawek), sowie Vertretern des polnischen Sejm und der Woiwodschaft Kujawien-Pommern wie bedeutsam dieses historische Ereignis für die Polen ist. Ihr Nationalstolz ist bewundernswert.

Vom Präsidenten der Pionierkameradschaft Wloclawek, Oberst Dr. Ryszard Chodynicki, wurden wir nach unserer Ankunft herzlich in Empfang genommen und in unser Hotel begleitet. Obwohl uns die fast 600 Kilometer lange Fahrt etwas „geschlaucht“ hatte, gab es keine Zeit für Entspannung und Erholung. Auf uns wartete ein Rundgang durch das Stadtzentrum und ein Ausflug zum Weichselstausee mit dem Denkmal für einen ermordeten Geistlichen.
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Ein anstrengender und erlebnisreicher Tag lag hinter uns. Den Ausklang bildete ein  ausgiebiges Abendessen in unserem Hotel. Wir haben noch lange gesessen und interessante Gespräche geführt. Unser Freund Ryszard weite uns detailliert in den Ablauf der Feierlichkeiten des nächsten Tages ein und unsere Erwartungen an das Programm und den Ablauf wuchsen enorm an – sollten jedoch um ein Vielfaches übertroffen werden.
Der 15. Juni begann so wie der Vorabend geendet hatte: Ein üppiges gemeinsames Frühstück stimmte uns nicht nur auf den ereignisreichen Tag ein, wir „tankten“ damit auch die erforderliche Energie für die im „Plan der Maßnahmen“ vorgesehenen Aktivitäten. Die Pionierkameradschaft Wloclawek hatte für die Feierlichkeiten anlässlich des 100. Jahrestages der Wiedergeburt des polnischen Staates sowie des 40. Jahrestages der Einweihung des Pionierdenkmals ein Zeremoniell organisiert, das präzise wie ein Uhrwerk funktionierte.
Pünktlich um 10.00 Uhr begann das Zeremoniell in der Ulica Zytniej  in unmittelbarer Nähe zur ehemaligen Pionierkaserne der polnischen Volksarmee. Hier befindet sich das Denkmal für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten der Polnischen Pioniertruppen.

Sehr bewegt waren wir von der großen Zahl der Teilnehmer an diesem Zeremoniell. Es waren Vertreter des Sejm, der Woiwodschaft Kujawien-Pommern, des öffentlichen Lebens der Stadt Wloclawek – mit dem Oberbürgermeister an der Spitze –, sowie Veteranen, Vereine und Traditionsverbände und viele Kinder und Jugendliche anwesend.


Hier an diesem Ort wurde uns deutlich der Nationalstolz der polnischen Menschen vor Augen geführt. Insbesondere die Anwesenheit von zahlreichen Kindern und Jugendlichen zeigte uns, dass sie bereits in frühen Jahren in die Traditionspflege einbezogen werden – und das tun sie auch mit Überzeugung und mit Stolz.

Zusammen mit aktiven Offizieren der polnischen Armee legten wir am Pionierehrenmahl ein Blumengebinde nieder und ehrten damit die im Krieg gefallenen polnischen Soldaten.
In seiner Ansprache hob Oberst Dr. Ryszard Chodynicki die Bedeutung der drei Jahrestage für die polnische Nation hervor. In seiner Rede erinnerte er an schwere Zeiten, die die Polen ertragen mussten, und er vergaß nicht hervorzuheben, dass der polnische Staat sich immer aufs Neue aus Unterdrückung und Knechtschaft befreite. Er betonte mit Stolz, dass durch die Anwesenheit von Pionieroffizieren der Nationalen Volksarmee eine deutsch-polnische Freundschaft entstanden ist, die es so in der Vergangenheit noch nicht gab und die in den zurückliegenden drei Jahren weiter gefestigt wurde. Diese Freundschaft und die Zusammenarbeit der Havelberger und der Wloclaweker Pionierkameradschaften hat zu einer „internationalen Pionier-Familie“ geführt, so seine Worte.

Im Anschluss an seine Rede nahm Oberst Chodynicki zahlreiche Auszeichnungen mit der Ehrenmedaille der Pionierkameradschaft Wloclawek vor.

Im Anschluss an die Zeremonie am Pionierdenkmal wurde eine Gedenktafel an einem ehemaligen Kasernengebäude des Wloclaweker Pontonregiments enthüllt. Sie erinnert an die Erlangung der Freiheit und Unabhängigkeit Polens vor 100 Jahren.

Für uns besonders beeindruckend: Ein 98-jährigen Weltkriegsveteranen, der als Artillerist an den Kämpfen im Raum Lenino teilgenommen hatte und dessen Weg 1945 mit der 1. Polnischen Armee über Oranienburg bis nach Sandau  führte, nahm die Enthüllung der Gedenktafel vor. Frei sprechend mahnte er mit einigen Worten an die Verantwortung der heutigen und künftiger Generationen alles für die Erhaltung des Frieden und gegen Unterdrückung zu tun.

Ein weiterer Höhepunkt der Feierlichkeiten war eine Festveranstaltung, zu deren Beginn der Präsident der Pionierkameradschaft und der Oberbürgermeister der Stadt Wloclawek Reden hielten und den zahlreichen Gästen im Saal ihre Gedanken zu den drei wichtigen Anlässen schilderten und dabei immer wieder auf die Bedeutung der ehemals in Wloclawek stationierten Pioniereinheiten der Polnischen Volksarmee unterstrichen.

Unter den vielen Gästen, die im Saal Platz genommen hatten, waren viele Kinder und Jugendliche, Schüler und Studenten, anwesend. Mit großer Aufmerksamkeit folgten sie den Worten der beiden Festredner. Diese Traditionsarbeit ist beispielgebend – und trägt zur Festigung des Nationalstolzes dieser jungen Generation bei.

Ein sehenswertes Kulturprogramm rundete die fast zweistündige Festveranstaltung ab.

Zu jeder Feierlichkeit gehört natürlich auch ein Sektempfang, zu dem wir neben wichtigen Personen aus Politik und Wirtschaft eingeladen wurden. Geschenke haben wir dabei – ein Bildband über unsere Heimatstadt soll unseren polnischen Freunden einen kleinen Eindruck über die Geschichte der Hansestadt Havelberg und die Schönheit der uns umgebenden Natur vermitteln. Und selbst gefertigte Präsente, die an die Stationierung des NVA-Pontonregiments hier in Havelberg erinnern. Dankend wurden unsere Geschenke mit dem Versprechen entgegengenommen, dass die Freundschaft zwischen den Pionier- kameradschaften auch in Zukunft mit Leben erfüllt wird. Das ist ganz in unserem Sinne.


Für den Abend hatten sich unsere Freunde eine kleine Überraschung für uns ausgedacht. Auf dem ehemaligen Schießplatz des Wloclaweker Pontonregiments, der jetzt für das Trainingsschießen der Jägerschaft genutzt wird, fand im Beisein der Ehefrauen unserer polnischen Gastgeber, ein rustikaler Grillabend statt. Es wurde viel gegessen und getrunken, viel erzählt, auch wenn es mit der Verständigung manchmal nicht so richtig klappen wollte. Aber mit jedem „Gläschen“, mit gestikulierenden Händen und unter Anwendung der russischen Sprache verstanden wir uns prächtig. 

Ein erlebnisreicher Tag mit vielen emotionalen Eindrücken, die uns für immer in Erinnerung bleiben werden. Ein Abend, der uns erneut bestätigte: Die Gastfreundschaft der Polen ist unübertroffen!


Für den folgenden Tag hatten unsere polnischen Freunde einen Ausflug nach Ciechocinek und weiter Torun (deutsch: Thorn) geplant.
Ciechocinek ist der größte Kurort Polens, der nicht im Gebirge bzw. an der Ostsee liegt. Besonders beeindruckend sind die Parkanlagen mit einem Meer an Blumen und die Gradierwerke. Wer Erholung und Entspannung sucht, der ist hier genau richtig.


Die Blumen-Uhr im Spa-Park von Ciechocinek

Ohne Rast und Ruh‘ ging es nach dem Mittagessen von Ciechoninek weiter nach Torun.
Torun ist – neben Bydgoszcz – eine der beiden Hauptstädte der Woiwodschaft Kujawien-Pommern. Die kreisfreie Stadt (202.500 Einwohner) mit vielen Gebäuden der norddeutschen Backsteingotik ist Sitz des Woiwodschaftsparlaments, des Woiwodschaftsmarschalls mit seiner Regierung, der Universität Torun sowie des römisch-katholischen Bistums Thorn. Bekanntester Sohn der Stadt ist Nikolaus Kopernikus, einer der bedeutendsten Astronomen der Neuzeit. In seinem Hauptwerk beschrieb er das heliozentrische Weltbild des Sonnensystems.
Die wunderschön restaurierte Altstadt lockt Jahr für Jahr tausende Besucher an. Das pulsierende Leben in den Straßen und Geschäften hat unser Erstaunen hervorgerufen. Die großen polnischen Städte haben in den letzten Jahren eine äußerst positive wirtschaftliche Entwicklung genommen, von der jeder Besucher stark beeindruckt ist. Der Tourismus spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle.


In der Fußgängerzone von Torun und vor dem Denkmal von Nikolaus Kopernikus

Die Einladung zu einem üppigen und schmackhaften Abendessen in Torun nahmen wir dankend an. Die polnische Küche hat die eine oder andere Überraschung zu bieten – davon konnten wir uns überzeugen. Und auch das Bier unterscheidet sich geschmacklich in keiner Weise von deutschen Spitzenbieren.

Mit vielen neuen Eindrücken fuhren wir am späten Nachmittag zurück nach Wloclawek. Der Tag war jedoch noch nicht zu Ende: Oberst Edmund Kopaczewski (auf dem rechten Bild ganz rechts beim Abendessen) lud die „Reisegesellschaft“ zu sich nach Hause auf sein wunderschönes parkähnliches Anwesen ein. Noch lange haben wir über unsere Dienstzeit und über die erlebnisreichen Tage bei unseren polnischen Freunden erzählt. Dank unseres Dolmetschers Wolfram – er hatte zusammen mit Ryszard in Moskau an einer Militärakademie studiert – klappte es mit der Verständigung (deutsch – russisch – polnisch) recht gut. Etwas abgespannt und müde gingen wir gegen 23.00 Uhr in unserem Quartier zur Nachtruhe über.
 Der Tag verlief in einer vom Geist der Freundschaft geprägten Atmosphäre. Unsere polnischen Freunde zeigten, dass sie wirklich hervorragende Gastgeber sind. Viele Trinksprüche auf die Freundschaft und auf jeden einzelnen von uns machten die Runde.
Am folgenden Tag hieß es von unseren Freunden in Wloclawek Abschied nehmen. Aber eine Überraschung gab es noch für uns: Ein Besuch im neuen Kur-Zentrum „Wieniec-Zdroj“, das etwa drei Kilometer außerhalb der Stadt liegt. Ein „Kur- und Wellness-Tempel“ für Gesundheit und Luxus im wahrsten Sinne des Wortes. Die Innenräume des Komplexes verkörpern eine stilvolle Eleganz und sind mit größter Sorgfalt für jedes Detail fertig gestellt worden.
Wir waren zu Gast bei Freunden. Erlebnisreichen Stunden, die wir so schnell nicht vergessen werden. Und wir – unsere polnischen Freunde und wir – haben den festen Willen diesen Kontakt auch für die Zukunft zu pflegen und weiter auszubauen.

Wir sagen vielen Dank! Bolschoje spacibo!
Danke Ryszard!
Danke, danke Jurek, danke Edmund, danke Andrzej!
Und auf Wiedersehen! Do swidanja!

Text: Manfred Ramm 
Bilder: Andreas Bellmann u. Andrzej Dukat