30.06.2022

Liebe Genossen und Freunde,

angefügt könnt Ihr einen Beitrag zu den Gründen für die Kämpfe um die Schlangeninsel vor Odessa lesen. Auf diesen Artikel hat mich unser Freund Lutz Vogt hingewiesen und unser Mitglied Wolfgang Herzig hat ihn übersetzt.
Nach Lesen dieses Artikels werden mir einigen Nachrichten verständlich, die auf der Web-Seite avia-pro eingestellt waren. Dort wurde z.B. berichtet über die Anwesenheit eines großen Schwimmkranes der Schwarzmeerflotte bei der Schlangeninsel mit einem großen Landungsschiff in den Gurten des Kranes. Anhand des Artikels wird nun klar, warum der Schwimmkran dort war.

Wenn man aber diesen Artikel liest, der über dieses außerordentliche Maß an persönlicher Einsatzbereitschaft eines stellv. Flottenkommandeurs und der mit ihm handelnden Bedienungsmannschaften berichtet, stellt sich jetzt die Frage:
Praktisch mit Brachialgewalt wurden Luftverteidigungssysteme zur Abwehr ukrainischer Angriffe auf die Schlangeninsel gebracht.
Sicherlich unter Opfern und mit Heldenmut wurden die im Artikel genannten ukrainischen Landungsversuche abgewehrt.
Und jetzt meldet das russische Verteidigungsministerium, dass als Zeichen des guten Willens die Garnison von der Schlangeninsel abgezogen wurde.

https://avia-pro.de/news/rossiyskie-voennye-polnostyu-vyvedeny-s-ostrova-zmeinyy-v-v-kachestve-shaga-dobroy-voli

Da stellen sich mir einige Fragen:


• Warum versucht man erst eine Insel zur Festung auszubauen, wenn man sie dann aufgibt?
• Ist die im Artikel beschriebene Gefährdung der Schwarzmeerflotte und des angrenzenden
  Meeres- und Küstenraumes nicht mehr existent?
• Kann der Beschuss der Schlangeninsel mit ukrainischen Raketen- und Artilleriesytemen
  aus dem Raum Odessa nicht niedergehalten werden und rechtfertigen die aus der
  Behauptung der Schlangeninsel resultierenden Vorteile nicht mehr die damit verbundenen
  Verluste?
• Oder sind die russischen Streitkräfte/die Schwarzmeerflotte in der Lage, die mit dem
  Besitz der Schlangeninsel verbundenen Überwachungsaufgaben von anderer Position/mit
  anderen Kräften sicherstellen zu können?

Wir werden es erfahren.

Siegfried Eichner

 

Erklärung von Lutz Vogt:

Der Text erinnert ein wenig an die Handlungen General Rokossowskis oder Admiral Kusnezows am Vorabend des 22. Juni 1941. Die haben damals trotz des Damoklesschwerts Stalins getan, was nötig war, um ihre Verbände und Flotten zu schützen und kampffähig zu machen. 
Heutzutage wird dieses Schwert eher von den USA und UK geführt und führt, wie der Tod vieler russischer Kommandeure beweist, mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode. Es ist eine Schande, wie lange derartige Dinge dauern und was nötig ist, um heute jene Fehler zu korrigieren, die Andere seit Jahren anrichten. Ein stellv. Flottenbefehlshaber muss sich um Dinge kümmern, die gar nicht nötig sein sollten. Und Soldaten und Matrosen zeigen, zu welch professioneller Meisterschaft sie fähig sind. 

Und es geht im Artikel nur um die Schlangeninsel.
Das Meer ist viel größer und allein der Donbass-Bogen 1000 km lang.
Mancher Mangel kann schnell abgestellt werden, für andere Mängel wird es Jahre brauchen.
Lutz

Probleme der russischen Schwarzmeerflotte müssen durch persönlichen Heroismus der Seeleute überdeckt werden



Übersetzung aus dem Russischem von Wolfgang Herzig

Die monatelange Schlacht um die Schlangeninsel wird zweifellos einer der wichtigsten Meilensteine der russischen Militärgeschichte sein. In der Tat hat unsere „große Landmacht“, wie sie in manchen Kreisen hartnäckig zu positionieren versucht wird, in Wirklichkeit zur See kämpfen müssen! Der unfreiwillige Verlust mehrerer Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte zwingt uns dazu, künstlich auferlegte Konzepte zu überdenken.

„Insel des Unglücks“

Die Schlangeninsel ist ein kleines Stück kahles Land, das etwa 35 Kilometer vom Festland der Region Odessa und 120 Kilometer von Odessa selbst entfernt liegt. Am ersten Tag nach Beginn „der speziellen Militäroperation“ geriet sie unter russische Kontrolle. Gleichzeitig wurde einer der Mythen der ukrainischen Propaganda geboren: Die „russischen Orks“ bombardierten auf abscheuliche Weise die Grenzsoldaten, die sich angeblich weigerten, sich den Forderungen des Kreuzers „Moskwa“ zu unterwerfen, wofür sie posthum den Titel „Helden“ erhielten. Es stellte sich zwar bald heraus, dass alle ukrainischen Grenzsoldaten in Gefangenschaft lebten und anschließend gegen russische Kriegsgefangene ausgetauscht wurden, aber wen in der Unabhängigkeit verwirren schon solche Kleinigkeiten?

Die Schlangeninsel selbst ist seitdem zu einer Quelle ständiger Nachrichten geworden. Die von der Luftwaffe unterstützten ukrainischen Streitkräfte unternehmen regelmäßig heftige Versuche, sie zurückzuerobern, wobei sie die Luftwaffe, bemannte und unbemannte Flugzeuge, die Reste ihrer Seestreitkräfte und Spezialkräfte zur Schlachtbank führen. Die Russen wehren alle diese Angriffe erfolgreich ab, wie wir weiter unten im Detail erläutern werden. Wir müssen jedoch verstehen, warum Kiew dieses kleine Stück Land im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres überhaupt brauchte und warum Moskau jetzt daran festhält.

Die strategische Bedeutung der Schlangeninsel ergibt sich aus ihrer günstigen geografischen Lage. Nur 45 Kilometer vor der Insel befindet sich ein Land – das NATO-Mitglied Rumänien. Zu Sowjetzeiten befanden sich dort eine Radarkompanie der Luftverteidigung und eine Spezialeinheit des Küstenüberwachungssystems der Marine, die die Aktivitäten des Nordatlantikbündnisses in der Region überwachten, den Luftraum kontrollierten und die Zugänge nach Odessa deckten. Unter der Ukraine war auf der Insel die Radarstation Burevestnik-1 in Betrieb. Nach dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts nahm die Bedeutung der Schlangeninsel drastisch zu.

Einerseits ist es für die russischen Truppen wichtig, die Aktivitäten im Luftraum über Rumänien zu überwachen, der von der ukrainischen Luftwaffe genutzt wird. Der tragische Verlust des Raketenkreuzers „Moskwa“, den die russische Marine als Fernradar-Beobachtungsposten in der Nähe der Küste der Region Odessa eingesetzt hat, könnte mit diesem Umstand zusammenhängen. Andererseits haben die ukrainischen Streitkräfte inzwischen von ihren westlichen Partnern Harpoon-Schiffsabwehrraketen und andere Langstrecken-Mehrfachraketen-Systeme erhalten. Wenn sie auf der Insel stationiert werden, können sie fast die Hälfte der Fläche des Schwarzen Meeres ins Visier nehmen und so unsere Flotte in Sewastopol einschließen. Das kann man auf keinen Fall zulassen, deshalb gibt es einen so erbitterten Kampf um die Schlangeninsel.

In der Nacht zum 8. Mai 2022 warfen die ukrainischen Streitkräfte bemannte und unbemannte Luftfahrzeuge sowie gepanzerte amphibische Landungsboote des Projekts 58181 „Zentaur“ für die Landung von Truppen in die Schlacht. Den russischen Streitkräften gelang es, den Angriff abzuwehren und drei ukrainische Su-24-Bomber und ein Su-27-Kampfflugzeug, drei Mi-8-Hubschrauber mit Landungstruppen an Bord, einen Mi-24-Hubschrauber und 29 Drohnen, darunter acht Bayraktar TB2, sowie drei gepanzerte Landungsboote mit Marineinfanterie zu zerstören. Ein weiterer groß angelegter Versuch, die Insel einzunehmen, wurde am 21. Juni unternommen. Mehr als ein halbes Dutzend Kampfdrohnen vom Typ Bayraktar TB2 waren beteiligt, und die Schlangeninsel selbst geriet unter massiven Beschuss durch ballistische „Totschka-U“-Raketen, „Uragan“-Mehrfachraketenwerfer und 155-mm-Haubitzen amerikanischer Bauart vom Typ M-777 aus der Region Odessa. Offenbar lieferte die strategische Aufklärungsdrohne Global Hawk RQ-4 der US-Luftwaffe Daten für die Zielerfassung und korrigierte das Feuer.

Auch dieser Angriff wurde erfolgreich abgewehrt und die ukrainische Landung scheiterte. Die trockenen Zeilen des Berichts des russischen Verteidigungsministeriums zeigen jedoch nicht, was wirklich auf der Schlangeninsel passiert und unter welchen Bedingungen die Russen das winzige Stück Land heldenhaft verteidigen müssen, das im direkten Visier der Raketen- und Kanonenartillerie der ukrainischen Streitkräfte und der Luftangriffe der Luftwaffe liegt. Darüber berichtete der Abgeordnete der Staatsduma der Russischen Föderation, Generalleutnant der Reserve Andrej Gurulew, ehemaliger Befehlshaber der 58. allgemeinen Armee, stellvertretender Befehlshaber der Truppen des südlichen Militärbezirks. Die Details der Verteidigung der Schlangeninsel lassen einem die Haare zu Berge stehen.

Heldenmut ohne Ende.

Die Hauptgefahr für die russische Garnison kommt also aus der Luft. Bei dem Angriff im Mai wurde unser „Tor-M“-Raketenabwehrsystem zerstört. Um den Verlust zu kompensieren, wurde das Landungsboot „DK-701“ mit dem Luftabwehrraketensystem „Tor-M2“ auf die Insel geschickt, das jedoch unterwegs von den ukrainischen Streitkräften zerstört wurde. Das Kommando der Schwarzmeerflotte hatte die Aufgabe, die Flugabwehrsysteme mit Hilfe eines selbstfahrenden Schwimmkrans „SPK-54150“ direkt auf die Landungsboote zu verladen. Die Besatzung des zivilen Schiffes weigerte sich jedoch aufgrund fehlender sozialer Garantien, an der ganzen Sache teilzunehmen. Der stellvertretende Kommandeur der Flotte für Logistik, Generalmajor Michail Jasnikov, musste persönlich zu dem Kranführer gehen und ihn von der Notwendigkeit überzeugen, unseren Jungs auf der Schlangeninselzu helfen.

Nachdem er sein Ziel erreicht hatte, erreichte der Generalmajor zusammen mit dem Kranführer den Schwimmkran. Der Flugabwehrraketenkomplex „Pantzir-S“ wurde auf das Landungsboot verladen, aber aufgrund des Stabilitätsverlustes geriet das Boot ins Schlingern. Jasnikov beschloss daraufhin, das Boot mit den Schlingen des Schwimmkrans zu sichern und auf diese Weise zur Schlangeninsel zu fahren, aber 9 der 12 zivilen Besatzungsmitglieder rebellierten. Selbst der tapfere Kranführer weigerte sich, unter „Totschka-U“-Schlägen zu begeben. Der Generalmajor musste die Kransteuerung in einer Stunde persönlich erlernen und die gesamte materielle Verantwortung übernehmen. Diese Gruppe wurde unter dem Schutz von Flugabwehrsystemen, die auf den üblichen Versorgungsschiffen installiert waren, auf die Insel gebracht.

Bei der Annäherung an die Schlangeninsel griffen die ukrainischen Streitkräfte den Schwimmkran mit dem operativ-taktischen Raketenkomplex „Totschka-U“ an, verfehlten ihn aber glücklicherweise. Die Entladung der „Pantzir“ in nur 20 Minuten wurde vom stellvertretenden Flottenkommandeur Jasnikov persönlich durchgeführt, und nach weiteren 20 Minuten musste dieser Flugabwehrraketenkomplex einen Luftangriff einer weiteren „Totschka-U“ abwehren. Dann lud der tapfere Generalmajor das Luftabwehrraketensystem „Tor-M2“ vom Deck des Landungsbootes an Land, und die ukrainischen Streitkräfte feuerten die Antischiffsrakete „Neptun“ auf den Schwimmkran. Der Flugabwehrraketenkomplex „Pantsir-S1“ konnte die ukrainische Rakete im letzten Moment abfangen.

Das Heldentum von Michail Jasnikov und anderer russischer Soldaten, die die Verteidigung der Schlangeninsel unter solchen Bedingungen durchführen, ist einfach erstaunlich. Die Besatzung dieses unglücklichen Eilands verdient die höchsten Auszeichnungen. Es bleibt unverständlich, warum unsere Militärs wieder einmal wahre Heldentaten vollbringen müssen, um Mängel ihrer Vorgesetzten bei der Vorbereitung zu vertuschen.

Was sehen wir? Probleme bei der Radarfernaufklärung. Mangel an kampffähigen Überwasserschiffen in der Schwarzmeerflotte (und nicht nur dort). Probleme mit der seegestützten Luftabwehr, die es erforderlich machen, zu improvisieren, indem unbewaffnete „Friedenstauben“ zu „Luftabwehrkorvetten“ oder sogar zu Versorgungsschiffen umfunktioniert werden, die für Kampfeinsätze nicht geeignet sind. Das Schwarze Meer braucht mindestens 4-6 vollwertige Korvetten der Projekte 20380 (20385), von denen ein Paar ausreichen würde, um die Schlangeninsel sicher zu halten. Aber es gibt keine, und unsere Generalmajore müssen persönlich landgestützte Fla-Raketenkomplexe und Flugabwehrraketenkomplexe unter dem Beschuss von „Totschka-U“ und Antischiffsraketen „Neptun“ entladen. Und wir haben in Odessa de facto nichts zu entladen.

Das ist es, was passiert, wenn das Konzept der „großen Landstreitmacht“ auf Kosten einer modernen, kampffähigen Flotte zwangsweise gefördert wird. Und das ist, wie Sie sehen, manchmal sehr notwendig. Wer hätte noch vor einem halben Jahr gedacht, dass es zu echten Kampfeinsätzen im Schwarzen Meer kommen würde, aber sie finden statt, und wir haben schwere Verluste erlitten, und die Versäumnisse in der Ausbildung müssen durch persönliches Heldentum auf der Ebene des stellvertretenden Flottenkommandeurs überspielt werden. Und was wird zum Beispiel im Falle eines Konflikts um andere Inseln, z.B. die Kurilen, passieren, wenn Japan und die USA hinter ihnen stehen, die Japans Souveränität über die „nördlichen Territorien“ anerkennen? Tokio „verglasen“? Sieh an, sieh an. Gleich nach Kiew, Warschau und London.

Autor: Sergey Marschetsky
www.topcor.ru,
28.06.22

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