20.01.2023

Polens Absichten in der Ukraine

 

Liebe Genossen und Freunde,

eine interessante Analyse zur polnischen politischen Strategie in der Ukraine.

Siegfried Eichner

 

 

Die Warnungen aus Polen vor einer möglichen Niederlage der Ukraine sollten ernst genommen werden

19 Jan. 2023 - Eine Analyse von Andrew Korybko

Niemand ist glaubwürdiger als die polnische Führung, abgesehen natürlich von der US-amerikanischen, wenn es darum geht, das "offizielle Narrativ" entscheidend umzudrehen. Nachdem man den vermeintlich "unvermeidlichen Sieg" der Ukraine vorschnell herausposaunt hat, warnt man nun vor der angeblich "unvermeidlichen Niederlage".

Das "offizielle Narrativ" über den Ukraine-Konflikt war bis zu dieser Woche, dass Kiew "den Krieg unweigerlich gewinnen wird". Diese Vorhersage wurde jedoch plötzlich auf den Kopf gestellt, nachdem der polnische Premierminister und der polnische Präsident beide davor gewarnt haben, dass die Ukraine tatsächlich bald eine Niederlage erleiden könnte. Im Anschluss an seinen Besuch in Berlin am 16. Januar schrieb Mateusz Morawiecki auf Twitter:

"Die Niederlage der Ukraine könnte der Auftakt zum 3. Weltkrieg werden."

Während Andrzej Duda am Donnerstag beim WEF in Davos offen infrage stellte, ob "die Ukraine überleben wird oder nicht." Es wäre absurd darüber zu spekulieren, ob die beiden Politiker "russische Propagandisten" sind, zumal sie wiederholt bewiesen haben, dass sie zu den Russophoben der Weltklasse gehören. Polen hat mehr als jedes andere Land – außer den USA – unternommen, um die Ukraine im Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland zu unterstützen. Tatsächlich war es Duda selbst, der während seiner Reise nach Kiew im vergangenen Mai eine de facto polnisch-ukrainische Konföderation ins Leben rief. Und damit ist klar: Warschau will unbedingt, dass sein Nachbar den Krieg gewinnt.

Diese Fakten bedeuten, dass niemand glaubwürdiger ist als die polnische Führung, abgesehen natürlich von der US-amerikanischen, um das "offizielle Narrativ" entscheidend umzudrehen: Vom vorschnellen Herausposaunen eines angeblich "unvermeidlichen Sieges" der Ukraine hin zu der düsteren Warnung vor einer angeblich "unvermeidlichen Niederlage". Wie ich in dieser Analyse ausführlich erläutert habe, brachte die Befreiung von Soledar durch die russischen Streitkräfte tatsächlich eine taktische militärische Wende, obwohl die Mainstream-Medien zuvor eine gegenteilige Wahrnehmung propagiert hatten.

Es ist die Entwicklung in Soledar, die zu dieser Umkehrung des "offiziellen Narrativs" der Mainstream-Medien über den Konflikt führte. CNN sprang auf den fahrenden Zug auf, und übernahm bereits am 18. Januar eine Vorreiterrolle. Als nämlich einer der Top-Wahrnehmungsmanager des Senders, Stephen Collinson, warnte, dass "ein wichtiger neuer Wendepunkt" erreicht worden sei, der das Engagement der Administration von Joe Biden gegenüber der Ukraine auf die Probe stellen werde. Und Duda hat dann einfach alles zu einem logischen Ende gebracht, indem er explizit die Frage in den Raum stellte, ob die Ukraine wohl überleben wird.

Wenngleich diese drei Akteure – der polnische Präsident, der Premierminister und CNN – zweifellos aus politischen Gründen den gegenwärtigen Stand der militärstrategischen Situation dramatisiert haben, sollten ihre Warnungen dennoch ernst genommen werden. Zumal Kiew tatsächlich am Rande einer Niederlage steht.

Die einzige Möglichkeit, dieses Szenario abzuwenden, besteht darin, so schnell wie möglich beispiellose Mengen an militärischen Hilfsgütern – wie moderne Panzer – dorthin zu verschiffen und/oder wenn Kiew eine neue Offensive startet. Das erste Szenario wäre indes politisch, und das zweite militärisch riskant.

Wenn beides nicht geschieht – und vorausgesetzt, dass Russland nicht überraschenderweise von seinem Vorhaben abrückt, seine Offensive fortzusetzen und eine weitere "Geste des guten Willens" unternimmt – wird die Schlacht um den Donbass mit ziemlicher Sicherheit mit der Niederlage Kiews enden. Die Folgen dieses Ergebnisses würden am unmittelbarsten Polen treffen. Das sich, wie bereits erwähnt, de facto in einer Konföderation mit der Ukraine befindet und seinem Nachbarn bereits satte 260 seiner eigenen T-72-Panzer zur Verfügung gestellt hat – wie Duda eben erst in Davos einräumte.

Es wäre daher eine epische Peinlichkeit für die polnische Führung, wenn Kiew die Schlacht um den Donbass verlieren würde. Denn dies käme einer Niederlage für Warschau selbst gleich, das bereits militärisch und politisch sehr viel investiert hat. Wenn Polen nicht unmittelbar danach in die Westukraine einrückt, um "das Gesicht zu wahren", was mit erheblichen militärischen und politischen Risiken verbunden wäre, könnte die Regierungspartei im Herbst die Wiederwahl verlieren.

Die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hätte keine Glaubwürdigkeit mehr in den Augen ihrer (schein-)konservativen Basis und der sogenannten "Gemäßigten". Von denen letztere sich nur deshalb um die Partei versammelt haben, um unter einem künstlichen "patriotischen" Vorwand die ukrainische Masseneinwanderung zu unterstützen. Polen als Ganzes würde zahnlos dastehen, nachdem es das ganze vergangene Jahr so hart daran gearbeitet hat, sein Möglichstes zu tun, um der Ukraine zum Sieg zu verhelfen. Eine Niederlage Kiews würde Warschaus Pläne für eine regionale "Einflusssphäre" erschüttern.

Der US-geführte kollektive Westen, zu dem Polen gehört, würde mit ziemlicher Sicherheit auch nach einem Sündenbock suchen, dem man die Schuld an Kiews Niederlage zuschieben könnte. Die PiS wäre wohl das naheliegendste Ziel, da sie sich ideologisch nicht an die Linie der liberalen Globalisten hält. Von Deutschland wird daher erwartet, dass es seinen hybriden Krieg gegen Polen in Partnerschaft mit seinem kürzlich neu entdeckten US-amerikanischen Oberherrn wieder aufnimmt. Mit dem Ziel, die polnischen Wähler dahingehend zu manipulieren, die PiS bei den Wahlen im Herbst aus der Regierung zu werfen.

Sollte dieser oberflächlich "demokratische" Plan für einen Regimewechsel gegen einen nominellen Partner gelingen, dann würde Bundeskanzler Olaf Scholz greifbare Fortschritte bei der Förderung der hegemonialen deutschen Ambitionen machen, die er in seinem Manifest im vergangenen Dezember skizziert hat. Die Einsetzung einer gutgläubigen, pro-deutschen, liberal-globalistischen Regierung in Warschau würde dazu führen, dass Polen Berlins größter Stellvertreterstaat aller Zeiten wird. Was wiederum dem de facto Führungsstaat der EU einen wahrhaft hegemonialen Einfluss in Europa verschaffen würde. Morawiecki und Duda sind sich beide sehr wohl bewusst, dass ihre politischen Karrieren ruiniert sein werden, wenn sie ihre westlichen Partner nicht davon überzeugen können, ihre Unterstützung für die Ukraine in diesem entscheidenden Moment der russischen Sonderoperation zu erhöhen. Diese eigennützigen Beweggründe erklären, warum beide das "offizielle Narrativ" über den Konflikt umgeschrieben haben, damit dieses sich besser an den Tatsachen ausrichtet. Es ist aber noch unklar, ob und wie der Westen reagieren wird, bei der Forderung, Kiew beim Überleben zu helfen und damit gleichzeitig Morawiecki und Duda in Polen an der Macht zu halten

Übersetzt aus dem Englischen.

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien spezialisiert hat sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung.

 

 

 

 

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