Nachhilfeunterricht aus Österreich
für den amtierenden Bundespräidenten der BRD

Major a.D. Hans-Olaf Böttcher

In meinem Freundeskreis habe ich viele Bekannte, die Bürger der Republik Österreich sind. Mit ihnen habe ich mich auch über den 75. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über den Faschismus ausgetauscht. Dabei hat mich vor allem interessiert, wie wurde dieses bedeutsame Ereignis in der Republik Österreich begangen? Die nachfolgenden Ausführungen sind die Quintessenz vieler Gespräche.

Mit Verwunderung und auch Kopfschütteln haben so manche Österreicher die Ansprache des amtierenden Bundespräsidenten der BRD zum 75. Jahrestag der Befreiung vom nationalsozialistischen Regime in Deutschland vernommen. Aber vielleicht hat ja der amtierende Bundespräsident der BRD rein zufällig und auch aus Versehen heraus eine Seite überblättert und darauf vergessen, dass es die Rote Armee war, die maßgeblich an der Befreiung Deutschlands vom Naziregime beteiligt gewesen ist. Mit mehr als 26 Millionen Toten als „Kollateralschaden“, so würde man dies heutzutage politisch korrekt ausdrücken. Als Krönung einer pervertierenden Geschichte fehlte ja nur noch, dass man seitens der Politik und ihrer gesteuerten Manipulationsmedien das berühmte Foto mit dem Hissen der Roten Fahne am Berliner Reichstag als „Fake“ darstellt.

In einem freien, souveränen und neutralen Österreich geht man gerade bezüglich dieses Abschnittes der Geschichte behutsamer und auch entspannter um. Obwohl der aus dem Ausland und von verschieden Bünden und Bündnissen her stammende Druck da auch kontinuierlich immer stärker wird, diesen Abschnitt der Geschichte umzuschreiben, zu banalisieren oder überhaupt totzuschweigen. Nunmehr ein kleiner Nachhilfeunterricht an den momentan amtierenden und verehrten Herrn Bundespräsidenten der BRD, was hierzulande in den ersten Monaten des Jahres 1945 geschah:

Österreich war, und das sei hier auch einmal klar gesagt, seit dem 12. März 1938 ein besetztes Land, auch wenn dieses Faktum viele selbsternannte Experten und Historiker heute zu gerne umschreiben und leugnen möchten. Es jubelten nicht alle über die Besatzung und über das menschenverachtende Terrorregime des Nationalsozialismus. Viele Österreicher mussten für Ihre Heimat und Wiedererlangung der Souveränität unschuldig und auf grausame Weise ihr Leben lassen. Umso mehr sehnte sich die kriegsgeschüttelte Bevölkerung nach Wiedererlangung von Frieden, Freiheit und Souveränität. Die Realität sah aber leider anders aus: In den letzten Kriegswochen „beglückten“ die Westalliierten die größeren österreichischen Städte und hier vor allem Wien mit ihrem ebenso menschenverachtenden Bombenterror, worunter vor allem die Zivilbevölkerung unnötigerweise sehr litt. War es nicht schon genug mit Erniedrigung und Demütigung? Nein!  Am 12. März 1945 „verwechselte“ ein Bomber der Westalliierten „zufälligerweise“ das Dach des Wiener Südbahnhofes mit dem der Wiener Staatsoper und begann mit dem Bombardement dieser. Die Wiener Staatsoper war nicht nur für die Wiener Bevölkerung immer ein Zeichen der kulturellen und historischen Souveränität unseres Landes, sondern auch eines der Wahrzeichen Österreichs. Nun brannte die Oper lichterloh. Das Orchester, die Sänger, Künstler und Mitarbeiter mussten hilflos und weinend mitansehen, wie ihr kulturelles und eines der nationalen Wahrzeichen in Flammen aufging. Man hatte den Wienern und Österreichern damit tief ins Herz getroffen. Mancher Wiener Augenzeuge erinnert sich heute noch mit ernster Miene und knurrend an diesen „befreienden Event“.

Das gab es von sowjetischer Seite her von Anfang an ein komplett anderes Verständnis: Jozef Stalin war daran interessiert, vor allem in kultureller und geistiger Hinsicht die Souveränität Österreichs als eigene Kultur-Nation sofort wieder herzustellen. Kultur galt als stabilisierendes Mittel für die österreichische Identität, an deren Formung im Zuge der Eigenstaatlichkeit Österreichs dieser sehr interessiert war. Kurz vor Wien angelangt befahl der Kommandierende der Roten Armee, die historischen Monumente und Kulturdenkmäler in und rund um Wien bei der Inbesitznahme und Befreiung zu schonen. Somit ist es ein erwiesenes Faktum, dass das Stift Klosterneuburg, nördlich an Wien angrenzend, wo die ersten österreichischen Herzöge aus dem Geschlecht der Babenberger begraben liegen, in keinster Weise bekämpft oder beschossen werden sollte. Obwohl dieses vor den Toren Wiens zu einem taktisch sehr wichtigen Geländepunkt zählte. Dank der Roten Armee war eines der zentralen Kulturgüter Österreichs von der „Befreiung“ durch die Westalliierten durch unnötigen Bombenterror von oben her verschont geblieben. Ebenso die gleichen Fakten auch in Wien: Die Rote Armee befreite Wien von Haus zu Haus, auch in Bedacht auf bestmöglichste Schonung von Kulturgut und Zivilbevölkerung. Somit hatte die Rote Armee nachweislich die meisten Gefallenen im Gegensatz zu den Westalliierten bei der Befreiung Wiens zu beklagen.  Als am 13. April 1945, noch Wochen vor Kapitulation von Nazi-Deutschland, Wien durch die Rote Armee unter Marschall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin mit der operierenden 3. Ukrainischen Front befreit wurde, forderten die sowjetischen Offiziere sofort die Wiederaufnahme des österreichischen Kulturbetriebes, und dies galt als eines der ersten markanten Befehle der Sowjets, die in unsere Geschichte einging.  Dies war für die Bevölkerung, als auch für die zahlreichen Musiker, Sänger und Künstler  von enormer Wichtigkeit. Man hatte am Horizont wieder die Hoffnung auf ein freies und souveränes Österreich als eigene Kultur-Nation. Der erste Unterrichts- und Kulturminister war der Schriftsteller Ernst Fischer, der als Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) in die provisorische Einheitsregierung Dr. Karl Renners eintrat. Fischer, der im April 1945 aus dem Moskauer Exil zurückkehrte, wo er die Zeit seit 1934 verbracht hatte, lag in vielen Aspekten ganz auf der kulturpolitischen Linie der Sowjets. An der Wiener Volksoper nahm das mittlerweile heimatlos gewordene Ensemble der Wiener Staatsoper trotz der letzten Kriegswirren den Spielbetrieb wieder auf. Bereits am 1. Mai 1945 fand die Aufführung von Mozarts »La nozze di Figaro« statt. Es dauerte noch 10 Jahre, bis die Wiener Staatsoper ihre Pforten wieder öffnete.

Auch erinnert man sich heute noch daran, dass es die Sowjets unter Marshall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin im Auftrag von Jozef Stalin waren, die bereits am 27. April 1945 die erste provisorische österreichische Einheitsregierung unter dem provisorischen Staatskanzler Dr. Karl Renner bis zu den ersten freien Wahlen anerkannten. Als wichtigste Aufgabe hatte Marschall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin und die Sowjets dem provisorischen Kabinett die Vorbereitung bundesweiter Wahlen anbefohlen. Dieser Vorschlag wurde aber anfänglich von den Westalliierten, und hier insbesondere von den Briten massiv blockiert, sodass die ersten freien Wahlen erst am 25. November 1945 stattfinden konnten. Als Zeichen für die Freundschaft beider Länder und Symbol für den Neustart der provisorischen Regierung schenkten die Sowjets Staatskanzler Dr. Karl Renner ein funktionierendes Automobil. Es waren auch die Sowjets, die das österreichische Parlament an der Wiener Ringstraße in Windeseile wieder aufbauten. Dieser Aktionismus seitens der Sowjets wurde aber von den Westalliierten sehr missmutig zur Kenntnis genommen. Nach diesen historisch er- und bewiesenen Fakten sollte man sich zu Recht fragen, wer von den Alliierten Besatzungsmächten in Österreich damals an einem größeren Demokratiedefizit litt.

Als krönenden Abschluss der Souveränität und Unabhängigkeit erlangten wir dann nach Verhandlungen mit allen Alliierten Besatzungsmächten den für uns ersehnten Staatsvertrag, der am 15. Mai 1955 feierlich im Schloss Belvedere unterzeichnet wurde. Österreich ist seit damals ein freies, souveränes und neutrales Land. Mit eigener Verfassung und dem Status der selbstgewählten Neutralität, welche bis heute für den Großteil der österreichischen Bevölkerung ein wichtiges Anliegen ist und auch bleiben wird. Damit da auch die Geschichte nicht umgeschrieben oder manipuliert werden kann, liegt das Originaldokument unseres Staatsvertrages in guten Händen, nämlich in einem der großen Moskauer Archive. Wer weiß was damit passiert wäre, läge dieser heute hier in Original auf. Durch massiven Druck von außen versuchte man Österreich immer wieder als Vollmitglied in die NATO zu drängen. Dies scheiterte das letzte Mal daran, als sich im Jahr 2013 mehr als 60% der österreichischen Bevölkerung bei einer Volksbefragung gegen die Einführung einer  Berufsarmee und für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht aussprach. Somit rückte auch dieses Thema wieder in weitere Ferne. Doch auch hier müssen wir weiterhin wachsam und kritisch sein.

Der 75. Jahrestag zur Befreiung Österreichs vom  nationalsozialistischen Terrorregime verlief dieses Jahr aufgrund der COVID-19-Lage sehr beschaulich und ruhig, aber würdig. Da war der amtierender Herr Bundespräsident, der laut unserer Verfassung von der österreichischen Bevölkerung direkt gewählt wird, ein leuchtendes Beispiel. Dr. Alexander van der Bellen würdigte ALLE, die zur Befreiung unseres Landes und Wiens beitrugen. Der Respekt und Dank galt seinerseits nicht nur den U.S.A, Großbritannien und Frankreich, sondern auch der Russischen Föderation, welche ebenso Vertreter zu diesen beschaulichen Feierlichkeiten entsandte. Als Zeichen und Dank an die Rote Armee wurde am sowjetischen Siegesdenkmal am Schwarzenbergplatz in Wien durch die Anwesenheit der österreichischen Politik auch ein Kranz niedergelegt. Im Übrigen, das einzige sowjetische Siegesdenkmal in der westlichen Hemisphäre, das von der Republik Österreich gepflegt und erhalten wird und nie geschändet oder gar beseitigt worden ist.

Der amtierender Herr Bundespräsident, man möge zu ihm politisch stehen wie man will, hat dabei staatsmännische Würde und auch politische Unabhängigkeit bewiesen. In Zeiten wie diesen sicherlich nicht leicht für das Staatsoberhaupt, wo die Keule der politischen Korrektheit und einseitigen medialen Manipulation immer über uns allen schwebt. Möge der Herr Bundespräsident Dr. Alexander van der Bellen ein leuchtendes und aktives Beispiel und für den amtierenden Bundespräsidenten der BRD sein, was Würde, politische Unabhängigkeit und Objektivismus betreffen. Gerade zu diesem sensiblen Thema sei dies angebracht!

 Soweit die Meinung meiner österreichischen Freunde!

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