Waffenbrüder – Klassenbrüder in Halle (Saale)

Wer in Halle (Saale) wohnt kennt das Gebiet von Heide-Süd recht gut.
Einerseits weil hier die Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg seit 1994 einen beachtlichen Teil ihrer Fakultäten hier angesiedelt hat und andererseits weil eine attraktive Wohnbebauung entstanden ist, die Altes und Neues harmonisch vereint.
Früher war dieses Gelände ein Weinberg, dann Landesheil- und Pflegeanstalt, ab 1935 entstand hier eine Luft- und Heeresnachrichtenschule der Wehrmacht und ab 01. Juli 1945 wurde hier die 27. Garde Motorisierte Schützendivision der Roten Armee dauerhaft stationiert und war unter dem Namen Garnison Heide eigentlich allen Hallensern bekannt.
Rund 15000 Soldaten, z.T. mit Familienangehörigen waren bis zum Sommer 1991 auf ca. 200 Hektar stationiert.
Immer waren die Sowjetsoldaten da wenn sie gebraucht wurden, ob bei Hochwasserbekämpfung, Ernteeinbringung oder Baumaßnahmen im öffentlichen Raum.
Vielfältige Freundschaften kennzeichneten das Hiersein, vor allem über o. g. Einsätze und über Sportveranstaltungen. Unvergessen das „Russen-Magazin“, dass mit seinen kultigen Stschoty - Rechentafeln mit Holzkugeln der Renner für manch ausgefallene Einkaufswünsche war.

Wir, die in der 11. Motorisierten Schützendivision der NVA mit Stab in Halle, dem MSR-17, BmS-11, PJA-11, SanB-11 und den Divisionseinheiten den Dienst versahen haben Erinnerungen an Gemeinsamkeiten vielfältiger Art, besonders natürlich auch an gemeinsame Ausbildungsmassnahmen.

Da gab es Berichtenswertes:

  • Als 1978 in der PJA-11 die Umstellung der Technik vom LKW Ural auf das Zugmittel MT-LB erfolgte erwies sich die praktische Tätigkeit in der gleichartigen Abteilung der 27. GMSD als hilfreich. Es wurden kurzerhand die Unteroffiziere die zukünftig als Fahrer für die MT-LB vorgesehen waren in den Partnertruppenteil der 27. GMSD kommandiert und an der dort schon vorhandenen Technik ausgebildet.
  • Oder die Leistungsvergleiche der Kraftfahrer des Bataillon materielle Sicherstellung, die sicherlich allen daran beteiligten Armeeangehörigen für immer im Gedächtnis haften bleiben.
  • Freundschaften entstanden, auch zwischen den Familien, den Kindern besonders; oftmals waren es aber unsere Initiativen die Waffenbrüderschaft erlebbar gestalteten.

Mehrheitlich waren Gemeinsamkeiten auf Feiertage und Sportvergleiche beschränkt.

Damit war also 1990 mit dem 02. Oktober Schluss und nur wenig später im Sommer 1991 verließen die letzten Rotarmisten den Standort Halle.
Ihr Kampfweg bis zum Sieg über Hitlerdeutschland sollte unvergessen bleiben.


Rechts ist das Deckblatt des Übernahme-/Übergabeprotokolls der Kaserne der
27. GMSD aus dem Jahre 1991 abgebildet.

 

Gerold Möller
(Oberstleutnant a. D.)

 

 

 

 

                                              
Zum Kampfweg der

27. Garde-Motorisierten-Schützen-Division
Träger des Rotbanner und des Bogdan Chmelnizki Orden
Omsko - Nowoburgskaja

 Zur Verteidigung von Moskau unterstellte das Oberkommando der Roten Armee der Westfront im November 1941 3 Reservearmeen, mit mehreren Schützen- und Kavalleriedivisionen und 2 Marinebrigaden.
Darunter befand sich die  im Oktober 1941 als 75. Marine Infanterie Brigade aufgestellte, spätere 27. Garde – Schützen - Division.

Sie erhielt ihre erste Kriegserfahrung im Kampf um Moskau 1941 (Moskauer Schlacht).

Für ihren heldenhaften Kampf um die Stadt Cholm – gelegen zwischen der legendären Wolokolamsker  Chaussee und der Stadt Moshaisk wurde ihr der Titel „Garde“ verliehen und sie in  3. Garde Schützen Brigade1 (Gde.Schtz.Brig.), damals im Bestand der 27. Armee handelnd, umbenannt.

Nur kurze Zeit später, zum 17.03.1942 wurde sie in die 27. Garde Schützen Division (GSD)2 umformiert und in Stalingrad, wahrscheinlich im Bestand der 64. Armee (vormals 64 sst. Schützen Brigade) zur Verteidigung der Stadt eingesetzt.

Der Kommandeur (Kdr) der Division war auf ihrem gesamten Kampfweg bis nach Berlin, Generalmajor Glebow, Wiktor Sergejewitsch3.

Nach Beendigung der Kämpfe um Stalingrad wurde sie in den Bestand der 62. Armee, die in Stalingrad die Hauptlast der Verteidigung trug, und für ihren heldenhaften Kampf in 8. Garde Armee umbenannt wurde, (Oberbefehlshaber Gen.leutnant Tschuikow, des späteren Marschall der UdSSR) eingegliedert. Nach Bildung der neuen Strukturen wurde sie in das 29. Garde Schützen Korps (GSK) der 8. GA die im Bestand der Südwest Front (SWF) handelte, übernommen.

Der weitere Kampfweg war die Teilnahme am Kampf um das Donezbecken, der Befreiung der Stadt Saporoshje im Oktober 1943, dem Forcieren des Dnjepr im Januar/Februar 1944 und die Teilnahme an der Befreiung der östlichen Ukraine.

Ab Oktober 1943, nach Umbenennung der SWF in die 3. Ukrainische Front (3.UKF) erfolgte die Teilnahme bei der Zerschlagung der faschistischen Gruppierung um die Stadt Nikolaijew, an der Befreiung Odessas und dem Forcieren des Dnjestr.
Ab Juni 1944 wurde die 27. GSD im Bestand des 29. GSK der 8.GA  mit in die 1. Belorussische Front eingruppiert und nahm an der Erstürmung der Stadt Kowel teil.

Nach dem Forcieren der Weichsel erfolgte ihre Mitwirkung am Kampf zur Befreiung Warschaus.
 
Nach dem Forcieren der Weichsel durch die 27. GSD erhielt ihr Kdr. Generalmajor Glebow den Titel „Held der UdSSR“ verliehen und viele Angehörige der Division hohe staatliche militärische Auszeichnungen.

Im Januar 1945 wurde die deutsche Grenze überschritten.

Der weitere Kampfeinsatz erfolgte bei der Zerschlagung der faschistischen Truppen um Posnan (Posen) und deren Befreiung, dem Forcieren der Oder bei Küstrin und im April 1945 beim direkten Kampf um die Seelower Höhen.

Vom 25. April bis zum 2. Mai nahm sie an der Schlacht um Berlin teil, war beteiligt am Sturm und der Einnahme der Reichskanzlei, wofür ihr der Ehrentitel „Berliner“  verliehen wurde.

Die Endkonzentrierung erfolgte dann westlich Berlins und ab 01.07.1945 in Halle (Saale) bis nach der Auflösung des Warschauer Vertrages und der Deutschen Einheit 1992 die Stadt Halle verlassen wurde.

Die Umstrukturierung und Neuausrichtung der Streitkräfte nach 1945 brachte sowohl in der Zusammensetzung (Truppenteile und Einheiten) als auch in der technischen Ausstattung immer wieder Veränderungen mit sich.
So ist auch zu erklären, das sich dann aus der 27. Garde Schützen Division die 27. Garde Motorisierte Schützen Division entwickelte.

Für ihren heldenhaften Kampfeinsatz im Großen Vaterländischen Krieg wurde sie neben den Gardetitel außerdem mit dem „Rotbannerorden“ und dem „Bogdan Chmelnizki Orden“ ausgezeichnet.  

Bogdan-Chmelnizki-Orden  Rotbannerorden  Medaille für die Einnahme Berlins 

 Die in ihrem Bestand befindlichen Regimenter (hier nur die TT/E die noch 1990 zum Bestand zählten) wurden ebenfalls für heldenmütige Leistungen der Soldaten ausgezeichnet und geehrt:

Das 68. Garde Motorisierte Schützen Regiment erhielt den Ehrennamen „Posnansky“ und die Auszeichnung mit dem Soworoworden.

Das 28. Panzerregiment erhielt den Ehrennamen „Brestskyi“ und die Auszeichnung mit dem Suworow- sowie dem Kutusow Orden. 

Orden Roter Stern Kutusow Orden Suworow Orden

 
Das 243. Garde Motorisierte Schützenregiment erhielt den Ehrennamen „Berlinskij“.

Ebenso erhielt das 244. Garde Motorisierte Schützenregiment den Ehrennamen „Berlinskij“ und wurde mit dem Suworow – Orden geehrt.

Das Rotbanner- Garde – SFL- Artillerieregiment erhielt den Ehrennamen „Posnanskij“ und wurde mit dem Kutusow- Orden ausgezeichnet.

Das Garde – Fla-Raketenregiment, hervorgegangen aus dem gleichnamigen Flak – Regiment, wurde Träger des Ehrennamens „Peremschlskij“ und mit dem Orden „Roter Stern“ geehrt.  

Nach einer kurzen Zwischenstationierung im Lager Altengrabow bei Jüterbog erfolgte um 1993/94 die
Rückverlegung  in die Heimat. Ihre Dislozierung erfolgte dann in der Stadt Totskje im Raum Kuibyschew (heute wieder Samara) Militärbezirk Uralgebiet.

Im Rahmen der Militärreform in der Russischen Republik wurde die Division (Angaben sind etwas unterschiedlich) umgebildet  und am 01. Februar 2005 auf der Basis ihres „Berliner 589. Garde MSR“, 
zur „15. selbständigen Garde Mot-Schützen Brigade“ neu formiert und in den Bestand der 2. Garde Armee des Zentralen Militärbezirks der Russischen Streitkräfte (RSK)eingegliedert.

Truppenstärke etwa 2000 Mann, in 3 mot.Btl., 1 Akl.Btl., in Spezialeinheiten für Logistik, Versorgung und technische Sicherstellung.
Nummer der Militäreinheit: 90600 
      
In dieser Formation wurde sie in den Bestand des Kontingents der „Friedensstiftenden Truppen der Russischen Föderation“ einbezogen.
                                                                             
Als solche nahm sie am Kampf im Nordkaukasus, in der Dnestr Republik sowie in Südossetien und Abchasien teil.

Sie trägt die vollständige Bezeichnung:

„15. Selbständige Berliner Garde Motorisierte Schützen Brigade,  ausgezeichnet mit dem Rotbanner- und Kutusow Orden“.

Im Oktober 2011 wurde ihr die Truppenfahne, als „Truppenfahne neuer Art“ der RSK  als eine der ersten Verbände der Streitkräfte der Russischen Föderation, auf Grund ihrer Verdienste im Großen Vaterländischen Krieg und im Bestand der Friedenstruppen verliehen.

 

 1) Erlass des Volkskommissar der Verteidigung der UdSSR Nr. 308 vom 18.09. 1941 über die Bildung von Garden als Zusatz zu Formationsbezeichnungen militärischer Truppenteile, Verbände und Einrichtungen.
2) Darf nicht gleichgesetzt werden mit der  27. Schützen Division die im Juni 1941 die erste und zum September 1941 die zweite Aufstellung erfuhr und gleichfalls einen Kampfweg bis nach Berlin begründet, aber keinen Gardetitel trug.
3) Geboren 22.12.1906, gestorben 30.09.1985. Ab 17.03.1942 Kommandeur der 27. GSD und seit dem 27.11.1942 Generalmajor, Siehe dazu Seite 368 „Armee unter dem Roten Stern“ Biblio Verlag Osnabrück 1999, K. Mehner und J. Stanek

(Zusammenfassung nach Angaben aus dem Archiv der Armeezeitung Krasnaja Swesda und den Memorieren des Marschalls der UdSSR Wassili Iwanowitsch Tschuikow, Oberbefehlshaber der 62. A und späteren 8.GA unter Hinzuziehung der 6bändigen Ausgabe „Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges“ Deutscher Militärverlag 1963 und „Armee unter dem Roten Stern“ Biblio Verlag Osnabrück 1999 und Bernhard Mroß; „Sie gingen als Freunde“ Eigenverlag, Mai 2004)

Zusammengestellt nach den obigen Literatur - Angaben
unter Mithilfe von Generalmajor a. D. Sebald Daum
von Gerold Möller, Oberstleutnant a. D.

 

PS.

Zur Vervollständigung der Geschichte der Stadt Halle sei hiermit erwähnt, das bereits im Zuge der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 eine 27. Infanteriedivision der damaligen kaiserlichen (zaristischen) Armee im Bestand der Schlesischen Armee unter Feldmarschall v. Blücher  im Kampfeinsatz war.

Im Bestand4 des russischen VIII. Infanteriekorps unter Baron von Sacken befand sich die 27. Infanterie Division; mit 2 Brigaden zu je 2 Infanterieregimenter und 1 Brigade mit 2 Jägerregimentern.
Die Regimenter wurden nach Städten bzw. Provinzen benannt und so waren

1. Brigade
Infanterieregiment WILNA  mit 1. und 3. Bataillon mit je 2 Kompanien (je Kompanie 2 Züge)
Infanterieregiment SIMBIRSK  mit 1. und 3. Bataillon mit je 2 Kompanien (je Kompanie 2 Züge)

2. Brigade
Infanterieregiment ODESSA  mit 1. und 3. Bataillon mit je 2 Kompanien (je Kompanie 2 Züge)
Infanterieregiment TARNOPOL  mit 1. und 3. Bataillon mit je 2 Kompanien (je Kompanie 2 Züge)

benannt worden.
Jeweils 1 Kompanie wurde als Elitekompanie (Grenadierkompanie) bezeichnet, die anderen 3 Linienkompanien als Füsilier-, Musketier-  und Jägerkompanie.     

3. Brigade
49. Jägerregiment mit 1. und 3. Bataillon
50. Jägerregiment mit 1. und 3. Bataillon

Die Schulterklappen der Soldaten waren nach Zugehörigkeiten farbig gestaltet und trugen darauf die Nummer der jeweiligen Division; hier also die 27.

Infanterieregiment WILNA        gelb
Infanterieregiment SIMBIRSK  grün/roter Vorstoß
Infanterieregiment ODESSA     rot
Infanterieregiment Tarnopol      weiß
49. Jägerregiment                       gelb
50. Jägerregiment                       hellblau

Die Aufstellung erfolgte bereits 1811 aus vorhandenen älteren Garnisonstruppen in Moskau und sie erhielt ihre Feuertaufe im Gefecht bei Krasnoe im Herbst 1812 nach dem Rückzug Napoleons aus Moskau. Ihr Kommandeur war damals Generalmajor Dmitri Petrovitsch von Newerowski5
Im Weiteren war sie im Gefecht bei Borodino im September 1812 im Einsatz.

Während der Völkerschlacht bei Leipzig handelte sie im Gebiet um Lindenau und Wiederitzsch.

Ein direkter Einsatz in Halle ist nicht nachgewiesen.
Die im April 1813 in Halle operierenden Kosakeneinheiten gehörten zur Nordarmee der Verbündeten.

Ihr Kommandeur war Generalmajor Stawizky.
                                            
Die im April 1813 (am 01.04.150 Kosaken unter Rittmeister von Illowaiski, am 09.04. ein Regiment Donkosaken unter Generalmajor Baron von Löwenstein und zum 11.04. 2 Kosakenpulks des russischen Korps des Freiherr von Winzingerode) in Halle operierenden Kosakeneinheiten gehörten zur Nordarmee der Verbündeten


Die Erinnerung an die Schlacht der Verbündeten wird in der russischen Kirche zu Leipzig eingeweiht 1913 wach gehalten.

Auswahl aus den Darstellungen:

 
                                    
4) Die Quellenlage ist breit gefächert; am aussagekräftigsten sind Beiträge in „Depesche-Zeitschrift für Militär- und Kriegsgeschichte“ unter www.napoleon-online.de/html./depesche.html sowie Die russische Armee im Feldzug 1812 und die Völkerschlacht bei Leipzig 1813
5) Von Newerowski kommandierte später als Generalleutnant das Leibgarde-Pawlowski-Regiment, wurde 1813 bei Leipzig tödlich verwundet und verstarb in Halle. Dort wurde er auf dem Statdtgottesacker beigesetzt – ein Grabmal am Rondell beim Brunnen  erinnert daran – und am 17. Juli 1912 exhumiert und auf dem Schlachtfeld von Borodino beigesetzt.
6) Die 27. Infanteriedivision mit ihren Truppenteilen ist durch den Verfasser rot markiert.