Begegnung an der Elbe


Am 25. April 1945 trafen sich sowjetische und amerikanische Soldaten - in Form von Erkundungstrupps - an der zerstörten Elbbrücke in Torgau und reichten sich die Hände.
Das Ende des II. Weltkrieges in Europa stand unmittelbar bevor. Seit Jahren wird dieses Ereignis feierlich begangen, oft unter Teilnahme von Veteranen der beteilten Armeen.
Dieser Tag trägt auch den Namen "ELBE- DAY". In diesem Jahr wurde die Veranstaltung abgesagt, die Vertreter Russlands wurden ausgeladen.

Es ist der DKP zu verdanken, dass es trotz allem  am 23. April zu einer würdigen Gedenkveranstaltung in Torgau kam. Die kurzfristig geladenen Parteien und Vereine beteiligten sich mit ca. 400 Personen, so die KPD,  einige Vereine des OKV, die Freidenker und weitere Aktivisten. Bei schönem Wetter zog der Demonstrationszug vom Parkplatz über die Elbbrücke in die Innenstadt, legte einen Zwischenstopp vor dem Ernst-Thälmann-Denkmal ein und beendete auf dem Marktplatz die Gedenkveranstaltung mit Musik und Vorträgen.
Aus Berlin kam ein Bus mit ca. 40 Personen. Es gab kaum organisatorische Probleme und ich denke, dass Veranstalter und Teilnehmer mit dieser Veranstaltung zufrieden waren.

Fregattenkapitän a. D. Prof. Dr. Hans Fischer, Ehrenmitglied des Verbandes zur Pflege der Traditionen der NVA und der GT der DDR

Es lohnt sich durchaus, den nachfolgenden Vortrag der Referentin Liane Kilinc , Vorsitzende der Friedensbrücke - Kriegsopferhilfe e. V., im Anhang zu lesen.
Dieser Verein leistet seit Jahren materielle Hilfe für die Kriegsopfer der "Volksrepubliken".

Liebe Freunde,
inzwischen kann man in diesem Deutschland den blau-gelben Fahnen kaum mehr entrinnen.
Überall machen sie sich breit, in Supermärkten, auf Schulcomputern, an öffentlichen Gebäuden, auf Zeitungen....
Ich kann sie nicht ertragen, diese Farben, denn für mich stehen sie für eine Armee, die acht Jahre lang auf die Menschen im Donbass geschossen und sie gequält hat.
Wo Kinder, die in ihrem Leben noch keinen Tag Frieden erlebt haben, ihre Nächte in Kellern verbracht haben, in Kellern aufgewachsen sind.
Das ist eine nicht erzählte Geschichte, ein Elend, das für die meisten Menschen hier nicht existiert, weil es nie anrührende Bilder aus diesen Kellern gab, nie Bilder der Menschen, die dort von Geschossen zerfetzt wurden, und über 14.000 Tote, die es nie in die Nachrichten geschafft haben.
Aber nicht nur der Krieg im Donbass wird verschwiegen oder vergessen gemacht. Es ist viel mehr, dass zwischen dem Schweigen in die eine und dem Getöse in die andere Richtung verschlungen wird.
Auch alles, was die Begegnung in Torgau, in deren Erinnerung wir heute hier stehen, ausmachte, wird davon verschluckt, ausgelöscht, ungeschehen gemacht.
Als sich die US-amerikanischen und die sowjetischen Soldaten damals begegneten, waren sie Waffenbrüder.
Heute gibt es keine Vorstellung, die beängstigender ist, als dass sie sich wieder begegnen; denn dann täten sie es als Feinde.
Dieses Mal stehen die Vereinigten Staaten dort, wo sie Rockefeller und Ford damals schon gerne gesehen hätte – an der Seite der Faschisten.
Und die deutsche Regierung, nein, so gut wie die ganze deutsche Politik, hat sich hinter ihnen eingereiht.
Man muss inzwischen nicht mehr in den Donbass fahren, um das sehen zu können.
Es genügt, einen Blick auf die sowjetischen Ehrenmäler zu werfen, die regelmäßig geschändet werden. Mit blau und gelb, und auch mit blaugelben Wolfsangeln und Hakenkreuzen.
Es wird alles mitgeliefert.
Gestern erst hat die Welt einen Artikel gebracht, der das Asow-Regiment, eine mörderische Truppe, die acht Jahre lang die Menschen von Mariupol terrorisierte, glorifiziert.
Ihr erkennbares Vorbild ist die SS; ihre Unterkünfte sind voller Nazidevotionalien; sie haben eine Unterabteilung mit dem Namen „misanthropische Division“, deren Fahne sich auf die Dirlewanger-Einheit der SS bezieht, all das ist kein Problem, das sind Helden wider die bösen Russen, die tapfer die westliche Zivilisation gegen die Horden der slawischen Untermenschen verteidigen.
Man darf den Fernseher gar nicht mehr anschalten.
Russen sind keine Europäer, heißt es. Zur besten Sendezeit.
Und die Ukrainer, denen man zumindest vorwerfen muss, den Krieg im Donbass geduldet zu haben, sind wertvolle Europäer.
Es wird getan, als sei diese Rhetorik neu. Dabei ist sie alt, und die Brücke hier in Torgau ist ein Symbol dafür, wie sie das letzte Mal besiegt und zerschlagen wurde.
Wenige Tage vor der Begegnung der beiden Heere hier in Torgau hielt der US-Präsident Roosevelt eine Rede, in der er die Ziele benannte, die in Jalta für den Frieden nach diesem Krieg benannt wurden. Vergebt mir, dass ich es dieses Jahr erneut zitiere.
Es wird klar werden, warum.
„Niemals zuvor waren die Hauptalliierten einiger – nicht nur in ihren Kriegszielen, sondern in ihren Friedenszielen,“ sagte er.
„Das Ende des Nazismus und der Nazipartei – und all ihrer barbarischen Gesetze und Institutionen. Das Ende jedes militaristischen Einflusses im öffentlichen, privaten und kulturellen Leben Deutschlands. Eine schnelle und gerechte – und strenge –Bestrafung der Nazi-Kriegsverbrecher. Die vollständige Entwaffnung Deutschlands; die Zerstörung seines Militarismus und seiner militärischen Ausrüstung; die Zerstreuung all seiner bewaffneten Kräfte; die dauerhafte Zerschlagung des deutschen Generalstabs, der so oft den Weltfrieden zertrümmert hat.“
Man muss diese Sätze im Ohr behalten.
Und sich daran erinnern, dass das, was heute geltendes Völkerrecht ist, in diesem historischen Moment geboren wurde, als die beiden Verbündeten gegen den Hitlerfaschismus sich die Hände reichten. Dieses Bündnis verschwand nicht von einem Tag auf den anderen; die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse wurden noch gemeinsam geführt, obwohl der neue US-Präsident Truman schon gern den Krieg gegen die Sowjetunion fortgesetzt hätte. Jene Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, auf die sich all jene zu berufen meinen, die von einem russischen Angriffskrieg sprechen.
Ja, da bin ich nicht unparteiisch.
Weil ich all die Jahre mit den Antifaschisten im Donbass gelitten habe. Weil wir ihnen Hilfe schickten – von Babynahrung bis zu Saatgut und Schulmaterialien.
Weil wir immer hörten, täglich, wenn in Gorlovka und Donezk wieder einmal Granaten auf die Schulen und Kindergärten flogen, oder das Stromnetz oder die Wasserversorgung ausfiel.
Ich kann nicht leugnen, dass ich all die Jahre lang ein Ende dieses Krieges herbeigesehnt habe. Ein Ende, das möglich gewesen wäre. Das aber der Westen, auch die Bundesrepublik, nicht wollte.
Die Menschen in Gorlovka und Donezk hoffen darauf, dass die Frontlinie verschwindet, die vor ihrer Stadt liegt, dass die Truppen verschwinden, die Artillerie verschwindet, die ihnen ein normales Leben unmöglich macht.
Was, wenn der Grund für den russischen Einsatz genau der ist, der angegeben wurde?
Ich zitiere, was der russische Präsident Putin dazu sagte: „Ihr Ziel ist es, die Menschen zu schützen, die seit acht Jahren von dem Kiewer Regime misshandelt und ermordet werden. Und zu diesem Zweck werden wir uns bemühen, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren und diejenigen vor Gericht zu stellen, die zahlreiche blutige Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, einschließlich Bürger der Russischen Föderation, begangen haben.“
Wenn der Kampf erneut geführt werden muss, der am Ursprung des modernen Völkerrechts steht, der Kampf gegen den Nazismus, wie kann dieser Kampf dann gegen dieses Recht verstoßen?
Oder andersherum – wie könnte man dieses Völkerrecht verteidigen, indem man sich mit einem Wiedergänger des Feindes verbündet, gegen den es einst errichtet wurde?
Die Soldaten der ersten US-Armee, die hier den Soldaten der Roten Armee die Hände reichten, hatten die Ardennenoffensive miterlebt. Das heißt auch, sie hatten die verwundeten US-Soldaten gesehen, die von der Hitlerarmee massakriert worden waren. Sie hatten den Terror der Konzentrationslager gesehen. Man vergisst gern, dass jedes große Lager hunderte Außenlager hatte; an der Strecke der ersten Armee finden sich solche von Buchenwald wie solche von Sachsenhausen. 
Es war gar nicht möglich, Deutschland zu durchqueren, damals, 1945, ohne auf ausgemergelte Häftlinge in den gestreiften Anzügen zu stoßen. Sie kannten das Gesicht dieses Feindes.
So wie ihre Waffenbrüder von der Roten Armee.
Gestern erst hat der Gründer von Asow im ukrainischen Fernsehen gedroht, wer in Mariupol den 9. Mai feiere, müsse mit einer Toshka-U-Rakete der ukrainischen Armee rechnen.
Das sind jene Raketen, die auf den Bahnhof von Kramatorsk abgefeuert wurden, was hier als Verbrechen der russischen Armee erzählt wurde, bis das wegen der Seriennummer zu unglaubwürdig wurde und schnell verschwand.
Aber braucht es noch mehr Belege für das Verhältnis dieser Armee zur Bevölkerung ihres Landes und mehr Belege für die Macht, die die Nazis von Asow ausüben, als diese Drohung?
Auch hier gehen inzwischen die Auseinandersetzungen um die Erinnerungen und die mit dem Faschismus Hand in Hand.
Mit der Begründung, es gebe den Krieg in der Ukraine, in der Russland der Aggressor sei, wird hier in Torgau das Gedenken abgesagt, und nicht ukrainische Nazis, sondern „russische Nationalisten“ werden als Gefahr genannt.
Es werden sowjetische Fahnen verboten; alles, was die unverzichtbare Verbindung zwischen Antifaschismus und einer Ehrung jener, die Deutschland vom Hitlerfaschismus befreiten, symbolisiert, wird untersagt.
Und die Drohungen gegen die Feier des 9. Mai in Berlin liegen auch bereits vor.
Das alles macht mir große Sorgen, weil es eine Entwicklung wiederholt, die genauso in der Ukraine abgelaufen ist, vor Beginn des Bürgerkrieges.
Es sind die gleichen Schritte, mit denen die bürgerliche Demokratie abserviert wird. Erst eine wahnhafte Dämonisierung Russlands, dann die Nazifizierung der historischen Erinnerungen, dann die Nazifizierung der Politik und als letzter Punkt der Krieg.
Florence Gaub, die im Fernsehen Rassentheorie als Begründung des Krieges in der Ukraine geliefert hat, hat mehrere Jahre für die NATO gearbeitet, und ist jetzt Vizedirektorin eines Instituts, das für die EU militärische Strategien entwickelt. Sie hat an anderer Stelle noch etwas sehr Erhellendes gesagt: „Und auch für uns ist es von Interesse, dass Russland fundamental zu der Erkenntnis kommt, dass es nicht nur diesen Krieg nicht gewinnen kann, sondern dass es auch seine Zukunftsambition von einer neuen Weltordnung nach seiner Vorstellung ablegt. Denn für Russland ist der Krieg in der Ukraine Teil eines größeren und langfristigeren Unterfangens, das mit einer Umgestaltung der Weltordnung rund um 2030 endet.“ Die Begründung, warum es weder aus den USA noch aus der EU die leisesten Bemühungen um Frieden gibt, liefert sie gleich mit: „Wer heute schnell den Krieg beendet, verlegt einen viel Größeren auf die Zukunft.“
Die neue Weltordnung, die Frau Gaub und die NATO meinen, ist das, was Russland und China die 'multipolare Welt' nennen.
Eine Welt, in der die Vormacht des gesamten Westens gebrochen ist. Man könnte es auch so formulieren, wie das die ursprünglichen Nazis oder ihr ukrainischer Nachbau formulieren würden: eine Welt, in der die Vorherrschaft der weißen Rasse endet.
Das ist der Unterton dieses NATO und der amerikanischen Sprache. Die anderen dürfen huldigen, wobei auch Einwanderung als Huldigung zählt. Wir die Herren, ihr die Knechte.
Wenn man sich vorstellt, wie ein künftiges Torgauer Treffen aussähe, nach der erfolgreichen Niederringung dieses wiedergeborenen Faschismus, dann würden es die Vertreter anderer Völker sein, die sich die Hände reichen. Und wenn wir heute darüber nachdenken, welche Bedeutung dieses Treffen damals für uns hat, kann es nur das sein, dass auch wir jenen die Hände reichen müssen, die gegen diese Rückkehr des Faschismus kämpfen. Denn das ist die Voraussetzung dafür, dass das eigentliche Ziel, das auf Jalta formuliert wurde, erreicht werden kann, und dafür möchte ich nochmals aus Roosevelts letzter Rede zitieren:
„Der Aufbau des Weltfriedens kann nicht das Werk eines Mannes, oder einer Partei oder einer Nation sein. Es kann kein amerikanischer, kein britischer, kein russischer, kein französischer oder chinesischer Frieden sein. Es kann kein Frieden der großen Nationen – oder der kleinen Nationen sein.
Es muss ein Frieden sein, der auf den gemeinsamen Bemühungen der ganzen Welt beruht.“

Liane Kilinc, Torgau 23.04.2022
Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e.V.

 

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