"Haben Russland, China und der Iran auf der Moskauer Sicherheitskonferenz beschlossen, gemeinsam den Expansionsdrang der USA und der NATO zu stoppen?" fragt der geopolitische Analyst Mahdi Darius Nazemroaya.

Friedenspolitische Mitteilungen aus
der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein
LP 091/15 – 01.05.15



Haben Russland, China und der Iran in Moskau mit dem Aufbau einer Koalition gegen die NATO begonnen?

Von Mahdi Darius Nazemroaya • Global Research, 23.04.15 • (www.globalresearch.ca)

Von der (vom 15. bis 17. April abgehaltenen) Moskauer Konferenz zur Internationalen Sicherheit (s. http://eng.mil.ru/en/mcis/program.htm ) ging die Warnung aus, dass andere Weltmächte dem Treiben der USA und der NATO nicht mehr tatenlos zusehen werden.

Neben Gesprächen über gemeinsame Maßnahmen Chinas, Indiens, Russlands und des Irans gegen die andauernde NATO-Expansion wurden auch Dreiergespräche zwischen Peking, Moskau und Teheran über eine engere militärische Zusammenarbeit geführt, die fortgesetzt werden sollen.

Verteidigungsminister und Militärs aus aller Welt haben sich am 16. April in dem bekannten Radisson Royal Hotel in Moskau getroffen, das früher einmal Hotel Ukraina hieß, ein herausragendes Beispiel sowjetischer Architektur zur Zeit Stalins ist und zu den "Sieben Schwestern" (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Schwestern_Moskau) gehört. Die vom russischen Verteidigungsministerium veranstaltete zweitägige Zusammenkunft war die vierte der Moskauer Konferenzen für Internationale Sicherheit / MCIS, zu denen jährlich einmal eingeladen wird.

Zivile und militärische Vertreter aus mehr als siebzig Staaten, auch aus NATO-Staaten, waren der Einladung gefolgt - darunter 15 Verteidigungsminister, von denen nur der griechische aus einem NATO-Land kam.

Anders als in früheren Jahren hat die Ukraine an der MCIS 2015 nicht teilgenommen. Der stellvertretende russische Verteidigungsminister Anatoli Antonow erklärte dazu: "Weil wir die Konferenz nicht mit dem Meinungsstreit über die Krise in der Ostukraine belasten wollten, haben wir uns entschieden, unsere ukrainischen Kollegen diesmal nicht einzuladen."
Aus persönlichem Interesse verfolge ich diese Art Konferenzen seit Jahren, weil dort häufig wichtige Erklärungen zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik abgegeben werden. In diesem Jahr habe ich die Moskauer Sicherheitskonferenz mit großer Spannung erwartet, weil sie in einer Zeit stattfand, in der sich die geopolitische Landschaft auf unserem Erdball gerade sehr schnell verändert. Mein Interesse an den Ergebnissen der Konferenz war auch deshalb besonders groß, weil die russische Botschaft in Kanada 2014 bei mir angefragt hat, ob ich an der 4. MCIS teilnehmen wolle.

 

In Moskau ging es nicht nur um "transatlantische Sicherheitsprobleme"

Die Moskauer Konferenz ist das russische Gegenstück zur Münchener Sicherheitskonferenz, die im Hotel Bayerischer Hof in Deutschland stattfindet. Zwischen den beiden Konferenzen gibt es jedoch große Unterschiede.

Während sich die Münchener Sicherheitskonferenz vorwiegend mit der Sicherheit der USA und der Europäischen Union befasst und die globale Sicherheit nur aus der "transatlantischen" Sicht der NATO betrachtet, sieht die MCIS das Sicherheitsproblem aus einer viel breiteren globalen Perspektive. Sie befasst sich mit dem Sicherheitsbedürfnis der Staaten, die nicht zur NATO gehören, besonders der Staaten im Mittleren Osten und im asiatisch-pazifischen Raum - von Argentinien über Indien und Vietnam bis nach Ägypten und Südafrika. In der Konferenz im Hotel Ukraina kamen Vertreter vieler großer und kleiner Staaten zu Wort, deren Ansichten und Sicherheitsbedürfnisse von den Repräsentanten der USA in München weitgehend ignoriert werden.

Sergei Schoigu (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Sergei_Kuschugetowitsch_Schoigu ), der russische Verteidigungsminister und Offizier, dessen Rang dem eines Viersternegenerals in den meisten NATO-Ländern entspricht, eröffnete die Konferenz. Neben ihm saßen weitere hochrangige Vertreter Russlands - darunter auch der russische Außenminister Sergej Lawrow, der eine sehr wichtige Rede hielt (s. http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP09015_290415.pdf ). Alle kritisierten den Kriegskurs Washingtons und von den USA angezettelte "bunte Revolutionen" wie den Euro-Maidan in der Ukraine und die Rosenrevolution in Georgien (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Rosenrevolution ), in denen es nur darum ging, Regimewechsel herbeizuführen. Schoigu wies auch darauf hin, dass in Venezuela und in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong bunte Revolutionen gescheitert sind.

Außenminister Lawrow warnte die Anwesenden vor einem gefährlichen Weltkonflikt, der drohe, weil die USA und die NATO die Sicherheitsbedürfnisse anderer Staaten missachteten und einen konstruktiven Dialog verweigerten. In seiner Rede zitierte Lawrow den US-Präsidenten Franklin Roosevelt, der im Rückblick auf den Zweiten Weltkrieg einmal gesagt habe: "Es kann keinen Mittelweg geben. Wenn wir uns nicht für die Zusammenarbeit aller Staaten der Welt einsetzen, sind wir für einen weiteren Weltkonflikt verantwortlich. Eine der wichtigsten Lehren aus dem verheerendsten Konflikt der Weltgeschichte lautet: Der Frieden kann nur gemeinsam gesichert werden, und dazu ist es notwendig, die legitimen Interessen aller Partner zu respektieren."

Schoigu hatte mehr als zehn bilaterale Treffen mit verschiedenen Verteidigungsministern und Militärs, die an der MCIS in Moskau teilnahmen. In einem Gespräch mit dem serbischen Verteidigungsminister Bratislav Gasic sagte er, Moskau betrachte Belgrad als zuverlässigen militärischen Kooperationspartner.

 

Eine russisch-chinesisch-iranische Koalition - der Albtraum Washingtons!

Auch der Mythos, Russland sei international isoliert, wurde während der Konferenz durch wichtige Ankündigungen widerlegt.

Imanghali Tasmaghambetow (s. http://de.wikipedia.org/wiki/lmanghali_Tasmaghambetow ), der Verteidigungsminister Kasachstans, und Schoigu gaben bekannt, dass der Aufbau eines gemeinsamen kasachisch-russischen Luftverteidigungssystems begonnen habe. Das zeigt, dass die gemeinsame Verteidigung des Luftraums der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Organisation_des_Vertrags_über_kollektive_Sicherheit ) und gegen die Bedrohung, die von dem Raketenabwehrschild der NATO ausgeht, fortschreitet.

Die eindrucksvollste Erklärung gab der iranische Verteidigungsminister Hosein Dehqan (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Hosein_Dehqan ) ab. Brigadegeneral Dehqan bat darum, dass sich China, Indien und Russland gemeinsam mit dem Iran der Osterweiterung der NATO und der Bedrohung der internationalen Sicherheit, die von deren Raketenabwehrschild ausgehe, entgegenstellen, [s. dazu auch http://rt.com/news/250209-iran-cooperation-amd-nato/ ] Während eines Treffens mit dem chinesischen Verteidigungsminister Chang Wanquan (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Chang_Wanquan ) betonte Schoigu, für Moskau habe die militärische Zusammenarbeit mit Peking "absoluten Vorrang". In einem weiteren bilateralen Treffen bestätigten die Verteidigungsminister des Irans und Russlands, ihre Kooperation gehöre zu den Ecksteinen einer neuen multipolaren Ordnung, und Moskau und Teheran verfolgten eine gemeinsame Strategie gegen den Herrschaftsanspruch der USA.

Nach einem Treffen des iranischen Verteidigungsministers Dehqan und der iranischen Delegation mit Schoigu und russischen Verteidigungsexperten wurde bekannt gegeben, dass Peking, Moskau und Teheran sich zu einem Dreiergipfel treffen werden. Das wurde später auch von der chinesischen Delegation bestätigt.

Die geopolitische Lage wird sich in absehbarer Zeit stark verändern - allerdings nicht zum Vorteil der USA. Im Herzen der ehemaligen Sowjetunion haben Armenien, Weißrussland, Kasachstan, und Russland eine Eurasische Wirtschaftsunion (s. dazu auch http://de.wiki-pedia.org/wiki/Eurasische_Wirtschaftsunion ) gegründet, und Peking, Moskau und Teheran sind dabei, nach einem langen Prozess der politischen, strategischen, wirtschaftlichen, diplomatischen und militärischen Annäherung einen Eurasischen Dreibund (s. http://www.strategic-culture.org/news/2012/01/22/eurasian-triple-entente-touch-iran-war-hear-rus-sia-china.html ) zu bilden.
Das Zusammenrücken eurasischer Staaten gefährdet auch die bisher unangefochtene Stellung der USA in ihrem Brückenkopf Europa; schon beginnen US-Verbündete in Europa und im Mittleren Osten nach mehr Unabhängigkeit zu streben, [s. auch http://rt.com/op-edge/236741-west-east-eurasian-union-cooperation/ ]. Das ist eines der Hauptthemen, die ich in meinem Buch "The Globalization of NATO" (zu beziehen über amazon) behandelt habe.
Schon der frühere US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski warnte die US-Eliten vor der Bildung einer "eurasischen Koalition, welche die Vorherrschaft der USA bedrohen könnte". Brzezinski befürchtete, dass eine solche Koalition aus einem chinesisch-russisch-iranischen Dreierbündnis unter Führung Pekings hervorgehen könnte.

"Da sich die chinesischen Strategen mit dem Dreierbündnis aus den USA, Europa und Japan konfrontiert sehen, könnten sie versuchen, als geopolitisches Gegengewicht ein erweitertes Dreierbündnis aus China, Russland, dem Iran und anderen Staaten am Persischen Golf zu bilden," warnte Brzezinski.

"Zu Chinas künftigen Optionen gehört auch, sich als wirtschaftlich erfolgreicher und politisch selbstbewusster, aber vom westlichen Sicherheitssystem ausgeschlossener Staat zum Verfechter der Interessen aller wirtschaftlich benachteiligten Staaten der Welt zu machen und in einem Bündnis mit ihnen die Führung zu übernehmen; dadurch könnte China zu einem mächtigen geopolitischen Herausforderer für das gegenwärtig die Welt beherrschende westliche Dreierbündnis werden," ergänzte er.

Diese Rolle scheinen die Chinesen tatsächlich anzustreben. Minister Wanquan forderte auf der MCIS auch eine "gerechtere Weltordnung".

Eine chinesisch-russisch-iranische Koalition wäre nach Brzezinskis Worten auch deshalb eine Bedrohung für die USA, "weil sie ein starker Magnet wäre, der auch andere Staaten anziehen könnte, die mit den gegenwärtigen Zuständen unzufrieden sind".

Dem Raketenabwehrschild der USA und der NATO etwas entgegensetzen

Washington versucht rund um Russland, China, den Iran und ihre Verbündeten mit dem Raketenabwehrschild der USA und der NATO einen neuen "Eisernen Vorhang" zu errichten. Dieser "Abwehrschild" ist ein offensives und kein defensives System, obwohl das behauptet wird.

Das Pentagon will mit dem Abwehrschild verhindern, dass Russland oder andere eurasische Mächte nach einem atomaren Erstschlag der USA mit noch rechtzeitig gestarteten Interkontinentalraketen Vergeltung an den USA üben können. Die (von den USA) Angegriffenen sollen ihrer Zweitschlagsfähigkeit beraubt werden.

Bereits 2011 wurde berichtet, der stellvertretende russische Ministerpräsident Dmitri Rogo-sin (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Dmitri_Olegowitsch_Rogosin ), der vorher Botschafter Russlands bei der NATO war, werde Teheran besuchen, um über den NATO-Raketenabwehrschild zu sprechen. Auch die Teheran Times behauptete, die Regierungen Russlands, des Irans und Chinas planten die Errichtung eines gemeinsamen Raketenabwehrschildes, um dem der USA und der NATO etwas entgegenzusetzen. Rogosin hat diese Berichte mit der Versicherung zurückgewiesen, Fragen zur Raketenabwehr würden nur zwischen dem Kreml und seinen militärischen Verbündeten in der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit / OVKS besprochen.

Die Idee, China, der Iran und Russland sollten bei der Abwehr der von dem NATO-Raketenschild ausgehenden Bedrohung zusammenarbeiten, existiert seit 2011. Seither hat sich der Iran der OVKS angenähert und wie Afghanistan und Serbien den Beobachterstatus erlangt. Auch Peking, Moskau und Teheran sind wegen des Konfliktes in Syrien, der vom Euro-Maidan ausgehenden Entwicklung und der Neuorientierung der USA auf Asien näher zusammengerückt. Die Bitte des iranischen Verteidigungsministers Dehqan, China, Indien, der Iran und Russland sollten sich gemeinsam gegen den Raketenabwehrschild und die ständige NATO-Erweiterung zur Wehr setzen und die auf der MCIS angekündigten militärischen Dreiergespräche zwischen China, dem Iran und Russland haben diese Tendenz verstärkt.

Als erste Reaktion auf den neuen "Eisernen Vorhang" werden die russischen Luftverteidigungssysteme S-300 (s. http://de.wikipedia.org/wiki/S-300_Flugabwehrraketensystem) und S-400 (s. http://de.wikipedia.org/wiki/SA-21 Growler) von Weißrussland über Armenien bis zur Halbinsel Kamtschatka (gegenüber Alaska) in Stellung gebracht. Diese Luftverteidigungssysteme machen es Washington viel schwerer, eine Reaktion auf einen atomaren Erstschlag der USA zu verhindern.

Sogar Vertreter der NATO und des Pentagons, die das System S-300 mit dem Codenamen SA-21 bezeichnen, geben das zu. "Wir beschäftigen uns seit Jahren damit, wie wir es ausschalten können und fürchten uns deshalb nicht davor. Wir wissen aber, dass S-300 ein sehr mobiles, treffsicheres und gefährliches Raketensystem ist," hat Clint Hinote, ein ehemaliger Oberst der US Air Force vom Council on Foreign Relations in Washington, (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Council_on_Foreign_Relations ) darüber geschrieben.

Auch wenn (im Westen) darüber spekuliert wird, dass sich Russland mit dem Verkauf des Systems S-300 an Teheran, der unmittelbar nach der Beendigung der Gespräche (über das iranische Atom programm) in Lausanne bekannt wurde (s. dazu auch http://de.sputniknews.com/militar/20150413/301899344.html ), einen Vorsprung bei den wieder anlaufenden Waffengeschäften mit dem Iran verschaffen wollte, trifft das so nicht zu. Teheran kauft zwar militärische Ausrüstung in Moskau oder anderswo im Ausland, ist aber militärisch unabhängig, weil es die meisten seiner Waffen selbst herstellt. Der Iran baut eigene Panzer, Raketen, Kampfjets, Radargeräte, Handfeuerwaffen, Drohnen, Hubschrauber, Torpedos, Mörsergranaten, Kriegsschiffe und sogar Unterseeboote. Das iranische Militär behauptet, sein Luftverteidigungssystem Bavar-373 (s. http://de.wikipedia.org/wiki/Bavar-373 ) sei dem System S-300 eigentlich ebenbürtig.

Bei der Lieferung des russischen Systems S-300 an Teheran geht es weniger ums Geschäft. Damit soll vor allem die militärische Kooperation zwischen Russland und dem Iran gefestigt werden. Sie ist ein großer Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines eurasischen Luftverteidigungsnetzes zur Abwendung der vom dem NATO-Raketenabwehrschild ausgehenden Gefahren; dieses eurasische Luftverteidigungsnetz soll bald alle Staaten schützen, die ihre Knie nicht vor den USA und der NATO beugen wollen.

(Wir haben den Artikel komplett übersetzt und mit Ergänzungen und Links in runden Klammern versehen. Die Links in eckigen Klammern hat der Autor selbst eingefügt. Infos über ihn sind nachzulesen unter https://wikispooks.com/wiki/Mahdi_Darius_Nazemroaya.)

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