08.06.2022

Liebe Genossen und Freunde,
manchmal reicht es, die andere Seiten reden zu lassen.
Besser hätte ich es nicht vermocht.
Siegfried Eichner

 

(…) Mit der Reintegration der Krim nach Russland habe die NATO hinsichtlich der Aufnahme der Ukraine in die NATO und der Ausweitung der westlichen Militärpräsenz im Schwarzen Meer bereits im Jahr 2014 einen herben Rückschlag erlitten. (…)


Prof. Michel Chossudovsky:
"Die Ukraine kann den Krieg nicht mehr gewinnen"

In seiner jüngsten Veröffentlichung "Geopolitik zum Schwarzen Meer und Russlands Kontrolle über strategische Wasserstraßen: Die Meerenge von Kertsch und das Asowsche Meer" analysiert Michel Chossudovsky die Bedeutung der Straße von Kertsch im geopolitischen Schachspiel und im Ukraine-Krieg.

Die Meerenge von Kertsch, die im Osten der Krim das Schwarze Meer und das Asowsche Meer mit den großen russischen Wasserstraßen verbindet, habe nach Ansicht des globalisierungskritischen kanadischen Wirtschaftsprofessors schon in der Vergangenheit eine strategische Rolle gespielt. Und im Ukraine-Krieg spiele die russische Kontrolle der Meerenge von Kertsch sogar eine Schlüsselrolle.

Der Seeweg trennt die Halbinsel Krim im Osten vom russischen Festland und verbindet das Schwarze Meer mit dem Asowschen Meer. Von dort aus verlaufen über die Flüsse Don und Wolga wichtige Handelsrouten bis ins russische Binnenland. Die Straße von Kertsch gehört laut Chossudovsky aber auch zur wichtigen maritimen Verbindung zwischen dem Kaspischen Meer und dem Schwarzen Meer bis hin zum Mittelmeer. Die Wolga verbindet wiederum das Kaspische Meer mit der Ostsee und ist über Kanäle mit der Newa und St. Petersburg verbunden.

Das Kaspische Meer beispielsweise sei "von Land umzingelt". Die einzige Verbindung zum Mittelmeer und zum Atlantik verliefe über die Wolga. Dasselbe träfe auf den Zugang zum Atlantik via Ostsee zu, und noch weitere Meeres-Fluss-Zugänge zu.
Die russische Kontrolle über die Meerenge von Kertsch ist deshalb von großer strategischer Bedeutung, so Chossudovsky. Mit der Reintegration der Krim nach Russland habe die NATO hinsichtlich der Aufnahme der Ukraine in die NATO und der Ausweitung der westlichen Militärpräsenz im Schwarzen Meer bereits im Jahr 2014 einen herben Rückschlag erlitten.

Jetzt (im Juni 2022) kontrolliere Russland bereits das komplette Asowsche Meer. Die Ukraine habe weder einen Zugang zum Asowschen Meer, noch habe sie militärische Kräfte im Schwarzen Meer. Der ukrainische Marinestützpunkt in Berdjansk an der Westküste des Asowschen Meeres sei genauso unter russischer Kontrolle wie alle wichtigen Seehäfen von Mariupol bis Cherson.

So ist der Krieg nach Chossudovskys Auffassung für die Ukraine eigentlich schon verloren: "Ohne Marine ist die Ukraine nicht in einer Position, in der sie den Krieg gewinnen kann." Dazu kontrolliere Russland inzwischen auch den Zugang des wichtigsten ukrainischen Flusses Dnjepr zum Schwarzen Meer, einer Hauptader für den Getreidetransport.

Auch der größte russische Handelshafen am Schwarzen Meer in Noworossijsk sei von strategischer Bedeutung, da dort die wichtigsten Öl- und Gaspipelines zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer kreuzten: Neben der Haupt-Ölpipeline zwischen Noworossijsk und Baku gebe es hier Verbindungen zwischen Russland, Kasachstan, Iran und Turkmenistan, die bis nach China führen.  

Über die Meerenge von Kertsch könnten riesige Transportschiffe den maritimen Güterverkehr bewerkstelligen. Und über die von Russland kontrollierte Brücke von Kertsch verbinde der Zugverkehr das westliche und östliche Europa mit dem Kaspischen Meer und bis nach Kasachstan und China.

Schon im Dezember 2013 habe die russische Regierung mit der Janukowitsch-Regierung in Kiew per Vertrag den Bau einer Brücke über die Meerenge von Kertsch vereinbart, die die östliche Krim mit der russischen Region Krasnodar verbindet. Der Bau sei sogar bereits im Jahr 2010 zwischen den beiden Ländern vorvereinbart worden. Und noch zwei Wochen vor dem Referendum, am 16. März 2014, auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise, habe der damalige russische Premierminister Dimitri Medwedew das staatliche russische Bauunternehmen Awtodor mit der Gründung eines Subunternehmens zur Überwachung des Brückenbaus über die Straße von Kertsch beauftragt.

Laut Chossudovsky ist die Entwicklung eines gemeinsamen euroasiatischen Wirtschaftsraums wohl noch nicht vom Tisch: "Sie (die Brücke von Kertsch) ist daher ein integraler Bestandteil des eurasischen Projekts (das sich mit Chinas Neuer Seidenstraßen Initiative verbindet)."

https://pressefreiheit.rtde.tech/russland/140456-prof-michel-chossudovsky-ukraine-kann-den-krieg-nicht-mehr-gewinnen/
7.6.22



Sanktionen wirken nicht, Russland ist auf dem Vormarsch
und die westlichen Medien ändern ihren Ton
Ein Kommentar von Nebojša Malić

Die westlichen Medien, bisher die Jubelperser für das Regime in Kiew, warnen zunehmend davor, dass die Sanktionen gegen Russland wohl untauglich sind und dass die Ukraine einen Weg zum Waffenstillstand und zum Frieden finden muss.

Auch wenn der kollektive Westen weiterhin – entgegen aller beobachtbaren Realität – darauf beharrt, dass der Konflikt in der Ukraine für Kiew gut läuft, werden die großen Medien angesichts der Lage an der wirtschaftlichen Front zunehmend unruhig. Immer mehr Beobachter räumen ein, dass die von den USA und ihren Verbündeten verhängten Sanktionen, nicht wie ursprünglich beabsichtigt die russische Wirtschaft erdrosseln, sondern die eigene.

Inzwischen haben einige große Publikationen damit begonnen, über die tatsächliche Situation an der Front zu berichten, anstatt wie bisher unkritisch Mythen wie den "Geist von Kiew" oder die "Die 13 von der Schlangeninsel" zu kolportieren, die vom Büro von Wladimir Selenskij propagiert wurden. Es gab sogar vage Andeutungen, dass der Westen vielleicht aufhören sollte, Kiew bedingungslos zu unterstützen und stattdessen eine Lösung am Verhandlungstisch forcieren sollte.

"Russland gewinnt den Wirtschaftskrieg", stellte der Wirtschaftsredakteur des britischen Guardian, Larry Elliott, am vergangenen Donnerstag fest. "Es sind jetzt drei Monate her, seit der Westen einen Wirtschaftskrieg gegen Russland begonnen hat, und er verläuft nicht nach Plan. Im Gegenteil, die Dinge laufen wirklich sehr schlecht", schrieb er.

Elliott argumentierte sogar, dass die jüngste Ankündigung der USA, Mehrfachraketenwerfer in die Ukraine zu liefern, ein Beweis dafür sei, dass die Sanktionen nicht funktionieren: "Die Hoffnung ist, dass moderne Militärtechnologie aus den USA das erreichen können, was Sanktionen im Energiesektor und die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte bisher nicht erreicht haben: Den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu zwingen, seine Truppen abzuziehen."

In einem Aufsatz vom 30. Mai schrieb Simon Jenkins, ein Kolumnist des Guardian, dass die Sanktionen einen russischen Rückzug nicht erzwingen konnten, stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass die EU zwar "an der Unterstützung der Kriegsanstrengungen der Ukraine festhalten", aber gleichzeitig die Sanktionen zurücknehmen sollte, weil diese "selbstzerstörerisch und sinnlos grausam sind." Jenkins betonte, dass durch die Sanktionen die Marktpreise für russische Exportgüter wie Öl und Getreide in die Höhe getrieben wurden – und damit Moskau eher bereichert als verarmt haben –, während den Europäern das Benzin und den Afrikaner die Lebensmittel ausgehen.

Man beachte, dass Jenkins sich in Bezug auf die angebliche Wirksamkeit westlicher Waffenlieferungen irrt, wenn man bedenkt, dass russische Truppen im vergangenen Monat eine Reihe von taktischen Siegen errungen haben – von Popasnaja bis Liman. Am 26. Mai veröffentlichte ausgerechnet die Washington Post einen erschreckend offenen Bericht darüber, wie eine ukrainische Einheit bei Sewerodonezk mehr als die Hälfte ihrer Mannschaft verlor und sich zurückziehen musste. Die Kommandeure dieser Einheit wurden anschließend wegen Hochverrats festgenommen, nachdem sie mit der Zeitung gesprochen hatten.

Diese Realität konnte selbst der Redakteur für Militär und Verteidigung des britischen Telegraph, Con Coughlin, nicht ignorieren, der zu einer Art Internet-Meme geworden ist, weil er quasi wöchentlich eine Niederlage Russlands prophezeite und jetzt allmählich zurückrudern musste, indem er schrieb, dass Moskau einen "Schocktriumph" erringen könnte, allerdings um damit sein Argument zu untermauern, weshalb Kiew noch mehr Waffen aus dem Westen benötige.

Das Versagen des kollektiven Westens, Russland das Rückgrat zu brechen, wurde sogar für den Economist offensichtlich, eine Wirtschaftspublikation, die nicht gerade bekannt dafür ist, mit Moskau zu sympathisieren. Die Zeitung gab vor einem Monat widerwillig zu, dass sich die russische Wirtschaft vom anfänglichen Sanktionsschock erholt habe. Unterdessen muss sich der Westen mit Energieknappheit, steigenden Lebenshaltungskosten und einer Rekordinflation auseinandersetzen. Es sind die Amerikaner, die Engpässe bei Babynahrung in den Läden vorfinden und sich fast kein Benzin mehr leisten können, nicht die Russen. Das mag der Grund sein, weshalb dieser "Frühling der Unzufriedenheit" über die westliche Sanktionspolitik nicht an der europäischen Küste des Atlantiks Halt gemacht hat.

Am Dienstag veröffentlichte die New York Times (NYT)  einen Kommentar von Christopher Caldwell, in dem er die Regierung von Joe Biden dafür kritisierte, dass sie "Verhandlungswege verschließt und daran arbeitet, den Krieg zu intensivieren", indem sie immer mehr Waffen nach Kiew liefert. "Die Vereinigten Staaten versuchen, die Fiktion aufrechtzuerhalten, dass die Bewaffnung eines Verbündeten nicht dasselbe sei wie die Teilnahme an einem Krieg", schrieb Caldwell und wies darauf hin, dass diese Unterscheidung im Informationszeitalter "zunehmend konstruiert" wirke. Einen Tag später gab der Leiter des Cyber-Kommandos der USA zu, im Auftrag der Ukraine offensive Operationen im Cyberspace gegen Russland durchgeführt zu haben.

Die USA hätten "den Ukrainern Grund zu der Annahme gegeben, dass sie in einem Eskalationskrieg siegen können", schrieb Caldwell, weshalb Kiew nicht darauf bedacht sei, Frieden zu schließen. Als dann kein Geringerer als Henry Kissinger versuchte, in Davos für eine schnelle Beilegung des Konflikts zu argumentieren, wurde er vom Büro von Selenskij dafür verflucht und umgehend zum Feind des ukrainischen Staates erklärt.

Es gab schon früher im Konflikt Aufrufe nach einem Ausweg aus diesem Desaster zu suchen, – wenn auch nur zaghaft und untergegangen im Lärm der anhaltenden Kakofonie der Medien in ihrem Jubel für Kiew. Bereits am 18. Mai empfahl der üblicherweise als Falke auftretende Charles Kupchan vom Council of Foreign Relations der Ukraine "es gut sein zu lassen".

"Russland wurde bereits eine entscheidende strategische Niederlage zugefügt", schrieb er. "Für die NATO und die Ukraine spricht strategische Vorsicht dafür, diese Erfolge einzusacken, anstatt weiterhin den Kampf zu forcieren und die entsprechenden Risiken einzugehen." Die NATO, fügte Kupchan hinzu, sollte die ukrainische Regierung dahingehend beraten, wie das Blutvergießen beendet werden kann, und zwar bald. Nach den offiziellen Erklärungen zu urteilen, die sowohl aus dem Weißen Haus als auch aus Kiew kamen, fand das von Kupchan und der NYT empfohlene Gespräch jedoch nie statt. Stattdessen stellen die USA der Ukraine weiterhin einen Blankoscheck aus.

Apropos Analogien zum Ersten Weltkrieg: Ein hochrangiger Politikwissenschaftler der RAND Corporation, einer Denkfabrik, von der das Pentagon beraten wird, hat am vergangenen Dienstag eine solche in der Publikation Foreign Affairs gemacht. Laut Samuel Charap war die Gründung Belgiens als neutraler Staat durch seine Nachbarn fast ein Jahrhundert lang zum Vorteil aller, wobei Großbritannien im Jahr 1914 sogar bereit war, gegen Deutschland zu kämpfen, um Belgien zu erhalten. Die bei den Gesprächen in Istanbul Ende März vorgeschlagene Neutralitätsvereinbarung könnte der Ukraine dasselbe bieten, schrieb er.

Schade also, dass – Berichten zufolge – der britische Premierminister Boris Johnson bereits im April persönlich eingegriffen haben soll, um diese Gespräche zum Scheitern zu bringen, wie die Kiewer Ukrajinska Prawda schrieb, indem er der Ukraine deutlich machte, dass, wenn es einen Deal mit Moskau eingehe, der kollektive Westen dies nicht tun werde.

Nebojša Malić ist ein serbisch-amerikanischer Journalist, Blogger und Übersetzer, der von 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com schrieb und heute Senior Autor bei RT ist. Man kann ihm auf Telegram @TheNebulator und auf Twitter @NebojsaMalic folgen.

https://pressefreiheit.rtde.tech/meinung/140293-sanktionen-wirken-nicht-russland-ist-auf-dem-vormarsch/
7.6.2022

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