Liebe Genossen und Freunde,  

nachfolgend möchte ich Euch einen „Leserbrief“ zur Kenntnis bringen, den uns ein ehemaliger Angehöriger des AR-1 geschickt hat.
Weil er auf ihn Bezug genommen hat, habe ich Sebald Daum gefragt, ob er vielleicht auf den „Leserbrief“ antworten möchte.
Die Antwort ist auch hier zu lesen.
Vielleich bieten beide Beiträge die Möglichkeit, sich hier oder auch auf der Face-Book-Seite über diese oder ähnliche Befindlichkeiten auszutauschen.
Ansonsten an alle Mitglieder des Verbandes, an unsere Freunde und an alle ehemaligen Angehörigen der NVA und der Grenztruppen sowie der anderen bewaffneten Organe

Frohe Weihnachten und ein gesundes Neues Jahr

Siegfried Eichner

 

Hallo,
mal ein paar Gedanken von einem gedienten Soldaten der NVA.
Freiwillig war ich nicht in der NVA, ich habe meinen Pflichtdienst abgeleistet.
Die Zeit in der NVA möchte ich nicht wiederholen, möchte sie aber auch nicht missen. Mir wurde einiges mitgegeben was bis heute nachhaltig ist. Sei es z.B. Ordnung im Schrank, Durchhalten, saubere Schuhe, Kameradschaft etc.
Was mir gar nicht gefallen hat war die Anrede „Genosse“, das war ich nicht, wollte es nicht werden, wurde es auch nie. Man musste es so hinnehmen, eine andere Möglichkeit gab es ja nicht. Oder man hätte total ausbrechen müssen.
Ich lese hier als Ex-interessierter NVA-Gefreiter immer mal mit. Was mir gar nicht gefällt und was mich auch hindert mich evtl. einzubringen ist das ständige „Genosse“.
Über 30 Jahre gibt es die NVA nicht mehr. Und nur durch das Zusammentun ehemaliger höherer Angehörigen der NVA, wird sich in Zukunft die Erinnerung nicht halten lassen.
Dass sich da hier Leute mit nach wie vor sozialistischem Gedankengut tummeln ergibt sich aus der Personengruppe!
Die NVA bestand aber zum größten Teil aus Soldaten, die wie ich unfreiwillig zum „Genossen“ wurden. Und wenn man diese erreichen will, muss man eigentlich auch, sollte aufgehört werden mit dem ewigen „Genosse“. Diese Zeit ist doch schon lange abgelaufen, abgelaufen weil es auch das ehemalige NVA-Volk es so wollte.
Auf ein Feedback würde ich mich freuen, eine Politschulung können Sie sich aber ersparen.
Den Herrn Daum vom Verband habe ich einmal in Erfurt kennen lernen dürfen, mein Eindruck-für einen EX-General ganz vernünftig, bis auf das Genosse!
Sie können ja den Artikel zur Diskussion auf ihren Seiten einstellen, mein o.k. dazu haben Sie!

Frohe Weihnachten, ein guter Rutsch und bleiben Sie - oder werden wieder gesund!

Beste Grüße aus Erfurt 
EX Gefr. AR-1

 

Sehr geehrter Herr Ex- Gefreiter, oder Gefreiter a.D., dem Erfurter aus dem AR-1,

Ihr an unseren Verband gerichtetes Schreiben und Ihre Gedanken zum Problem „Ge­nos­se(en)“ wurde auch mir, als Mitglied des Ältestenrates unseres Verbandes übermittelt und ich möchte gerne Ihnen auch antworten.
Natürlich freue ich mich, dass sie den Dienst in der NVA nicht vergessen haben und sich auch an vieles Positives erinnern, auch wenn Sie, wie Sie schreiben nicht freiwillig dienten und es nicht wiederholen möchten, was ich ja voll verstehe. Auch ich hatte als 18/19-jähriger junger Mensch nicht die Absicht in der Armee (damals noch KVP) zu dienen, ich wollte als ausgelernter Bäckergeselle und Bauernsohn Berufsschullehrer werden. Es kam halt anders, sozusagen mit der „Einsicht in eine Notwendigkeit“ ging ich zur KVP. Ich hatte als Kind den Krieg erlebt und als heranwachsender Jugendlicher dessen Folgen als Flüchtling. Das wird Sie sicher weniger interessieren, nur möchte ich es einflechten, weil ich heute schon wieder zu viel Kriegsgejubel höre. Aber ich möchte nicht abweichen, eh Sie es mir vielleicht als Politschulung verargen. 
Ich hab Verständnis für ihre Überlegungen zu der Frage „Genosse“ in der NVA, nur sehe ich das ein wenig anders. Das Wort Genosse hat seinen Ursprung im Altdeutschen, schon bei den Germanen mit dem Wort „ginoz“ und bedeutete eigentlich so viel wie Kamerad, Gefährte, Freund, Kumpel, auch Bruder, mit dem man etwas an Besitz teilte, man die gleichen Interessen hatte, gemeinsame Erfahrung machte und gleich handelte.
Im Verlaufe der Zeit, mit Entstehen der SPD in Deutschland unter August Bebel und Wilhelm Liebknecht hat die damalige Partei dieses Wort „Genosse“ zu ihrem Ansprechen in der Partei verwendet, was dann später in vielen anderen linken Parteien benutzt wurde, bis heute.
Das Wort „Genosse“ ist also nicht synonym für eine Partei, wie z.B. der damaligen SED zu verstehen. Es hat als erste Bedeutung eine allgemeine Aussage zum allgemeinen Zusammengehören.
In vielen Ländern der Welt wird diese Wort „Genosse“ ja als allgemeine Ansprache benutzt, wie in Spanien und vielen Lateinamerikanischen Ländern als „campanero“, in Holland als „genoot“, in Schweden und anderen als „kamerat“ oder „Kamerad“, in Russland und in ihrer Armee als „Tovarisc“, usw.
Unter diesem Gesichtspunkt wurde dann auch in der KVP und später in der NVA diese allgemeine Ansprache „Genosse“ gewählt, wie Sie in allen Armeen der sozialistischen Staaten üblich war. Vor dem hatte man sich auch als „Kamerad“ angesprochen, was ja die gleiche Bedeutung hatte. Als man 1990, unter dem neuen Minister Eppelmann in der NVA die Anrede „Herr“ einführte, hat mich das wiederum abgestoßen, möglicherweise unter dem gleichen Gesichtspunkt wie bei Ihnen, denn ich verband mit dem Wort „Herr“ in der Armee auch den Gedanken: „wo Herren sind, sind auch Knechte“. Das hatte ich erlebt und wollte es nicht mehr. Natürlich weiß ich, dass hier meine Gedanken politisch hinterlegt sind, denn die Anrede „Herr“ ist nun mal in Deutschland die übliche Anrede für einen Mann. Wenn man also die Anrede „Genosse“ bei uns in der NVA nur in einem politischen Zusammenhang sieht, d.h. mit einer Partei in Zusammenhang bringt, dann kommt man zu solchen Schlussfolgerungen, wie Sie es schreiben.
Das war aber nicht der Sinn der Anrede bei uns in der NVA, sondern der in seiner ersten Bedeutung, als Synonym für Kamerad, Kampfgefährte usw. Da wir im „Verband zur Pflege der Traditionen der NVA und der Grenztruppen der DDR“ unsere Traditionen pflegen, haben wir deshalb auch diese Anrede bei uns übernommen, nicht als Partei, sondern als Soldaten.
Ich kenne ihren Namen nicht, weiß nicht was sie heute arbeiten, vielleicht sind sie Rentner wie ich, dass spielt auch keine Rolle, entscheidend ist das man bereit ist mit einander zu reden, auch einen „dialogo“, also ein Streitgespräch, miteinander zu führen.

Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles erdenklich Gute, Glück und Zufriedenheit und schauen Sie weiter bei uns rein.
Nebenbei gesagt gibt es in Erfurt eine sehr aktive Regionalgruppe, da kann man auch miteinander reden. Zu erreichen über: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Vielleicht hab ich Ihr Interesse geweckt.
Mit den besten Grüßen zum Fest und ein friedliches Neues Jahr wünscht Ihnen

Sebald Daum
Generalmajor a.D.

 

Zum Leserbrief des Ex-Gefreiten des AR 1 und der Erwiderung durch Generalmajor Sebald Daum möchte ich mich wie folgt äußern.

Ich kann den Ex-Gefreiten hinsichtlich seiner Verneinung der Anrede „Genosse“ in der NVA beipflichten.
Die Anrede „Genosse“ steht auch nach meinem Dafürhalten für ein Verhältnis unter unbedingt Gleichgesinnten. Das waren wir in der Masse der NVA Angehörigen zweifellos nicht. Soldaten/Gefreite und auch die Mehrheit der Unteroffiziere (UaZ) sind zweifellos nicht freiwillig zur NVA gegangen. Wenn es denn so gewesen wäre, hätte es keiner allgemeinen Wehrpflicht bedurft. Ich behaupte, dass uns von vielen Offizieren/Berufsunteroffizieren, die hier ihren Beruf ausübten, Welten trennten. Allerdings ist es jedem gegeben aus einer Situation das Beste zu machen. Da ich nicht der letzte im Glied sein wollte und auch die Absicht hatte zu studieren, habe ich mich 1981 für drei Jahre als Unteroffizier auf Zeit verpflichtet. Ich war, um auch konkret zu werden von 1981-1984, ohne eine Unteroffizierschule zu besucht zu haben, Kochgruppenführer/Wirtschaftsgruppenführer im MSR 28 in Rostock. Meine damaligen Beweggründe und meine Zeit dort habe ich ausführlich und auch, so denke ich, authentisch in meinem 2020 erschienen Buch „Drei Jahre gedient“ geschildert. Es war keine Zeit des „Zuckerschleckens“. Und trotzdem blicke ich nicht zurück im Zorn.
Die Anrede Genosse war unter den meisten Soldaten und Unteroffizieren verpönt und wurde nach meiner Auffassung grundsätzlich immer im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in der SED und der Bejahung des Sozialismus gesehen. Also politisch. Politisch wollten wir hier aber nicht sein. Wir haben uns daher untereinander mit Vornamen und nur wenn es dienstlich unumgänglich war mit dem Dienstgrad und dem Nachnamen angesprochen. Auf unsern Dienstgrad Unteroffizier waren wir zweifellos stolz, denn mit diesem haben wir uns von der Masse der Soldaten abgehoben. Im Grunde genommen waren wir Unteroffiziere auf Zeit nur etwas besser gestellte Soldaten hinsichtlich Urlaub, Ausgang, Besoldung.
Auf eine Besonderheit in unserm Mot.-Schützenregiment möchte aufmerksam machen. Es gab bei uns eine Reihe von dreijährigen Unteroffizieren, die in Ermangelung von Personal eine Berufsunteroffiziersplanstelle einnahmen. Frühestens ab dem 5., spätestens ab dem 6. Diensthalbjahr, so meine Erinnerung, konnten sie den Dienstgrad eines Unterfeldwebels erlangen. Nur besondere Unteroffiziere mit Bestleistungen konnten eine solche Dienststellung einnehmen. Ich habe zu diesen Ufw. aufgesehen, da sie kompetent waren. Nie im Leben hätte ich sie mit Genosse Unterfeldwebel angesprochen. Das waren für mich, um auch Beispiele zu nennen, Unterfeldwebel Theophil - Sanitäter, Unterfeldwebel Marufke - Zugführer Krad Regulierer, Unterfeldwebel Sternhagen - Lagerverwalter Verpflegung.
Unter uns Unteroffizieren in meinem unmittelbaren Umfeld, so kann ich sagen, galt ein kameradschaftliches Verhältnis, ähnlich einer Schicksalsgemeinschaft. Wir haben uns daher als gute Kameraden und nicht als Genossen verstanden. Ich selbst finde, dass das Wort Genosse eher in den Bereichen der Politik/Parteien (SPD/Linke) angebracht ist. Mich stört es aber auch nicht im Zusammenhang mit unserem Verband. Denn es ist Teil der Zeit für die dieser Verband steht. Über die Anrede „Herr“ kann man streiten. Bezogen auf einen Offizier/General halte ich sie nicht für unangebracht. Auch die Anrede „Kamerad“ halte ich, wo es angebracht ist, für legitim. Anmerken möchte ich zum Schluss, dass es mich doch etwas verwundert hat, dass uns der Ex-Gfr. seinen Namen unterschlagen hat. Wovor hat er Angst? Ross und Reiter sollten immer genannt werden.

Roland Block
Feldwebel a. D. der NVA

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