17.07.2024

Das Stauffenberg-Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944
Welche Ziele verfolgten die Attentäter damit?

von Generalmajor a.D. Sebald Daum

Am 20. Juli 2024 jährt sich zum 80. mal der Tag des Attentats auf Hitler im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ durch Oberst Claus, Philipp, Maria Graf Schenk von Stauffenberg, mit dem Ziel, einen Umsturz im Lande herbeizuführen, wobei die Interessen und Ziele der teilnehmenden Personen am Attentat sehr unterschiedlich waren. Bereits in den Jahren der direkten Kriegsvorbereitung, besonders ab 1938 gab es unter einzelnen höheren Militärs Widerstand gegen Hitler. So z.B. durch Generaloberst Ludwig Beck, Chef des Generalstabes des Heeres, der dann wegen Meinungsverschiedenheiten von Hitler entlassen wurde. Auch die Generäle Erwin von Witzleben, Franz Halder und Oberst Hans Oster (später Generalmajor) Offizier der Abwehr bei Admiral Canaris, dachten schon frühzeitig an einen Anschlag auf Hitler nach, um nach anderen Vorstellungen das Deutsche Reich zu führen. Erst durch die Niederlagen der Wehrmacht an der Ostfront in Stalingrad und im Kursker Bogen, der Niederlage in Afrika, der Landung der Alliierten auf Sizilien, dem Bombenkrieg in Deutschland, aber auch durch den antifaschistischen Widerstand im Reich, wie durch die Harry-Schulzen-Boysen Gruppe, die Gruppen Anton Saefkow- Franz Jakob- Berhard Bästlein, der Gruppe „Weiße Rose“ der Geschwister Scholl, kam es zu Zweifel und einem Umdenken, ab 1943 auch in Kreisen der Wehrmacht. In der Beseitigung Hitlers sah man den Ausweg aus der entstandenen Lage und man begann Umsturzpläne zu schmieden. Angesicht der herannahenden Kriegsniederlage suchte die herrschende Klasse Nazideutschlands nach Wegen, den Krieg zu beenden, ohne die politischen und ökonomischen Grundlagen der Macht des deutschen Imperialismus im Dritten Reich zu gefährden. Eine Gruppe oppositioneller bürgerlicher Vertreter, konservativer höherer Beamter und Militärs um den ehemaligen Oberbürgermeister von Leipzig Karl Goerdeler, waren die treibenden Kräfte. Das Ziel war den Krieg im Osten zu beenden und mit dem Westen einen Separatfrieden abzuschließen. Zu ihnen zählten Vertreter des Monopolkapitals, wie von Siemens, Vögler, Bosch, die Großgrundbesitzer von Hardenberg, von Putkammer, und die Militärs wie die Feldmarschalle von Witzleben, Kluge und Rommel, die Generale Ludwig Beck, von Stülpnagel, Admiral Canaris, und weitere. Im Gegensatz dazu suchte eine Gruppe national und patriotisch gesinnter jüngerer Offiziere und Generäle der Wehrmacht um Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg, verbunden mit Vertretern des Bürgertums, einen anderen Ausweg zur Rettung des deutschen Volkes vor der Katastrophe. Zu dieser Gruppe zählten neben Stauffenberg, u.a. die Generäle Friedrich Olbricht, Fritz Lindemann, Hennig von Treskow, Helmuth Stieff, Oberst Albrecht Ritter Merz von Quirnheim, Oberleutnant Werner von Haeften u.a. Sie lehnten die Pläne der Goerdelergruppe in wesentlichen Punkten ab. In einigen Punkten näherten sie sich den Vorschlägen des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) und des „Bundes der Offiziere“ im NKFD, mit denen sie über General Lindemann Verbindung suchten. Ihr Ziel war es die faschistische Diktatur zu beseitigen, mit einer neuen Regierung den Krieg an allen Fronten beenden und durch Verhandlungen mit allen Alliierten Mächten die deutschen Truppen bis an die Staatsgrenze Deutschland zurückziehen. Dabei sollte das Reich bestehen bleiben und nicht besetzt werden. Insbesondere durch den Einfluss der Sozialdemokraten Julius Leber und Prof. Reichwein einigten sie sich auf eine demokratische Staatsform mit einer „ Volksbewegung, mit sozial revolutionärem Charakter, wo alle Stände, Schichten und Gaue vereinigt sind“ und wo dem Volk mehr Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt werde. Eine neue „Weimarer Republik“ der „Parteienherrschaft“ lehnten sie ab. Dies war im gewissen Sinne ein Programm mit antifaschistischen Elementen. Eine weitere Gruppe der Verschwörer war der sogenannte „Kreisauer Kreis“, geführt von dem Kriegsverwaltungsrat Graf Helmuth von Moltke. Sie lehnten das Hitlerregime strikt ab und waren für eine „ethisch fundierte Volksgemeinschaft“. Zu dieser Gruppe gehörten u.a. Fritz Dietlof Graf von der Schulenburg, Mitarbeiter im Reichsamt für Agrarpolitik, zuletzt Offizier im Ersatzheer, Peter York von Wartenburg, Reichskommisar für Preisfragen, die sozialdemokratischen Funktionäre Julius Leber und Leuschner, die in den Jahren 1933 bis 1937 im KZ eingesperrt waren, und Professor Dr. Adolf Reichwein, der Kontakt zum kommunistischen Widerstand mit der Gruppe Anton Saefkow – Jacob - Bästlein hatte. Sie unterstützten mehr die Ansichten der Stauffenberg Gruppe und verstärkten in ihr das demokratische Element, vor allem durch die Verbindung mit dem kommunistischen Widerstand. Dabei muss man bedenken, das ein Teil dieser Widerstandskräfte und Verschwörer selbst aktive, „alte Kämpfer“ der NSDAP waren, wie z.B. Heinrich Graf von Helldorf, der Polizeipräsident von Berlin, Fritz-Dietloff von der Schulenburg, der Oberstleutnant d.R. Caesar von Hofacker. Auch die Offiziere des engeren Kreises des Staatsstreiches, wie Stauffenberg selbst, sein Bruder Berthold, die Generäle Friedrich Olbricht, Henning von Treskow,  Fritz Lindemann, Oberst Mertz von Quirnheim, Oberleutnant Werner von Haeften waren Mitglieder der NSDAP. Der engere Kreis derer, die an der Organisation des Staatsstreiches beteiligt, die die Ziele, die Planung, die Methoden der Durchführung kannten, umfasste mehr als 160 Personen, davon waren mehr als die Hälfte Offiziere und Generäle der Wehrmacht.

Oberst Graf Schenk von Stauffenberg  Kopf der Verschwörer war Oberst i.G.  Klaus Graf Schenk von Stauffenberg. Geboren wurde er am 15.11.1907 in Jettingen in Bayern, entstammte einer alten Adelsfamilie,  der Vater ein Oberhofmarschall, die Mutter eine Gräfin Üxhill. Stauffenberg wurde elitär und streng katholisch erzogen. Er fühlte sich auch schon frühzeitig als „Angehöriger einer Elite“. So war sein weiterer Weg  vorgezeichnet. Im Jahre 1926 trat er in die Reichswehr ein und wurde zum Offizier ausgebildet. Nach dem Studium an der Kriegsakademie in Berlin von 1936 bis 1938 erfolgte sein Einsatz als 2. Generalstabsoffizier bei Generalleutnant Hoepner, Kommandeur der 1. Division, später umbenannt in 6.PD, im Wuppertal, mit  der er an der Besetzung des Sudetenlandes,  der Tschechoslowakei und danach am Krieg gegen Polen und Frankreich teilnahm. 

Nach dem Feldzug gegen Frankreich wurde er 1940 als Hauptmann in die Organisationsabteilung des Generalstabes des Heeres eingesetzt. Im Januar 1943 zum Oberstleutnant i.G. befördert, wurde er im März 1943 zur 10. PD als 1. Generalstabsoffizier (Ia) nach Afrika/ Tunesien zum Afrikakorps unter Generalfeldmarschall Rommel versetzt. Bei einem Tieffliegerangriff britischer Flugzeuge am 07.04.1943 wurde er schwer verwundet, verlor sein linkes Auge, die rechte Hand und zwei Finger der linken Hand. Nach seiner Genesung wurde er seinem Wunsch entsprechend in der Armee weiter zu dienen, als Oberstleutnant i.G., Chef des Stabes des Allgemeinen Heeresamtes (AHA), beim Befehlshaber (BH) General der Infanterie Friedrich Olbricht. Das AHA war Teil des Ersatzheeres unter dem BH Generaloberst Friedrich Fromm. Die Lage an der Ostfront und auch im Reich verlangte schnelles Handeln, sollte der Umsturz noch Erfolg haben. Stauffenberg in seiner neuen Funktion konnte nun die Planung des Umsturzes schneller voranbringen. Sie erfolgte in enger Zusammenarbeit mit General Olbricht , sowie dem wichtigsten Mitorganisator des Staatsstreiches Oberst i.G., Henning von Treskow, später Generalmajor und Chef des Stabes der 2. Armee in der Heeresgruppe Mitte. Dazu muss man noch den Oberst i.G., später Generalmajor Helmuth Stieff von der Operationabteilung im OKH, und auch die Adjutanten Stauffenbergs Hauptmann Friedrich Klausing und Oberleutnant Werner von Haeften rechnen. Die gesamte Arbeit erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Gruppe um Goerdeler und dem „Kreisauer Kreis“. Dazu waren Verbindungen zum OKW, des OKH und verschiedenen staatlichen Stellen geschaffen. Der Gesamtcharakter der Verschwörung wurde durch den Kreis um Goerdeler stark geprägt, auch wenn das Heft des Handelns bei Stauffenberg lag und er letztlich auch die Ziele bestimmte. Die wichtigsten Aufgaben waren die Ausarbeitung des Planes zur Beseitigung Hitlers, des Planes zur Durchführung des Umsturzes mit dem präzisierten Plan „Walküre“, der erst 1943 auf Befehl Hitlers geschaffen wurde, um bei eventuellen Aufständen im Volk, diese schnell niedergeschlagen zu können. Dazu kamen eine Reihe weiterer Dokumenter, wie z.B. ein Aufruf an das deutsche Volk, der „Tagesbefehl“ an die Wehrmacht u.a.

Bis zum Jahre 1943 waren einige Anschläge auf Hitler versucht worden, die aber alle irgendwie erfolglos waren. Da die Lage an den Fronten sich immer mehr verschlechterte, insbesondere an der Ostfront und die Truppen der Roten Armee fast bis an die ehemalige Reichsgrenze vorgedrungen waren, aber auch durch die Landung der Alliierten am 06. Juni 1944 in der Normandie, sowie durch Verhaftungen von einem Teil der Mitverschwörer, wie Prof. Dr. Adolf Reichwein und von Julius Leber am 04.und 05. Juli 1944, der kommunistischen Widerstandskämpfer Franz Jakob und Anton Saefkow, mit denen die beiden genannten Kontakt hatten, war Eile geboten. So entschließt sich Stauffenberg das Attentat selbst durch zu führen, da alle bisherigen anderen Vorstellungen nicht realisiert werden konnten. Das war, wie sich dann auch zeigte, ein Risiko, wenn nicht gar eine Fehlentscheidung. Die Gelegenheit zur Tat bot sich Stauffenberg am 20. Juli 1944 wieder bei einer Lagebesprechung in der „Wolfsschanze“. Auf Grund von Zeitnot und durch seine Körperbehinderung konnte er nur eine Zeitzünderbombe vorbereiten die auch explodierte. Es gab 4 Tote, aber Hitler wurde nur leicht verletzt. Der Anschlag schlug damit fehl. Während Stauffenberg und Werner von Haeften mit einem Flugzeug nach Berlin zurück flogen, nutzten die in Berlin wartenden Verschwörer die entstandene Verwirrung nicht konsequent aus. Erst nach Rückkehr Stauffenbergs lösten sie den Plan „Walküre“ aus, der aber nicht mehr verwirklicht werden konnte. Nur in Paris, unter dem Befehl von General Stülpnagel, waren Teile des Planes durchgesetzt worden und mehr als 1.200 SS- und Gestapo-Angehörige verhaftet. In Berlin konnten die geplanten Maßnahmen zur Verhaftung der Partei- und staatlichen Spitzenfunktionäre nicht realisiert werden. Das OKW hatte mit Gegenbefehlen schneller reagiert, sodass der Umsturz nach wenigen Stunden zusammen brach.

Der gescheiterte Putschversuch war nun auch der Anlass für die Hitlerclique mit den Verschwörern, besonders aber mit den antifaschistischen Widerstandsgruppen, vor allem mit dem kommunistischen Widerstand, grausam abzurechnen. Noch in der Nacht nach dem Attentat wurde auf Befehl von Generaloberst Fromm, dem Vorgesetzten von Stauffenberg dieser, sowie Generalleutnant Olbricht, Oberst von Quirnheim und Oberleutnant von Haften, in einem kurzen Prozess im Hof des Bendlerblocks erschossen. Es hat Generaloberst Fromm nicht geholfen. Auch er wurde später umgebracht. Drei Feldmarschälle, 19 Generale, 20 Oberste der Wehrmacht, insgesamt mehr als 200 Wehrmachtsangehörige vrloren ihr Leben. Neben der Verhaftung und Ermordung der Verschwörer, wurden mehr als 1000 Widerstandskämpfer und Mitglieder der operativen Leitungen der KPD in ganz Deutschland verhaftet und Hunderte umgebracht. Unter ihnen waren Anton Saefkow, Bernhard Bästlein, Franz Jakob, Theodor Neubauer, Magnus Poser, Georg Schumann und auch Ernst Thälmann, der im KZ Buchenwald umgebracht wurde.

In Deutschland wurde nach dem Krieg diese Tat sehr unterschiedlich bewertet. Am Anfang in den Westzonen und später in der BRD galt dieser Umsturzversuch Stauffenbergs teilweise als „Dolchstoß“, Beschmutzer der Wehrmacht und eine Schande. Dies änderte sich dann allmählich. Man begann das Attentat unter dem Gesichtspunkt der Rettung vor der kommunistischen roten Gefahr, der Rettung vor den Russen und dem Schutz vor der vorgesehenen Zerstücklung Deutschlands nach dem Krieg, zu betrachten und zu verherrlichen. So wurden dann auch vereinzelt Ehrennamen erteilt. Heute ist das ein Ritual zur Verherrlichung der Wehrmacht und und Teil der Traditionspflege der Bundeswehr. Die Gruppe um Stauffenberg werden jetzt als die einzigen echten Widerstandskämpfer hochgelobt. Das Attentat Stauffenbergs wird heute mehr dazu genutzt, um es als Gegengewicht zu dem antifaschistischen Kampf, besonders des kommunistischen Widerstandes und der Arbeit des NKFD an der Front, darzustellen um deren Kampf gegen den Faschismus und gegen Hitlerdeutschland in den Hintergrund zu drängen und zu diskreditieren. Heute nutzt man diese Tat verstärkt zur Wehrertüchtigung der Bundeswehr und zur Kriegsertüchtigung auch der Bevölkerung. Jährlich werden im Hof des Bendlerblocks am 20. Juli deshalb auch die Gelöbnisse junger Bundeswehrsoldaten mit großem „Trara“ durchgeführt.

In der DDR wurde die Tat zu Beginn nicht sehr popularisiert. Erst in den 70. Jahren gab es dazu eine klare Einschätzung als mutige antifaschistische Tat national und patriotisch gesinnter Offiziere der Wehrmacht um die Gruppe von Stauffenberg und des Kreisauer Kreises, derer man gedenken kann und soll.

 

 

 

 

Unsere Webseite verwendet für die optimale Funktion Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.