Nur mal zur Erinnerung

Eine heute weit verbreitete "Unsitte" besteht darin, Ereignisse und Entwicklungen in der Gegenwart so darzustellen, als seinen sie quasi vom Himmel gefallen. Wann man diese "Niederkunft" ansetzt, steht dabei im Belieben derjenigen Personen, die diese Darstellung für ihre aktuelle politische Propaganda nutzen wollen. Denn diese Art der Darstellung ist eben genau das - ein Propagandainstrument von wahrhaft biblischem Alter. Trotzdem gern und oft und leider auch meist erfolgreich genutzt.

Diesen Propagandaaktionen kann man nur dadurch entgegen treten, dass Ursache und Wirkung in ihrer tatsächlichen Entwicklung öffentlich verbreitet wird. Genau davor haben ja die oben angeführten Propagandisten die größte Angst. Auch das sehen wir heute sozusagen wie auf einem silbernen Tablett serviert.

Die Erinnerung an Putins Rede vor der Münchener Sicherheitskonferenz von 2007 ist so ein Startpunkt für Entwicklungen, die heute vor aller Augen sichtbar sind. Er und andere russische Vertreter haben immer wieder darauf hingewiesen, man möge ihnen doch wenigstens zuhören. Der kollektive Westen hörte aber lieber weg. Seit dem Untergang der Sowjetunion und ihrer Verbündeten in Europa hat sich "der Westen" permanent überschätzt und Russland (ebenso wie China) permanent unterschätzt. Nun ist der Katzenjammer groß und welche Kräfte in den USA und der NATO/EU in der nächsten Zeit dominieren werden, ist immer noch offen. Wie es aktuell aussieht soll Russland, wenn es denn schon so stark geworden ist, dafür wenigstens bluten. Manche Leute treten eben immer wieder gerne nach. Sie tun dies selbst dann, wenn sie dabei ihren Tritt gegen einen Tiger führen und riskieren, dabei ein Bein zu verlieren. Rationalität ist eben noch nie jedermanns Sache gewesen.

Der angehängte Beitrag fasst die Entwicklung seit 2007 aus russischer Sicht zusammen. Niemand kann daher sagen, er habe es nicht gewusst. Soweit es Putin betrifft, hat er mit offenen Karten gespielt.

Schönes WE
Lutz

 

Geopolitik

15. Jahrestag von Putins Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz: Womit Putin richtig lag

Zum 15. Jahrestag von Putins Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz erinnere ich noch einmal an den Redetext. So kann jeder überprüfen, in welchen Punkten Putin recht behalten hat.

von Anti-Spiegel
11. Februar 2022 18:30 Uhr

In meinem Buch über Putin habe ich die Rede Putins bei Münchner Sicherheitskonferenz ein wenig gekürzt, weil sie sehr lang war. Auch waren einige Themen bereits veraltet, wie zum Beispiel der Streit um das iranische Atomprogramm, der gelöst war, als ich das Buch geschrieben habe. Heute ist die Lage bei dem Thema wieder eine völlig andere, aber darum soll es hier nicht gehen.

Hier veröffentliche ich das Kapitel über Putins Rede von 2007 aus meinem Buch über Putin, wobei ich einige der eingefügten Kommentare aktualisiert habe, denn das Buch habe ich 2018 geschrieben. Nach dieser Lektüre kann jeder Leser überprüfen, ob und womit Putin 2007 richtig gelegen hat.

Ab hier beginnt Putins Rede in normaler Schrift, meine Kommentare sind in kursiv und in Klammern gekennzeichnet.

Putins Rede 2007

Beginn des Zitats aus der Rede

Die Menschheitsgeschichte kennt natürlich auch Perioden monopolaren Zustandes und des Strebens nach Weltherrschaft. Alles war schon mal da in der Geschichte der Menschheit. Aber was ist eigentlich eine monopolare Welt? Wie man diesen Terminus auch ausschmückt, am Ende bedeutet er praktisch nur eines: es gibt ein Zentrum der Macht, ein Zentrum der Stärke, ein Entscheidungs-Zentrum.

Es ist die Welt eines einzigen Hausherren, eines Souveräns. Und das ist am Ende nicht nur tödlich für alle, die sich innerhalb dieses Systems befinden, sondern auch für den Souverän selbst, weil es ihn von innen zerstört.

Das hat natürlich nichts mit Demokratie zu tun. Weil Demokratie bekanntermaßen die Herrschaft der Mehrheit bedeutet, unter Berücksichtigung der Interessen und Meinungen der Minderheit.

(…)

Ich denke, dass für die heutige Welt das monopolare Modell nicht nur ungeeignet, sondern überhaupt unmöglich ist. Nicht nur, weil für eine Einzel-Führerschaft in der heutigen, gerade in der heutigen Welt weder die militärpolitischen, noch die ökonomischen Ressourcen ausreichen. Aber was noch wichtiger ist: Das Modell selbst erweist sich als nicht praktikabel, weil es selbst keine Basis hat und nicht die sittlich-moralische Basis der modernen Zivilisation sein kann.

Damit ist alles, was heute in der Welt geschieht – und wir fangen jetzt erst an, darüber zu diskutieren – eine Folge der Versuche, solch eine Konzeption der monopolaren Welt einzuführen.

Und mit welchem Ergebnis?

Einseitige, oft nicht legitime, Handlungen haben nicht ein einziges Problem gelöst. Vielmehr waren sie Ausgangspunkt neuer menschlicher Tragödien und Spannungsherde. Urteilen Sie selbst: Kriege, lokale und regionale Konflikte sind nicht weniger geworden. Herr Teltschik hat ganz leicht daran erinnert. Und es sterben nicht weniger Menschen bei diesen Konflikten als früher, sondern sogar mehr. Bedeutend mehr!

Heute beobachten wir eine fast unbegrenzte, hypertrophierte Anwendung von Gewalt – militärischer Gewalt – in den internationalen Beziehungen, eine Gewalt, welche eine Sturmflut aufeinander folgender Konflikte in der Welt auslöst. Im Ergebnis reichen dann die Kräfte nicht mal für eine komplexe Lösung wenigstens eines dieser Konflikte aus. Eine politische Lösung ist ebenfalls unmöglich.

Wir sehen eine immer stärkere Nichtbeachtung grundlegender Prinzipien des Völkerrechts. Mehr noch: Bestimmte Normen, ja eigentlich fast das gesamte Rechtssystem eines Staates, vor allem natürlich der Vereinigten Staaten, hat seine Grenzen in allen Sphären überschritten: sowohl in der Wirtschaft, der Politik und im humanitären Bereich wird es anderen Staaten übergestülpt. Nur, wem gefällt das schon?

(…)

Das ist allerdings äußerst gefährlich. Es führt dazu, dass sich schon niemand mehr sicher fühlt. Ich will das unterstreichen: Niemand fühlt sich mehr sicher! Weil sich niemand mehr hinter dem Völkerrecht wie hinter einer schützenden Wand verstecken kann. Eine solche Politik erweist sich als Auslöser für das Wettrüsten.

Die Dominanz des Faktors Gewalt löst in einer Reihe von Ländern den Drang nach dem Besitz von Massenvernichtungswaffen aus. Mehr noch: Es erschienen ganz neue Bedrohungen, die zwar früher schon bekannt waren, aber heute globalen Charakter annehmen, wie der Terrorismus.

Ich bin überzeugt, dass wir heute an einem Grenzpunkt angelangt sind, an dem wir ernsthaft über die gesamte Architektur der globalen Sicherheit nachdenken sollten.

(…)

So ist das summierte BIP Indiens und Chinas hinsichtlich der paritätischen Kaufkraft schon größer als das der USA. Das gleichermaßen berechnete BIP der BRIC-Staaten – Brasilien, Russland, Indien und China- übersteigt das BIP der EU. Nach Auffassung der Experten wird diese Entwicklung weiter anhalten.

Es besteht kein Zweifel, dass das wirtschaftliche Potenzial neuer Wachstumszentren auf der Welt unausweichlich auch in politischen Einfluss umschlägt und die Multipolarität stärkt.

In diesem Zusammenhang wächst auch die Rolle der multilateralen Diplomatie. Offenheit, Transparenz und Berechenbarkeit sind in der Politik ohne Alternative, aber die Anwendung von Gewalt sollte genauso kategorisch ausgeschlossen sein, wie die Anwendung der Todesstrafe in den Rechtssystemen der meisten Staaten.

Wir beobachten aber heute, im Gegenteil, dass Länder, in denen die Anwendung der Todesstrafe sogar gegenüber Mördern und anderen gefährlichen Verbrechern verboten ist, ungeachtet dessen an militärischen Aktionen teilnehmen, die schwerlich als legitim zu bezeichnen sind. Doch bei diesen Konflikten sterben Menschen – Hunderte, Tausende Zivilisten!

(…)

Warum muss man jetzt, bei jedem beliebigen Vorkommnis, bombardieren und schießen. Es kann doch nicht sein, dass es uns so sehr an politischer Kultur und Achtung vor den Werten der Demokratie und des Rechts fehlt, dass wir nicht auf die Androhung von Gewalt verzichten können.

Ich bin überzeugt, dass der einzige Mechanismus zur Entscheidung über die Anwendung von Gewalt als letzte Maßnahme nur die UN-Charta sein darf (…) Legitim ist eine Anwendung von Gewalt nur dann zu nennen, wenn ihr ein UNO-Beschluss zu Grunde liegt. Und man darf die UNO nicht durch die NATO oder die EU ersetzen. (…) Zugleich muss man erreichen, dass das Völkerrecht universalen Charakter erhält, sowohl im Verständnis, wie auch in der Anwendung der Normen.

(…)

Uns beunruhigen auch Pläne zum Aufbau eines Raketenabwehrsystems in Europa. Wer braucht eine neue Runde eines in diesem Falle unausweichlichen Wettrüstens? Ich zweifele zutiefst daran, dass es die Europäer selbst sind.

Über Raketenwaffen, die, um tatsächlich Europa gefährden können, eine Reichweite von 5000 – 8000 Kilometern haben müssen, verfügt keines dieser so genannten „Problemländer“.

(Anm. d. Übers.: Zur Erinnerung: Das US-Raketenabwehrsystem, das damals in der Entwicklung war und heute zum Teil bereits in Europa stationiert wurde, wurde mit der Bedrohung durch den Iran und Nordkorea begründet.)

Und in der absehbaren Zukunft werden sie auch keine haben, nicht einmal die Aussicht darauf. Selbst der hypothetische Start einer nordkoreanischen Rakete in Richtung des Territoriums der USA über Westeuropa hinweg, widerspricht allen Gesetzen der Ballistik. Wie man bei uns in Russland sagt, ist das so, „wie wenn man sich mit der linken Hand am rechten Ohr kratzt“.

(…)

Aber was geschieht zur selben Zeit? In Bulgarien und Rumänien entstehen so genannte leichte amerikanische Vorposten-Basen mit jeweils 5000 Mann. Das bedeutet, dass die NATO ihre Streitkräfte immer dichter an unsere Staatsgrenzen heranbringt, und wir, die wir uns streng an den Vertrag halten, in keiner Weise auf dieses Vorgehen reagieren.

(Anm. d. Übers.: Hier meint Putin die Nato-Russland-Akte, die eine dauerhafte Stationierung von Nato-Soldaten in den neuen Mitgliedsstaaten in Osteuropa verbietet. Der Vertrag gilt bis heute und wurde nie gekündigt oder geändert, trotzdem stationiert die Nato heute Soldaten in den Osteuropäischen Ländern.)

Ich denke, es ist offensichtlich, dass der Prozess der NATO-Osterweiterung keinerlei Bezug zur Modernisierung der Allianz selbst oder zur Gewährleistung der Sicherheit in Europa hat. Im Gegenteil, das ist ein provozierender Faktor, der das Niveau des gegenseitigen Vertrauens senkt. Nun haben wir das Recht zu fragen: Gegen wen richtet sich diese Erweiterung? Und was ist aus jenen Versicherungen geworden, die uns die westlichen Partner nach dem Zerfall des Warschauer Vertrages gegeben haben? Wo sind jetzt diese Erklärungen? An sie erinnert man sich nicht einmal mehr. Doch ich erlaube mir, vor diesem Auditorium daran zu erinnern, was gesagt wurde. Ich möchte ein Zitat von einem Auftritt des Generalsekretärs der NATO, Herrn Wörner, am 17. Mai 1990 in Brüssel bringen. Damals sagte er: „Schon der Fakt, dass wir bereit sind, die NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der BRD zu stationieren, gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien.“ Wo sind diese Garantien?

Die Steine und Betonblocks der Berliner Mauer sind schon längst zu Souvenirs geworden. Aber man darf nicht vergessen, dass ihr Fall auch möglich wurde dank der historischen Wahl, auch unseres Volkes, des Volkes Russlands, eine Wahl zugunsten von Demokratie und Freiheit, für Offenheit und echte Partnerschaft mit allen Mitgliedern der großen europäischen Familie.

Jetzt versucht man uns schon wieder neue Teilungslinien und Mauern aufzudrängen – wenn auch virtuelle, trotzdem trennende, die unseren gesamten Kontinent teilen. Soll es nun etwa wieder viele Jahre und Jahrzehnte dauern und den Wechsel von einigen Politiker-Generationen, um diese neuen Mauern zu „demontieren“?

(Anm. d. Übers.: Nach dieser ausführlichen Kritik an der Politik der „Global Dominance“ der USA und der Nato-Osterweiterung kam Putin auch zu wirtschaftlichen Themen und Fragen des Freihandels, wobei sich Putin als entschiedener Globalisierungsgegner outete

Zu einem anderen wichtigen Thema, das unmittelbar die globale Sicherheit beeinflusst. Heute reden viele von dem Kampf gegen die Armut. Aber was passiert denn wirklich? Einerseits werden für die Hilfsprogramme zugunsten der ärmsten Länder Finanzmittel zur Verfügung gestellt, und nicht einmal geringe. Aber ganz ehrlich, auch das wissen viele, ist es so, dass sich Unternehmen der Geber-Länder dieses Geld „aneignen“. Zur selben Zeit werden andererseits in den entwickelten Ländern die Subventionen in der Landwirtschaft aufrechterhalten.

Nennen wir die Dinge doch beim Namen: Mit der einen Hand wird „wohltätige Hilfe“ geleistet, aber mit der anderen wird nicht nur die wirtschaftliche Rückständigkeit konserviert, sondern auch noch Profit gescheffelt. Die entstehenden sozialen Spannungen in solchen depressiven Regionen führen unausweichlich zum Anwachsen des Radikalismus und Extremismus, ernähren den Terrorismus und lokale Konflikte. Aber wenn das zudem noch, sagen wir, im Nahen Osten geschieht, wo nach dem Verständnis vieler Menschen die Welt eine ungerechte Welt ist, dann entsteht das Risiko einer globalen Destabilisierung.

Es ist klar, dass die führenden Länder der Erde die Gefahr sehen müssen. Und dementsprechend ein demokratischeres, gerechteres System der wirtschaftlichen Beziehungen in der Welt schaffen müssen – ein System, dass allen die Chance und die Möglichkeit der Entwicklung geben muss.

Zum Abschluss möchte ich Folgendes bemerken: (…) Wir sehen sehr genau, wie sich die Welt verändert hat, schätzen unsere eigenen Möglichkeiten und unser Potenzial realistisch ein. Und natürlich möchten wir gerne mit verantwortungsvollen und ebenfalls selbstständigen Partnern am Aufbau einer gerechten und demokratischen Welt zusammenarbeiten, in der Sicherheit und Wohlstand nicht nur für Auserwählte, sondern für alle gewährleistet ist.

Ende des Zitats aus der Rede

Putin warnte 2007 von kommenden weiteren Kriegen und der Westen und seine Verbündeten sind seit dem direkt oder indirekt in viele weitere Kriege gezogen. Libyen und Syrien sind bekanntesten Beispiele, aber die Bundeswehr ist auch in Mail präsent, wo sie die Franzosen bei einem „Bürgerkrieg“ unterstützt, Saudi-Arabien führt mit Unterstützung der USA einen sehr blutigen Krieg im Jemen, um nur Beispiele zu nennen. Und die meisten dieser Kriege haben eines gemeinsam: sie finden ohne UN-Mandat statt und sind damit völkerrechtswidrig. Genau vor dieser weiteren Aushöhlung des Völkerrechts hat Putin eindringlich gewarnt.

Auch vor dem heute klar sichtbaren Vertrauensverlust in Europa durch die Nato-Osterweiterung und die darauf folgende die Stationierung von Nato-Soldaten in an Russlands Grenzen hat er damals bereits gewarnt. Es war bekanntlich nicht Russland, dass seine Soldaten an die Grenzen von Deutschland, Frankreich oder den USA verlegt hat.

Und als er auch die Wirtschaftspolitik kritisierte, bei der einem Land Wirtschaftshilfen gegeben werden, die aber dann vor Ort westliche „Investoren“ kassieren anstatt regionale Unternehmen, da hat er vor weiterer wirtschaftlicher Destabilisierung der armen Länder gewarnt. Er nannte die Folgen nicht beim Namen, aber heute kennen wir sie: Die Folge sind massive Ströme von Flüchtlingen, die vor Krieg oder vom Westen verursachter Armut und Perspektivlosigkeit nach Europa marschieren.

Die Diskussionsrunde nach der Rede

Nach dieser Rede gab es eine Diskussionsrunde, in der Teilnehmer Fragen stellen konnten, die Putin mitschrieb und auf die Putin anschließend „in einem Rutsch“ geantwortet hat. Hier wurde er in seiner Kritik an der Politik der USA und des Westens noch deutlicher:

„Ich wurde gefragt, ob unsere Regierung in der Frage der Energiesicherheit verantwortungsvoll handelt und die Energiesicherheit garantieren kann. Natürlich! Mehr noch: Alles was wir jetzt auf diesem Gebiet tun, hat nur ein Ziel, nämlich mit unseren Kunden und Transitländern langfristige, transparente und marktgerechte Verträge auszuhandeln. Ich erinnere Sie daran, und mir gegenüber sitzt mein Kollege, der ukrainische Präsident Juschenko, der mir widersprechen kann, falls ich die Unwahrheit sage, dass in den letzten 15 Jahren die Energiesicherheit in Europa davon abhing, dass die Ukraine und Russland sich auf Verträge für den Gastransit einigen. Erst im letzten Jahr haben wir nach schwierigen Verhandlungen einen Kompromiss gefunden. Wenn es keine Einigung gegeben hätte, hätte Europa ohne Gas dagestanden. Finden Sie eine solche Situation gut? Ich denke, nein.“

Aus diesem Grund wurde seinerzeit der Bau der Ostseepipeline Nord Stream beschlossen: um von dieser Gefahr unabhängig zu werden und deshalb wird derzeit auch Nord Stream 2 gebaut.

Weiter sagte Putin:

Beginn des Zitats:

Unsere Einschätzung der Nato-Osterweiterung war eine weitere Frage. Ich habe schon über die Garantien gesprochen, die uns gegeben wurden und die heute nicht eingehalten werden. Finden Sie das etwa normal in der internationalen Politik? Na gut, Gott mit diesen Garantien. Was die Demokratie und die Nato-Ausdehnung angeht: Die Nato ist keine universelle Organisation im Gegensatz zu den Vereinten Nationen, die Nato ist in erster Linie ein militärisch-politischer Block. Und natürlich ist die Sicherstellung der nationalen Sicherheit das Recht eines jeden souveränen Staates. Das bestreiten wir nicht, bitte gern, da haben wir gar nichts dagegen.

Aber wozu muss man die militärische Infrastruktur an unsere Grenzen heranführen? Kann uns darauf jemand antworten? Steht etwa die Verlegung der militärischen Infrastruktur in irgendeinem Zusammenhang mit den heutigen globalen Gefahren?

Sprechen wir über die wichtigste Gefahr unserer Zeit. Welche ist das? Für uns, für die USA, für Europa? Es ist der Terrorismus. Braucht man Russland beim Kampf gegen den Terror? Natürlich. Braucht man Indien beim Kampf gegen den Terror? Natürlich. Aber wir haben keine Nato. Und andere Länder auch nicht. Aber effektiv bekämpfen können wir den Terror nur mit vereinten Kräften.

Darum: Die Verlegung militärischer Infrastruktur und die demokratische Entscheidung einzelner Länder haben nichts miteinander zu tun. Und ich bitte darum, diese Dinge nicht zu verwechseln.

Nächste Frage: Was wird aus dem Kosovo und Serbien? Das wissen nur die Kosovaren und Serben. Und lassen Sie uns nicht für sie entscheiden. Machen wir aus uns nicht den Herrgott um für alle Völker alle ihre Probleme zu lösen und für sie alles zu entscheiden. Wir können gemeinsam für sie nur die Bedingungen schaffen und ihnen helfen, ihre Probleme selbst zu lösen. Wir können Lösungen vorschlagen, uns als Garanten von Vereinbarungen anbieten, aber wir können ihnen keine Lösungen aufzwingen. Wenn sich einer der Beteiligten in diesem sehr schwierigen Prozess erniedrigt oder ungerecht behandelt fühlt, dann wird sich das noch Jahrhunderte hinziehen. Wir würden die Situation in eine Sackgasse führen.

Was also ist unsere Position? Unsere Position ist, dass wir uns genau an diese Prinzipien halten. Und wenn wir sehen, dass eine der beteiligten Seiten mit der vorgeschlagenen Lösung nicht einverstanden ist, werden wir diese Lösung nicht unterstützen.

Ich habe nicht ganz verstanden, was Sie meinten, als Sie nach den Erfahrungen unseres Militärs in Tschetschenien fragten. Also die Erfahrungen sind wenig angenehm, aber wir haben viel Erfahrung gesammelt.

Wenn Sie die heutige Situation in Tschetschenien interessiert, dann kann ich Ihnen sagen, dass ein Parlament und ein Präsident gewählt sind, dass die Regierung arbeitet und dass die meisten Behörden wieder funktionieren. An der Arbeit in der Republik sind praktisch alle politischen Kräfte Tschetscheniens beteiligt. Als Beispiel kann ich Ihnen sagen, dass im heutigen Parlament der ehemalige Verteidigungsminister der Maskhadov-Regierung (ehemalige anti-russische Islamisten-Regierung, Anm. d. Verf.) als Abgeordneter sitzt. Und wir haben eine Reihe von Entscheidungen getroffen, die es ehemaligen Rebellen ermöglichen, nicht nur in ihr normales Leben zurückzukehren, sondern auch in das politische Leben der Republik. Wir ziehen es vor, dort heute politisch und wirtschaftlich zu handeln und haben die Sicherheit wieder fast vollständig in die Hände des tschetschenischen Volkes gelegt. Die Ordnungshüter setzen sich ausschließlich aus Tschetschenen zusammen, aus Menschen, die dort leben.

Ende des Zitats

Über die Frage, wie es Russland gelang, Tschetschenien nach dem langen und blutigen Krieg wieder zu befrieden, habe ich in dem Buch ausführlich geschrieben. Es gab ein großangelegtes wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm und eine sehr breit angelegte Amnestie, um ehemalige Regierungsgegner dazu zu bringen, ihre Waffen niederzulegen und sich am Wiederaufbau zu beteiligen.

Weiter sagte Putin:

Beginn des Zitats:

Nächste Frage: Die USA entwickeln keine strategischen Waffen, aber Russland tut das? Eine hervorragende Frage, dafür bin ich wirklich dankbar. Das gibt mir die Möglichkeit, den Kern Entwicklungen aufzuzeigen.

Wem verdanken wir, dass es im Kalten Krieg zwar den Gegensatz zwischen den Supermächten gab, aber es zu keinem Krieg zwischen den Supermächten und politischen Systemen gekommen ist? Wir verdanken das dem Gleichgewicht der Kräfte zwischen den beiden Supermächten. Es gab dieses Gleichgewicht und die Angst vor der gegenseitigen Vernichtung. Und jede Seite fürchtete sich, einen Schritt zu machen, ohne die andere Seite zu informieren. Das war natürlich eine zerbrechliche und angsteinflößende Welt. Aber es war recht sicher, wie wir heute wissen. Heute ist das nicht mehr so.

Ja, die USA entwickeln angeblich keine Angriffswaffen, zumindest weiß die Öffentlichkeit davon nichts, obwohl sie bestimmt etwas entwickeln. Wir wollen jetzt auch gar nicht danach fragen, wir wissen, dass die Entwicklungen laufen. Aber wir tun jetzt mal so, als wüssten wir das gar nicht. Sie entwickeln also nichts.

Aber was wissen wir? Wir wissen, dass in den USA aktiv ein Raketenabwehrsystem entwickelt und es teilweise schon eingeführt wird. Ja, heute ist es noch nicht effektiv und wir wissen nicht, ob es überhaupt je effektiv funktionieren wird. Aber theoretisch wird es ja geschaffen, um irgendwann effektiv zu funktionieren.

Also gehen wir rein hypothetisch davon aus, dass es irgendwann funktionieren wird und dann kommt der Moment, wenn die Bedrohung durch unsere Atomwaffen vollständig neutralisiert sein wird. Also durch die heutigen Atomwaffen Russlands. Und wenn das passiert, bedeutet das, dass das Gleichgewicht der Kräfte komplett gestört ist und dass eine der beiden Seiten ein Gefühl von völliger Sicherheit hat. Das wiederum bedeutet, dass sie dann freie Hand nicht nur in lokalen Konflikten hat, sondern auch möglicherweise in globalen Konflikten.

Wir diskutieren hier ja nur, ich will niemandem irgendeine Aggression unterstellen. Aber das System der Beziehungen ist wie Mathematik, da zählen persönliche Gefühle nicht. Und wir müssen irgendwie reagieren.

Wie? Entweder wir machen es wie Sie und bauen ein Multi-Milliarden teures Raketenabwehrsystem oder wir reagieren im Hinblick auf unsere wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten asymmetrisch. Damit alle dann verstehen: Ja, die USA haben ein Raketenabwehrsystem, aber in Bezug auf Russland ist es sinnlos, weil wir dann solche Waffen haben, die ihm mit Leichtigkeit ausweichen können. Und den Weg gehen wir, das ist billiger für uns.

Aber das ist auf keinen gegen Fall gegen die USA gerichtet. Ich bin vollkommen Ihrer Meinung: Wenn Ihr Raketenabwehrsystem nicht gegen uns gerichtet ist, dann sind unsere neuen Waffen auch nicht gegen Sie gerichtet.

Ende des Zitats

Diese Situation haben wir heute, Russland 2018 seine Hyperschallraketen vorgestellt, die in der Lage sind, der amerikanischen Raketenabwehr auszuweichen.

Weiter sagte Putin:

Beginn des Zitats

Zu den Nichtregierungsorganisationen. Ja, wir haben neue Regeln für ihre Registrierung eingeführt, die sich aber kaum von dem unterscheiden, was es in anderen Ländern gibt. Wir haben niemandem die Registrierung verwehrt. Es gibt noch zwei oder drei Fälle, wo es Probleme mit Formalitäten gibt und die betroffenen Organisationen arbeiten an kleinen Änderungen ihrer Satzung und so weiter. Aber im Kern haben wir niemandem die Registrierung verweigert, sie arbeiten alle und werden weiter arbeiten.

Was macht uns Sorgen? Das kann ich sagen und ich denke, es wird für alle verständlich sein. Wenn Nichtregierungsorganisationen von Regierungen finanziert werden, dann sehen wir in ihnen ein Instrument anderer Staaten, Politik in unserem Land zu machen. Das ist das eine, das andere ist, dass es in allen Ländern bestimmte Regeln zum Beispiel für die Wahlkampffinanzierung gibt. Und durch Nichtregierungsorganisationen, die von anderen Regierungen finanziert werden, läuft auch die Finanzierung von Wahlkämpfen.

Was soll das? Ist das normal für eine Demokratie, oder wie? Das ist eine vor der Gesellschaft verdeckte Finanzierung. Was ist daran demokratisch? Können Sie mir das sagen? Nein. Können Sie nicht, weil das keine Demokratie ist.

Das ist der Einfluss eines Staates auf die Politik eines anderen Staates. Wir sind aber interessiert an der Entwicklung unserer Zivilgesellschaft, die die Regierung beschimpft, kritisiert und ihr hilft, die eigenen Fehler zu erkennen und ihre Politik im Interesse der Menschen zu korrigieren. Daran sind wir interessiert und wir werden die Zivilgesellschaft und die Nichtregierungsorganisationen dabei unterstützen.

Ende des Zitats

Interessant ist, dass ausgerechnet die USA als das Land, das sich jegliche Einmischung in seine Wahlen und Politik strikt verbittet, sich beschwert, wenn andere Länder auch nur den Versuch machen, ihre Politik vor äußeren Einflüssen abzuschirmen.

Hinzu kommt, dass das Gesetz über die Registrierung von Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Russland letztlich eine Kopie des Foreign Agents Registration Act (FARA) ist, eines Gesetzes also, dass die USA schon 1938 eingeführt haben und dass die politische Tätigkeit ausländischer Personen oder Organisationen in den USA stark behindert. Auch dazu werden wir später noch einiges mehr lesen.

www.anti-spiegel.ru

Unsere Webseite verwendet für die optimale Funktion Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.