07.02.2023

Österreich und Ungarn brüskieren EU-NATO-Kriegstreiber

 

 

Liebe Genossen und Freunde,

Rainer Rupp greift hier Aussagen aus einem Treffen zwischen dem österreichischen Verteidigungsminister und dem ungarischen Ministerpräsidenten auf, in dem sich beide gegen Waffenlieferungen in die Ukraine und die weitere Kriegseskalierung durch die NATO wenden.

Siegfried Eichner

 

 

Kiew schnaubt vor Wut auf Viktor Orbán, der einige unbequeme Wahrheiten über die Ukraine ausgesprochen hat. In einem langen Gespräch mit ausländischen Journalisten hatte sich Orbán auch zu Themen geäußert wie die wachsende Kluft zwischen Ungarn und dem Rest der EU.

Von Rainer Rupp

Erstveröffentlichung am 03.02.2023 auf RT DE

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am 30. Januar in Budapest erklärten die österreichische Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und ihrer ungarischer Amtskollege Kristóf Szalay-Bobrovniczky, dass sich beide Länder einig sind, auch weiterhin keine Waffen in die Ukraine zu schicken, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Österreich und Ungarn stünden auf der Seite des Friedens, betonte Szalay-Bobrovniczky, und statt Waffen zu liefern, leisteten beide humanitäre Hilfe für Kriegsflüchtlinge.

Für beide Länder sei eine enge Zusammenarbeit das Wichtigste, denn „wir leben in einer Zeit der Gefahr“, sagte der ungarische Verteidigungsminister, und seine Kollegin Tanner erklärte, die größte Gefahr bestehe darin, dass der Krieg auf EU-Länder übergreife. Dies sei nicht nur eine Frage des konventionellen Krieges, sondern auch ein Zusammenspiel mit hybrider Kriegsführung und einer Zunahme der Migration im Allgemeinen. „Nicht nur in Österreich sind die Auswirkungen enorm zu spüren, sondern auch in Ungarn. Schlussendlich verläuft die Flüchtlingsroute durch unser Nachbarland zu uns“, betonte Tanner.

Das war sicher mit ein Grund, warum die Selenskij-Regierung in Kiew vor Wut schnaubend den ungarischen Botschafter einbestellt hat. Aber noch empörter war die Ukraine, weil kurz zuvor in einer Runde mit ausländischen Journalisten der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die unbequemen Wahrheiten über die Ukraine ausgesprochen hatte.

In einem formellen Protest protestierte Kiew gegen die „herabsetzenden“ Äußerungen Orbáns über die Ukraine, und das ukrainische Außenministerium forderte Budapest auf, die als „antiukrainisch“ bezeichnete Rhetorik einzustellen.

Was hatte Orbán getan, um die Selenskij-Regierungsschauspieler so tief zu verletzten? Bei dem besagten Gespräch mit Journalisten hatte er die Ukraine u. a. als Niemandsland bezeichnet und mit dem von USA/NATO verwüsteten Afghanistan verglichen, so die britische Nachrichtenagentur Reuters. Daraufhin warnte das ukrainische Außenministerium die Ungarn vor „schweren Schäden für die ukrainisch-ungarischen Beziehungen“ und fügte hinzu: „Die ungarische Seite wurde aufgefordert, diesen negativen Trend zu stoppen, um irreparable Folgen für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu vermeiden.“ Die Ungarn können über diese Reaktion nur froh sein, denn Wladimir Selenskij wird von ihnen so schnell nicht wieder in der von ihm gewohnten unverschämten Weise Geld und Waffen fordern, als hätte man gegenüber dem Land eine Bringschuld.

Ohne Zweifel hat die gemeinsame österreich-ungarische Erklärung zu Beginn der Woche, keine Waffen in die Ukraine schicken, und stattdessen dringend vor der Gefahr einer Spirale in einen Dritten Weltkrieg Alarm zu schlagen, die Selenskij-Clique stark verärgert und frustriert.

Neben der Tatsache, dass Ungarn die EU-Sanktionen gegen Russland von Anfang an kritisiert und viele nicht mitgetragen hat, gab es eine Reihe anderer „Kränkungen“ der Ukraine, die eher symbolischer Natur waren, jedoch das Zeug hatten, die gespannte Lage zwischen den beiden Ländern zu intensivieren. Als Beispiel sei hier die Episode mit dem Fußballschal erwähnt: Kiew beschwerte sich letztes Jahr bei Ungarn, nachdem Orbán zu einem Fußballspiel mit einem Schal gegangen war, der angeblich eine Landkarte gezeigt hatte, auf dem ein ukrainisches Territorium, in dem eine mehrheitlich ungarische Minderheit lebt, als Teil Ungarnsdargestellt worden war.

Der ernste Hintergrund ist, dass in den letzten Jahren in Ungarn die Wut über die Behandlung der ungarischen Minderheit in der ukrainischen Grenzregion als Menschen zweiter Klasse durch die Rechtsextremisten in Kiew hohe Wellen geschlagen hat. Zu den Schikanen gegen die in der Ukraine lebenden ethnischen Ungarn gehört u. a. dass sie ihre Muttersprache im Bildungsbereich und im Verkehr mit Ämtern und Verwaltung nicht mehr benutzen dürfen, nachdem die Ukraine 2017 ein Gesetz verabschiedet hatte, das auch im Donbass den Gebrauch der russischen Sprache in den Schulen verboten hatte.

Aber werfen wir jetzt einen Blick auf die bereits erwähnte zweistündige Diskussionsrunde des ungarischen Ministerpräsidenten mit einer kleinen Gruppe ausländischer Journalisten und Verleger, darunter auch einige, die Orbán kritisch gegenüberstehen. Es waren seine sehr detaillierten Ansichten zum russisch-ukrainischen Krieg und seine Ängste um die Zukunft des Konflikts, die den Wutausbruch der Regierungsbeamten in Kiew verursacht haben.

Der amerikanische Journalist und Autor Rod Dreher war bei der Diskussion anwesend und hat seine Notizen, in denen er detailliert darlegt, was Orbán gesagt hat, im seinem Blog bei The American Conservative veröffentlicht. Hiernach folgen einige Auszüge:

Orbán: Warum Russland nicht nachgeben wird

Orbán erklärte, der Westen müsse verstehen, dass Putin nicht verlieren könne und werde. Russland kann nicht zulassen, dass die NATO eine Präsenz in der Ukraine aufbaut. Russland wollte eine befreundete Regierung in der Ukraine installieren. Hätte Russland einen schnellen Sieg errungen, wäre das vielleicht möglich gewesen, aber jetzt ist es hoffnungslos. Die Zeit dafür ist längst vorbei. Deshalb ist es jetzt Russlands Ziel, die Ukraine zu einem unregierbaren Wrack zu machen, sodass der Westen sie nicht als Preis beanspruchen kann. Das ist ihnen bereits gelungen.

Eskalation ist jetzt unvermeidlich

„Wir stecken in großen, großen Schwierigkeiten“, sagte er über den Westen. Wenn Russlands kommende Frühjahrsoffensive erfolgreich ist, dann werden die NATO-Länder vor der Frage stehen, ob wir Soldaten entsenden, um für die Ukraine zu kämpfen. Orbán glaubt, dass das etwas ist, über das das US-amerikanische Volk nicht nachdenkt, aber es steht im Fokus einer wachsenden Zahl von Europäern, deren Länder verwüstet werden, wenn sich der Krieg ausbreitet.

Aus der Runde der ungläubigen Journalisten kam die Frage: „Wirklich? NATO-Truppen kämpfen gegen Russen in der Ukraine?“

Ja, entgegnete Orbán. Es klinge heute verrückt, „aber wenn man sich die Tendenz anschaut, wie wir heute an diesen Punkt gekommen sind, kann es nicht ausgeschlossen werden“.

An dieser Stelle sei ein aktueller Einschub erlaubt:

Am 1. Februar 2023 hob der ehemalige britische Verteidigungsminister, der von der Queen geadelte Sir Gerald Howarth, in einem Fernsehinterview hervor: „Die NATO muss möglicherweise Bodentruppen in die Ukraine entsenden.“ Der Link zum Video ist hier.

[Forts. Rod Dreher]

Orbán hat die westliche Kriegsdynamik in Form der Salamitaktik verstanden, denn gegenüber den Journalisten führt er weiter aus, dass der Westen sich „in einem Krieg mit Russland befindet. Das ist die Realität! Jeden Tag bewegen wir uns weiter.“

In der Diskussion distanziert sich Orbán unzweideutig von dieser Politik des Westens. Er drängt auf Frieden und hat von Anfang an erklärt, dass aus diesem Krieg niemand als Gewinner hervorgeht. Aber er sagt, dass viel zu viele im Westen sich darüber hinwegtäuschen, was wirklich passiert – und was passieren könnte. Die westlichen Politiker mögen vielleicht glauben, dass sie sich nicht im Krieg mit Russland befinden, aber indem sie immer mehr Waffen schicken und eine tatsächlichen Intervention mit NATO-Truppen immer wahrscheinlicher wird, spielen die westlichen Oberhäupter ein extrem gefährliches Spiel mit sich selbst, mit Russland und mit der westlichen Öffentlichkeit, so Orbán.

Die Möglichkeit eines Atomkriegs?

Ein Journalist fragte den Ministerpräsidenten, ob er glaube, dass der Krieg nuklear werden könnte. „Ich kann nicht ausschließen, dass es dazu kommt“, erwiderte er. Weiter stellte er fest, dass er von taktischen Atomwaffen auf dem Schlachtfeld spreche, nicht von Atompilzwolken über Warschau und Berlin – „aber auch das kann ich nicht ausschließen“, so Orbán. Wenn die Ukraine mithilfe weiterer massiver westlicher Waffenlieferungen irgendwie doch an den Punkt käme, die Grenze auf russisches Territorium zu überqueren, dann würde die Zukunft der Welt so „hell“, dass der Westen starke Sonnengläser tragen muss.

Einer der Journalisten bemerkte, dass die Russen bisher auf dem Schlachtfeld wenig geleistet hätten. Ja, antwortete Orbán, das ist wahr. Aber wenn man sich die russische Geschichte anschaut, dann war es immer so mit den Russen im Krieg. Sie beginnen schlecht, aber nach einer Weile haben sie gelernt und sich angepasst, dann sind sie nur noch schwer zu stoppen. Orbán geht davon aus, dass dies auch diesmal der Fall sein wird. Obwohl die Ukraine einige erstaunliche Anfangserfolge gegen Russland gehabt habe, kann Orbán auf lange Sicht nicht erkennen, dass der Westen auf der Gewinnerseite steht, insbesondere angesichts der russischen Produktionskapazität von Rüstungsgütern und Munition.

Zu Beginn des Gesprächs mit der Presse hatte Orbán auch darauf hingewiesen, dass der Westen Russland in ein Bündnis mit dem Iran gedrängt habe, was wiederum gefährlich für Israel sei.

Ungarn als einsamer Dissident

Orbán sprach davon, unter den 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in der Ukraine-Kriegspolitik der einzige Abweichler zu sein. Er erklärte, es sei sehr frustrierend, weil seine Kollegen an der Spitze der EU-Regierungen nicht über den Sinn und Zweck dieses Krieges diskutieren. „Warum nicht?“, kam die Frage aus der Reporterrunde.

„Sie wissen nicht, wer sie sind“, erwiderte Orbán unverblümt und erklärte, wenn man sie z. B. bittet, sich in Bezug auf den Krieg zu definieren, entgegneten sie, sie seien die Anführer eines Landes, das auf der richtigen Seite der Geschichte steht. Diese Überzeugung und der harte Druck Washingtons sowie die „Angst vor den liberalen Medien“ seien es, die ihr Denken motivieren – nicht die Überlegung, was im besten Interesse ihrer eigenen Länder und Völker ist. Orbán betonte, er sehe seine Rolle als gewählter Ministerpräsident Ungarns darin, seinem Volk zu helfen, mit den Herausforderungen umzugehen, mit denen es heute konfrontiert ist, und es auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten. „Aber in der EU-Runde sei er „der Einzige, der den Job als Staatschef so versteht“, teilte er mit. Laut Orbán ist der französische Präsident Emmanuel Macron der einzige andere europäische Staatschef, der wenigstens noch an einen Blick in die Zukunft wirft und nachdenkt.

Wachsende Kluft zum Rest der EU

Orbán machte eine pointierte Bemerkung über die Deutschen im gegenwärtigen Krieg: „Die Deutschen leiden, weil sie wissen, was in ihrem nationalen Interesse ist, aber sie sind nicht in der Lage, es zu sagen.“ Er meinte, dass die deutsche Führung weiß, dass sie in einen Krieg mit Russland verwickelt ist, aber aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage ist, Nein zu Washington zu sagen.

Jemand sprach die Möglichkeit eines Staatsstreichs in Russland an, durch den Putin abgesetzt werden könnte. Orbán reagierte heftig und sagte, dass es niemanden gebe, der Putin nachfolgen könnte, der moderater als Putin sei. Das Gegenteil wäre der Fall. Das würde das Problem für den Westen nicht lösen.

Auf die tiefe Kluft zwischen Ungarn und der Führungsspitze der Europäischen Union angesprochen, räumte Orbán rundheraus ein, dass es diese große Kluft zwischen Budapest und Brüssel sogar immer größer wird. Warum? Orbán erklärte, das habe mit einem grundlegenden ideellen Unterschied zu tun, nämlich bezüglich der Frage, „was ein Mensch ist und wozu die Gesellschaft da ist“, womit er implizit die neoliberale „Der-Gewinner-kriegt-alles -Ideologie“ der korrupten Europäischen Union der internationalen Konzerne scharf verurteilte.

Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes

 

Link zum Originalartikel:
https://www.freidenker.org/?p=15170

 

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