04.04.2023

Gedanken zum 80. Jahrestag

 

Von Dörte Hansen

Vor achtzig Jahren gelang es der Roten Armee, den tödlichen Blockadering der faschistischen Armeen um Leningrad zu durchbrechen und einen schmalen Korridor zum zugefrorenen Ladogasee zu schaffen - ein Funke der Hoffnung für mehr als anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder in der eingeschlossenen Stadt an der Newa. Erst jetzt konnten - wenn auch nur in viel zu geringem Umfang und unter ständiger Bedrohung durch feindlichen Beschuss - wieder Lebensmittel und Medikamente in die belagerte Stadt gebracht werden, in eine Stadt, deren Bevölkerung nach dem Willen der Faschisten ausgerottet werden sollte - ausgerottet durch Artilleriefeuer und Bomben, vor allem aber durch Hunger und Kälte. Die Bedingungen in der Stadt waren unvorstellbar: 125g Brot betrug die Tagesration für Kinder, Frauen und Alte; Schwerstarbeiter und Ingenieure erhielten etwas mehr. Hinzu kamen 800 g Fleisch, 400 g Fett und kaum mehr als eine Prise Zucker - pro Monat, nicht etwa pro Woche! Und dann noch die Kälte! Wie heizen, wenn von außen weder Holz noch Kohle in die Stadt gelangen konnten? Und die Winter waren so lang und kalt!

Achthundertzweiundsiebzig endlose Tage und Nächte währte der Albtraum. Weit mehr als sechshunderttausend unschuldige Männer und Frauen, vor allem aber Alte und Kinder, starben - zumeist an Hunger und Kälte. Die, die überlebten, litten noch Jahrzehnte später an den Erinnerungen an jene grausame Zeit.

Ende Januar 1942 öffneten die Soldaten der Roten Armee die "Brücke des Lebens" für Leningrad. Ein Jahr später befreiten sie die Stadt endgültig - und sie erkämpften den Sieg in der Schlacht bei Stalingrad. Der Preis, den sie dafür zahlen mussten, war hoch - unvorstellbar hoch. Millionen Rotarmisten starben; die meisten von ihnen waren noch jung und hatten ihr Leben noch vor sich. Was sie in diesen und vielen anderen blutigen Kämpfen gegen die Faschisten an den Tag legten, war wahrer Heldenmut. Mit grenzenloser Opferbereitschaft und dem Mut der Verzweiflung hatten sie sich vom ersten Tag des Überfalls auf ihre Heimat einer bis dahin als unbesiegbar geltenden Kriegsmaschinerie entgegengeworfen. Im Mai 1945 war der Albtraum vorbei: Hitlerdeutschland war besiegt und endlich - endlich konnten die Menschen in vielen Ländern Europas und Asiens wieder mit Hoffnung in die Zukunft sehen. Dem Größenwahnsinn eines kleinen Mannes und seiner Anhängerschaft waren über 50 Millionen Menschen zum Opfer gefallen, davon mehr als 20 Millionen Sowjetbürger. Unzählige Millionen Menschen hatten ihre Heimat verloren; die politische Landkarte Europas hatte sich vollständig verändert. Hitlerdeutschland war tot - der Geist des Faschismus aber ist heute wieder stärker denn je.

Wortwahl und Tonfall deutscher Politiker und Mainstreammedien weisen eine erschreckende Ähnlichkeit mit der Hetzpropaganda des Dritten Reiches auf. Fleißig wird da das Bild vom russischen Untermenschen geschürt, wird die "Volksgemeinschaft" - pardon, ich meine natürlich, die freiheitlich-demokratische deutsche Volksseele - auf den Krieg gegen den "barbarischen" Russen eingeschworen. "Wir führen Krieg gegen Russland", tönt Annalena Baerbock in grenzenloser Arroganz im Europaparlament, während Strack-Zimmermann oder der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz bereits lautstark fordern, nach Panzern nun gefälligst auch Kampfjets an das Kiewer Regime zu liefern, denn in der Ukraine würde ja "unsere Freiheit" verteidigt .... "verteidigt" von einem Regime, dessen maßgebliche Vertreter offen damit drohen, Moskau, Ekatarinenburg und St. Petersburg zu beschießen. Von einer politischen Clique, die aus ihrer ultrarechts-faschistischen Grundeinstellung gar keinen Hehl macht!

Heute, 80 Jahre nach Ende der Schlacht von Stalingrad, titelt der Newsletter der FAZ: "Russische Propaganda zum Jahrestag" (des Schlachtendes), liefert Deutschland Panzer und andere schwere Waffen zum Kampf gegen "die Russen". Die Redakteure der Frankfurter Allgemeine scheinen ein äußerst dürftiges Geschichtswissen zu haben, wenn sie sich zu solchen Schlagzeilen hinreißen lassen. Oder sollte der braune Geist, den die Soldaten der Roten Armee unter unsäglichen Opfern in die Knie zwangen, sein Gift aufs Neue in die Köpfe und Herzen der Menschen dieses Landes träufeln? Fakt ist: 80 Jahre nach Ende der Schlacht von Stalingrad schwingen sich ausgerechnet deutsche Politiker zu den eifrigsten Kriegshetzern auf und werden so zu willigen Steigbügelhaltern des faschistischen Regimes in Kiew.

 "Wer aus den Fehlern der Vergangenheit nicht lernt ist dazu verdammt, sie zu wiederholen."  Es wird höchste Zeit, dass man das hierzulande begreift.

 

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