Ralf Rudolph/Uwe Markus

KRISENFALL UKRAINE

 

Berlin, 22. März 2014

 

Historie

Die aktuelle Zuspitzung der politischen Konfrontation mit Blick auf den Machtwechsel in der Ukraine wirft die Frage auf, welche Tradition die ukrainische Eigenstaatlichkeit hat. Insbesondere die starke Position nationalistischer Kräfte im Gefüge der neuen ukrainischen Übergangsadministration rückt dieses Thema in den Fokus – geht es doch hier um die Legitimationshintergründe aktueller politischer Forderungen.

Insbesondere in der Westukraine haben nationalistische Kräfte ihre Sympathisanten.

Die Westukraine besteht aus zwei unterschiedlich großen Teilen:

1. Der äußerste Westen – Ostgalizien mit Lemberg (Lwiw), Ternopil und Iwano-Franko.

2. Die gesamte Westhälfte der Ukraine – westlich des Dnepr (je nach Situation einschließlich der Hauptstadt Kiew).

Seit dem 14. Jahrhundert dominierten im Westen der Ukraine die Polen und Litauer. Sie betrieben die Katholisierung der Westukraine. Nach dem Zusammenbruch der Herrschaft der Krimtataren über den östlich des Dnepr gelegenen Teil der Ukraine erhoben sich dort die orthodoxen Kosaken gegen die Polen und stellten sich im Jahr 1654 (einschließlich der Stadt Kiew) unter den Schutz des russischen Zaren. Besiegelt wurde das im Vertrag von Perejaslaw (Treue-Eid der Saporoger Kosaken auf den russischen Zaren Alexei I.). Nur ein Teil der Westukraine (Ostgalizien) ge-hörte fortan noch zu Polen.

Nach den Teilungen Polens in den Jahren 1793, 1795 und 1809 zwischen Preußen, Russland und Österreich-Ungarn fiel ein großer Teil der östlichen Westukraine (2.) an Russland. Aber Ostgalizien (1.), der äußerste westliche Teil der Westukraine mit Lemberg fiel an Österreich-Ungarn.

Die Westukrainer in Ostgalizien führten einen erbitterten Selbstbehauptungskampf gegen die Österreicher und die polnischen und litauischen Einwohner in Ostgalizien. Dieser Kampf wurde zur Geburtsstunde des ukrainischen Nationalismus, indem die Westukrainer immer mehr glaubten, sie seien die einzig wahren Ukrainer. Im 19. Jahrhundert wurde somit Ost-Galizien mit Lemberg zur Hochburg des ukrainischen Nationalismus.

Nach dem Zusammenbruch der Österreichisch-Ungarischen Monarchie im Ergebnis des 1. Weltkrieges und nach der Oktoberrevolution in Russland existierte von 1918 bis 1919 erstmals kurzzeitig ein ukrainischer Staat auf dem Gebiet Ostgaliziens, der Nördlichen Bukowina und Transkarpatiens. Dieser Staat wurde von den Menschewiki regiert und trug die Bezeichnung Westukrainische Volksrepublik. Die Bevöl-kerungsmehrheit hatte jedoch polnische Wurzeln. Die Hauptstadt war erst Lemberg und später, nachdem die Polen die Oberhand in Lemberg gewonnen hatten, Stanis-law. Im Mai 1919 ergriff die polnische Bevölkerung die Macht in der Republik und am 21. November 1919 wurde Ost-Galizien auf der Pariser Friedenskonferenz für 25 Jahre Polen zugeordnet. Das war auch der Beginn des Endes der Westukrainischen Volksrepublik.

Im Osten der Ukraine wurde von den Bolschewiki die Ukrainische Sowjetrepublik mit der Hauptstadt Charkow gegründet. Um gemeinsam mit Polen gegen die Bolschewiki kämpfen zu können, verzichtete die Menschewiki-Regierung der Westukrainischen Volksrepublik (entsprechend den Festlegungen des Pariser Abkommens) auf alle ukrainischen Ansprüche auf Ostgalizien. Wegen dieses Verrates stellten sich die Westukrainer fortan im Bürgerkrieg auf die Seite der Bolschewiki. Dieser Krieg war in der Ukraine auch ein Krieg gegen Polen, hatte doch die polnische Armee bereits im Mai 1920 Kiew besetzt. Damit änderte sich das Kräfteverhältnis und im Juni 1920 befreite die Rote Armee Kiew und belagerte Lemberg. Mit dem Friedensabkommen von Riga im Jahr 1921 fielen die Gebiete der Westukrainischen Volksrepublik an Polen (Galizien), Rumänien (Nördliche Bukowina) und die Tschechoslowakei (Trans-karpatien).

Die Ostukraine mit ihren Bodenschätzen verblieb hingegen im Staatsverbund der UdSSR. Das Steppengebiet der Ost- und Südukraine, wo große Eisenerzvorkommen und Kohle gefunden worden waren, wurde bereits frühzeitig durch Russland indus-trialisiert und ist seit dem 18. Jahrhundert bekannt unter dem Namen Donezbecken. Die ukrainische Kultur und Sprache haben bis heute in diesem Gebiet keinen großen Einfluss.

Hatte sich die UdSSR zunächst mit dem Verlust der Westukraine abfinden müssen, bot sich mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt und dem Zusatzprotokoll über die wechselseitige Anerkennung von Gebietsansprüchen die Möglichkeit die Teilung der Ukraine rückgängig zu machen.

Mit Beginn des Einmarschs der deutschen Wehrmacht 1939 in Polen holte sich die Sowjetunion diese Gebiete wieder zurück und ordnete sie der Ukrainischen So-zialistischen Sowjetrepublik zu. 1940 entstand aus den südlichen Teilen (Nördliche Bukowina und Besarabien) die Moldawische Sowjetrepublik.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges verblieb die gesamte Westukraine einschließlich Ostgalizien, der Bukowina, Besarabien und Transkarpatien nach den Abkommen von Jalta und Potsdam weiter bei der UdSSR.

So wie es Gorbatschows „Verdienst“ war die sozialistische Sowjetunion zu liqui-dieren, war es Jelzins „Verdienst“, 1991 der Ukraine und Weißrussland zum Status selbstständiger Staaten zu verhelfen, was beide in der langen Geschichte Russlands nie waren. Jelzin einigte sich mit den damaligen Staatschefs der Ukraine und Weiß-russlands über die Abspaltung ihrer Länder von Russland. Dabei sollten die Grenzen aus der Zeit der UdSSR respektiert werden. Um ihre „slawische, brüderliche“ Zu-sammenhörigkeit zu demonstrieren, gründeten die drei Regierungschefs die GUS, die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, zu der etwas später auch andere Länder der ehemaligen Sowjetunion hinzu kamen. Jelzin verzichtete dabei darauf, die Krim-Frage zu stellen, was heute von vielen Russen stark kritisiert wird. Nicht zuletzt ging es bei diesem Geschäft auch darum, die Ukraine als nunmehrige Atommacht ruhig zu halten, bis ein Weg zur nuklearen Abrüstung des Landes gefunden wäre. Weil sich die erste ukrainische Regierung gegen eine nukleare Abrüstung sperrte, machte man ihr im Budapester Abkommen etliche Zugeständnisse – darunter fiel auch der Verbleib der Krim im ukrainischen Staat und die Garantie Russlands und der USA für die Unverletzlichkeit der Grenzen des Landes. Einen Gebietskonflikt konnte und wollte man damals nicht vom Zaun brechen. Russland hoffte auf eine Ukraine, die nicht in das westliche Bündnissystem integriert ist, zumal damals noch das Ver-sprechen des Westens im Raum stand, die NATO nicht nach Osten auszudehnen. Insofern glaubte man in Moskau offenbar, dass auch der Status der Krim und der russischen Marinebasis Sewastopol langfristig gesichert sei. Diese Hoffnung sollte bald enttäuscht werden, was nicht ohne Folgen für die Bewertung der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine durch die russische Führung bleiben konnte. Russland sah sich trotz aller in der Vergangenheit geleisteten einseitigen Zugeständnisse als Verlierer der Entwicklung und wertete das forsche politische Agieren des Westens in der Ukraine als Betrug. Gleichwohl bestanden die engen alltagskulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und vor allem den ostukrainischen Regionen fort. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass mit der Unab-hängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 die mentale Spaltung des Landes (russisch-sprachige Ostukraine gegen polnisch-katholisch geprägte Westukraine) weiter anhielt. Hinzu kommt, dass die westlichen Medien das Bild einer Ost-West-Spaltung der Ukraine in den vergangenen zehn Jahren noch schürten, um den politischen Unterschied zwischen Janukowitsch als Vertreter der Ostukraine und Politikern der Westukraine, wie Juschtschenko oder Timoschenko, zu demonstrieren. Insbeson-dere unterstellte man Russland permanent versteckte Ansprüche auf die Ostukraine.

Bereits nach der sogenannten Orangenen Revolution wurde offiziell von ukrainischen Politikern über eine eventuelle Autonomie oder Abspaltung der Ostukraine nachge-dacht. Aber die Westukraine hätte damit die wichtigsten, zum größten Teil durch Russen besiedelten Industriegebiete Donezk, Lugansk, Charkow, Nikolajew, Saparo-sche, Dneperpetrowsk, Cherson und Odessa sowie den Zugang zum Schwarzen Meer verloren. Die Gouverneure dieser Gebiete konnten sich jedoch nicht einigen und Russland ließ keine Unterstützung erkennen. Auch die Oligarchen der Ostukra-ine waren gegen eine Abspaltung, da sie z. B. dadurch den Zugang zur Exportquote der WTO (Welthandelsorganisation) für Eisenerz verloren hätten. Andererseits be-stehen die historischen wirtschaftlichen Verflechtungen insbesondere mit der rus-sischen Schwer- und Rüstungsindustrie fort. Hinzu kommt die Abhängigkeit der sehr energieintensiven ukrainischen Schwerindustrie von russischen Erdgaslieferungen. Würde wegen der Assoziierung mit der EU der Zugang ukrainischer Unternehmen zum russischen Markt durch politische Entscheidungen und andere Industrienormen erschwert, ohne dass andere Märkte diese Ausfälle kompensieren könnten, wäre das mit existenziellen Gefährdungen der ostukrainischen Industriestandorte verbunden. Zumal sich die Energielieferungen wegen massiver ukrainischer Schulden beim rus-sischen Gaslieferanten Gazprom ab April massiv verteuern werden. Laut gültigem Vertrag entfällt der bisher gewährte Rabatt in Höhe von 30 Prozent, wenn die monat-lichen Rechnungen an Gazprom nicht bezahlt werden. Das geschah im Februar 2014. Für den Monat Februar schuldet die Ukraine dem Unternehmen Gazprom 1,529 Milliarden US-Dollar. Der Gaspreis wird sich ab April für die Ukraine von 268,5 US-Dollar pro 1000 m³ auf 400 US-Dollar erhöhen. Hinzu kommt die Streichung von preispolitischen Sonderkonditionen, die für den Verbleib der russischen Flotte in Sewastopol vereinbart worden waren, weil ja nun die Krim zu Russland gehört. Außerdem wird die wirtschaftliche Anbindung des Landes an den Westen die Ukraine sozialpolitisch überfordern. Wenn die ukrainische Übergangsregierung die wirt-schafts- und finanzpolitischen Auflagen der EU und des IWF für die Kreditgewährung erfüllen soll, führt das zu einer weiteren Verarmung großer Teile der ukrainischen Bevölkerung und zu einer Verstärkung sozialer Spannungen. In diesem Fall schlägt für die Interimsregierung sozialpolitisch die Stunde der Wahrheit. Weil diese Ent-wicklungen mit dem nun unterzeichneten Assoziierungsabkommen vorprogrammiert sind, dürfte die politische Instabilität in der Ukraine anhalten. Russland hat mit der Übernahme der Krim seine Agenda zunächst abgearbeitet und kann nun abwarten, wie sich mit dem Einsatz der OSZE-Beobachter in der Ostukraine und nach Inkraft-treten des Assoziierungsabkommens die Lage in dem Nachbarland entwickelt. Je-denfalls ist erkennbar, wer in dem Konflikt bisher die Abläufe bestimmt hat. Während Russland pragmatisch und entschlossen agierte, konnte der Westen nur reagieren. Vieles deutet darauf hin, dass der politische Prozess in der Region auch zukünftig durch Russland kontrolliert werden wird. Insofern ist auch die russische Zustimmung zur Entsendung von OSZE-Beobachtern nicht den hilflosen Sanktionen des Westens geschuldet, sondern Teil der russischen Strategie für die außenpolitische Be-grenzung des Konflikts mit dem Westen. Die russische Zustimmung zu der Be-obachtermission ermöglicht es insbesondere den Repräsentanten der EU das Gesicht zu wahren. Damit besteht die Chance, den Konflikt zu entschärfen und Schaden von den beiderseits vorteilhaften Handelsbeziehungen abzuwenden. Putin gibt mit seinem dosierten Einlenken der EU zugleich ein Instrument zur Abwehr amerikanischer Maximalforderungen nach Wirtschaftssanktionen in die Hand, die in Westeuropa niemand wirklich will. Aus Sicht der westeuropäischen Wirtschaft ist die Krim einen Handelskrieg mit Russland nicht wert. Man mag in den Chefetagen der Konzerne nicht auf Gewinne verzichten, nur weil sich Russland mit Billigung einer Mehrheit der Krim-Bevölkerung ein Gebiet angliedert, das immer zu Russland ge-hörte und das lediglich durch den staatsrechtlich nicht legitimierten Schenkungsakt Nikita Chrustschows der Ukraine zugeschlagen wurde. Letztlich werden sich die Parteien in der entstandenen Situation pragmatisch einrichten und de facto hinter den Kulissen des politischen Welttheaters die Angliederung der Krim an Russland akzeptieren.

 

Wer trägt die ukrainische Partei Swoboda (Freiheit)

Swoboda ist eine westukrainische nationalistische Partei mit rechtsextremen Ten-denzen. Sie ging aus der 1991 gegründeten Sozial-Nationalistischen Partei der Ukraine (SNPU) hervor, deren Symbol einen Hakenkreuz ähnelte. Die Ähnlichkeit der offiziellen Ideologie der Partei mit dem Etikett „Sozial-National“ zum Nationalsozialis-mus der NSDAP ist offensichtlich. Erst 1995 wurde die Partei offiziell registriert und gründete zu ihrem Schutz sogenannte „Volkskameradschaften“, deren Mitglieder in schwarzen Uniformen Krawalle inszenierten. 2004 wurde der Name der Partei wegen zu großer Ähnlichkeit zur Hitler-Partei in Swoboda (Freiheit) geändert. Sie hält sich für die einzige freiheitliche Partei der unabhängigen Ukraine. Historisch bezieht sie sich auf die Organisation der Ukrainischen Nationalisten (OUN) und deren Führer S. Bandera. In der Zeit vor und nach dem 2. Weltkrieg gehörte zur OUN auch die Ukrainische Aufständische Armee (UPA), die an der Ermordung zehntausender Juden, Polen und Russen beteiligt war, indem sie für die Waffen-SS-Division Galizien (überwiegend aus ukrainischen Freiwilligen bestehend) Hilfstruppen stellte, die dann die schmutzige Arbeit der Judenvernichtung und Vergeltungsaktionen gegen die Zi-vilbevölkerung ausführten.

Nachdem junge Mitglieder der Swoboda-Partei am 9. Mai 2011 in Lwiw russischen und ukrainischen Kriegsveteranen den Zutritt zum Grabmal des Unbekannten Sol-daten zur Granzniederlegung für die im 2. Weltkrieg gefallenen sowjetischen Solda-ten verweigert hatten, kam es zu einer Debatte über ein mögliches Verbot der Partei. Aber bei der Debatte blieb es.

Parteivizechef Miroshnychenko behauptete, die Ukraine werde von einer russisch-jüdischen Mafia regiert und bezeichnete berühmte ukrainische Schauspieler und Sänger jüdischer und ausländischer Herkunft mit antisemitischen Schimpfworten. Er sagte im Februar 2014 auf dem Maidan: „Schnappt euch die Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen (womit wahrscheinlich Steinmeier gemeint war), die Judenschweine und andere Unarten. Seid stark für unsere ukrainische Heimat.“ Der von Swoboda auf dem Maidan eingeführte Schlachtruf „Ruhm der Ukraine – den Helden der Ukraine“, war früher eine Parole der OUN.

Bei den Kommunalwahlen 2009 war die Swoboda-Partei mit 35 Prozent der Stimmen erstmals in der Stadt Ternopil stärkste Partei. In Lwiw, Ternopil und Iwano-Franko stellt sie seit 2012 die Bürgermeister und Gouverneure. Bis Ende 2013 hatte die Swoboda-Partei ca. 20.000 Mitglieder, vorrangig in der Westukraine. Mit dem Auftritt der Partei auf dem Maidan sollten es wöchentlich mehr werden. Seit die Partei mit den anderen ukrainischen Oppositionsparteien zusammenarbeitet, erhält sie auch viele Stimmen von nicht rechtsradikalen Protestwählern. Sie verbietet aber Ex-Kom-munisten und Ausländern Mitglied von Swoboda zu werden.

Die Abgeordneten der Swoboda-Partei forderten die Einführung des Merkmals „ethnische Zugehörigkeit“ im ukrainischen Personalausweis sowie die Einführung von ethnischen Quoten bei der Besetzung von Stellen in Politik, Verwaltung und Wirt-schaft.Immer wieder benutzt Swoboda den Begriff „antiukrainische Tätigkeit“, der als Straftatbestand in die ukrainische Gesetzgebung aufgenommen und mit Gefängnis-strafen geahndet werden soll.

Swoboda forderte unter anderem die Abschaffung der Autonomie der Krim, die Abschaffung des Sonderstatus von Sewastopol sowie ein Programm für eine Inte-gration der Krim in den ukrainischen Staat. In der Einwanderungspolitik verlangt sie unter anderem die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und Vorzugsbe-dingungen für die Rückkehr ethnischer Ukrainer aus dem Exil. Dagegen wird der Einwanderungsstopp für Nicht-Ukrainer gefordert. Außerdem sollte die russische Sprache in der Ostukraine und auf der Krim als zweite Amtssprache abgeschafft werden. Die Namen von Straßen und Plätzen, die nach Russen benannt sind und alle Denkmäler und Gedenkstätten für die im Krieg gefallenen sowjetischen Soldaten sollen liquidiert werden. Und sie tritt für eine erneute atomare Bewaffnung der Ukraine ein. Der lange geforderte Austritt aus der GUS wurde bereits von der neuen Regierung vollzogen.

Dmytro Jarosch, Anführer des militärischen Rechten Sektors der Partei hat seit 1995 mehrere tausend bewaffnete Nationalisten bei Wehrübungen geschult. Zu den Feind-bildern des Rechten Sektors der Partei gehört neben Russland auch die EU, die man als „Brüsseler bürokratisches Monster“ bezeichnet.

Ein Parlamentsabgeordneter der Swoboda hatte im April 2013 während einer Zere-monie anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung der Waffen-SS-Division Galizien eine Rede in der Stadthalle in Lwiw gehalten. An der Zeremonie nahmen auch junge Mitglieder der Swoboda-Partei in SS-Uniformen teil und ehrten die Gefallenen der Waffen-SS. Zuvor hatten 20 SS-Veteranen der Division aus den Händen von Swoboda-Politikern Auszeichnungen für ihren „heroischen Kampf“ gegen die Sowjet-union erhalten. Die ca. 2000 Teilnehmer der Veranstaltung führten das Emblem der SS-Einheit mit und einige trugen SS-Runen auf ihrer Kleidung.

Am 14. Januar 2014 schändeten Rechtsextreme, angeheizt durch Swoboda, im Park des kleinen Städtchens Glirjani Lwowska die Gräber und das Ehrenmal für gefallene Sowjetsoldaten aus dem 2. Weltkrieg. Den beiden Soldaten-Skulpturen aus Beton wurden die Köpfe abgeschlagen. Das Denkmal ehrte die in der Lwowsker Schlacht gefallenen Rotarmisten. In dieser Schlacht war die ukrainische Waffen-SS-Division Galizien aufgerieben worden.

Der Stadtrat in Lwiw hatte auf Initiative der Swoboda-Partei die Umbenennung des 8. Mai (Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus) in „Gedenktag der Opfer totalitärer Regime“ veranlasst und Trauerbeflaggung für diesen Tag angeordnet.

Im Mai 2013 fand ein Besuch von Mandatsträgern der Swoboda-Partei bei der Frakti-on der NPD im sächsischen Landtag statt. Beide Parteien waren sich einig ihre Zu-sammenarbeit in Zukunft zu intensivieren. Auch zu den Rechtspopulisten des französischen Front National und der schwedischen Swenskarnas-Partei hat Swobo-da Beziehungen. Zu der Ende März von der deutschen NPD-Jugend in Leipzig or-ganisierten Europakonferenz der Jugendorganisationen nationalistischer Parteien sollte ursprünglich eine Delegation junger Mitglieder der Swoboda anreisen. Wohl auf Intervention der Bundesregierung erhalten nun aber die Abgesandten der ukra-inischen Partei kein Ausreisevisum. So ersparte man der Bundesregierung die Pein-lichkeit einer Medienberichterstattung in Deutschland, die offengelegt hätte, dass die Bundesregierung in der Ukraine mit einer Partei paktiert, deren deutschen Bündnis-partner NPD sie gerne verbieten würde.

Im Dezember 2012 wurden Swobodas Parteichef Tjahnybok und sein Stellvertreter Ihor Miroshnychenko vom Simon-Wiesenthal-Zentrum auf Platz 5 der zehn größten „Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs“ gesetzt.

Das EU-Parlament erklärte sich in einer Resolution vom 13. Dezember 2012 besorgt über die „zunehmende nationalistische Stimmung in der Ukraine", die im Wahlerfolg der Swoboda bei den Parlamentswahlen zum Ausdruck gekommen sei. "Rassis-tische, antisemitische und ausländerfeindliche Auffassungen" stünden im Wider-spruch zu den Grundwerten der EU. Das Parlament appellierte an die „demokratisch gesinnten Parteien in der Ukraine, sich nicht mit Swoboda zu assoziieren, die Partei nicht zu unterstützen und keine Koalitionen mit ihr zu bilden. Davon ist mittlerweile keine Rede mehr. Geblieben ist die naive Hoffnung von EU-Offiziellen, dass in freien Wahlen die Rechtsextremen keine Mehrheit gewinnen. Doch angesichts der zu erwartenden sozialpolitischen Verwerfungen infolge des Assoziierungsabkommens dürften die ukrainischen Rechtsextremen eher weiteren Zulauf erhalten und neue Mitglieder rekrutieren können. Denn nichts stärkt solche Parteien mehr als das durch sozialen Benachteiligungsverdacht gespeiste Vorurteil breiter Wählerschichten.

Bereits im Mai 2013 hatte der Jüdische Weltkongress die Partei als neonazistisch eingestuft und forderte deren Verbot. Im Juli 2013 unterzeichneten 30 israelische Knesset-Abgeordnete einen offenen Brief an den EU-Parlamentspräsidenten. Darin warnten sie vor dem Antisemitismus und der Russenfeindlichkeit der Partei und kritisierten, dass die beiden größten Oppositionsparteien der Ukraine, die Vaterlands-partei (Timoschenko) und UDAR (Klitschko) mit ihr zusammenarbeiten.

Im August 2013 erklärte die deutsche Bundesregierung, Swoboda werde als eine rechtspopulistische und nationalistische Partei, die zum Teil rechtsextreme Positi-onen vertrete, eingeschätzt. Nach einer Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew mobilisiert der Parteivorsitzende der Swoboda-Partei, Tjahnybok, antisemi-tische Ressentiments, Fremdenfeindlichkeit und ukrainischen Isolationismus. Er äußere sich dezidiert antirussisch und gleichzeitig antiwestlich und träfe damit Stim-mungen, die in einigen Regionen der Westukraine prävalent seien.

Doch bereits Ende April 2013 hatte der Vorsitzende der Swoboda-Partei, Oleh Tiahnybok, Kontakte zum Botschafter Deutschlands in der Ukraine, Christof Weil,  aufgenommen. Bei dem Gespräch soll auch die Frage des Sturzes der ukrainischen Regierung diskutiert worden sein. Im Frühjahr 2013 hatte zudem ein erstes Treffen des Swoboda-Chefs mit Diplomaten der Führungsebene der EU stattgefunden und im August 2013 eröffnete die Partei in Brüssel ein Büro, um die Beziehungen zur EU und zur NATO zu pflegen. Und im Januar 2014 verhandelte die stellvertretende Außenbeauftragte der EU, Helga Schmid; mit dem Parteichef von Swoboda über die aktuelle Situation in der Ukraine und die Zukunft seiner Partei.

Es ist absolut unverständlich, dass bei Kenntnis der o. g. Tatsachen europäische Politiker und deutsche Regierungsmitglieder sowie führendes Personal von SPD und Grünen bei ihren Besuchen in Kiew auch Gespräche mit Vertretern der Swoboda-Partei führten, nur weil diese Partei in der ukrainischen provisorischen Regierung jetzt wichtige Posten besetzt. In der EU scheint es auch keinen zu interessieren oder zu stören, mit wem der strahlende Held Klitschko und die Partei der Märtyrerin Timoschenko verbündet sind. Dass die Aufnahme von Vertretern der Swoboda-Partei in die neue Kiewer-Regierung kein Beitrag zur nationalen Versöhnung war, er-kannten die russischsprachigen Ostukrainer schneller als alle westlichen Politiker.

Die bisherigen freien Wahlen in der Ukraine zeigten zwar, dass die Swoboda-Partei bisher, außer in der Westukraine, keine Mehrheiten hatte – gleichwohl ist sie bemüht die Übergangsadministration zu infiltrieren und zu dominieren.  

 

Präsidentschaftswahlen 2010:

  1. Wahlgang: Janukowitsch 35 %
    Timoschenkow 25 %
  2. Wahlgang: Janukowitsch 48,95 %
    Timoschenkow 45,47 %

 

Parlamentswahlen 28.10.2012

  Sitze ges.       449
  Partei der Regionen (Janokowitsch)  30 %  187 Sitze
  Vaterlandspartei (Timoschenkow) 25,55 %  103 Sitze
  UDAR (Klitschkow) 13,5 %  40 Sitze
  Swoboda-Partei   10,45 %  30 Sitze
  Kommunisten   13,18 %  37 Sitze
  weitere vier kleine Parteien        7 Sitze
  in den Wahlkreisen gewählte Unabhängige      43 Sitze

 

Wer war Stepan A. Bandera?

Bandera wurde am 01.01.1905 als Ukrainer in Kalusch (Galizien) geboren. Nach Abschluss des Studiums in Lemberg (Lwiw) schloss er sich 1928 den Ukrainischen Nationalisten (OUN) an und gehörte bald zu deren Führungskader. Die OUN kämpfte seit der Oktoberrevolution in Ostgalizien und der Westukraine gegen Polen und die Sowjetunion für die Unabhängigkeit der Ukraine.

Bandera wurde 1934 wegen Beteiligung an der Ermordung des polnischen Außen-ministers Bronislaw Pieracki von Polen zum Tode verurteilt. Schließlich wurde die Todesstrafe in lebenslängliche Haft umgewandelt. Nach dem Einmarsch der Wehr-macht in Polen wurde Bandera von den deutschen Behörden freigelassen.

1939 trat er in Krakau der deutschen Abwehr (Militärspionage) bei und erhielt die Aufgabe, die OUN und deren ukrainische Aufstandsarmee UPA auf die Seite der Deutschen zu ziehen. Unter seiner Anleitung wurde im Generalgouvernement Ukraine nach dem Überfall auf die UdSSR die Ukrainische Aufstandsarmee neu strukturiert. Er unterstützte auch die Bildung ukrainischer SS-Truppen wie z.B. der SS-Division Galizien. Noch vor dem Einmarsch der regulären deutschen Truppen in Lemberg wurde durch Bandera am 30. Juni 1941 in der Stadt ein Massaker an ca. 7.000 Menschen, vorrangig Juden, organisiert.

Als er dann gegen den Willen der Deutschen den unabhängigen ukrainischen Staat ausrief, kam er mit den Interessen der Besatzungsmacht in Konflikt, die ihn ins KZ Sachsenhausen deportierte. Als 1944 die Deutschen von der Roten Armee aus der Ukraine zurückgejagt wurden, besann man sich auf Bandera, holte ihn zurück und übertrug ihm die Führung des Partisanenkampfes der UPA in der Ukraine gegen die Rote Armee. Diese Partisanen kämpften in einzelnen Gruppen noch bis 1950 gegen die Sowjetunion.

Von der UdSSR wurde er wegen diverser Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt. 1946 flüchtete Bandera unter falschem Namen nach München. Am 15. Oktober 1959 wurde er in München von KGB-Agenten erschossen. Banderas Grab auf dem Friedhof in München wurde zur Pilgerstätte für ukrainische Nationalisten. Auch Swoboda-Delegationen pilgern regelmäßig zum Grab ihres Vorbildes.

In Russland, Polen und Israel gilt Bandera als Kriegsverbrecher. In der Ukraine nach dem Ende der UdSSR ist er sehr umstritten. In der Westukraine gilt er besonders bei den Vertretern der Swoboda-Partei als Nationalheld, in der Ostukraine als Kriegsver-brecher und Nazi-Kollaborateur. In der Westukraine wurden ihm seit der Unab-hängigkeit der Ukraine über zwei Dutzend Denkmäler errichtet. Der ehemalige NATO-hörige ukrainische Präsident Juschtschenko verlieh ihm nach der Orangenen Revolution postum den Ehrentitel Held der Ukraine. Daraufhin verurteilte diesen Schritt der polnische Präsident Lech Kaczynski und bezeichnete Bandera als Nazi-Kollaborateur. Er begründete dies damit, dass im 2. Weltkrieg unter Mitwirken Ban-deras Massenmorde an der polnischen Bevölkerung begangen wurden und über 100.000 Polen sterben mussten. Gegen die Verleihung gab es große Demonstrati-onen in vielen Städten Polens. Nach der Wahl von Janukowitsch zum Präsidenten der Ukraine im Jahr 2010 wurde der Titel wieder aberkannt.

Die Mitglieder der Swoboda-Partei errichteten auf dem Maidan, über dem Eingang des von ihnen besetzten und zum Revolutionszentrum umbenannten Kiewer Rat-hauses ein 3 x 4 m großes Poster mit dem Bildnis Banderas. Es ist vollkommen unbegreiflich, dass sich deutsche Politiker vor dem Bildnis filmen ließen, obwohl sie kurz zuvor noch in Israel waren und um Verzeihung für die Judenpogrome der Deutschen gebeten hatten.

Wer die These von der rechtsextremen Verstrickung der neuen Machthaber in der Ukraine als reine Kreml-Propaganda abtut, macht es sich also zu leicht.

 

Wurde die Revolte auf dem Maidan durch die USA organisiert?

Seit Beginn der Proteste Ende 2013 bildet die Swoboda-Partei gemeinsam mit der UDAR (Vitali Klitschko) und der Vaterlandspartei (Julija Tymoschenko) ein oppo-sitionelles Dreierbündnis.

Nach tagelangen Unruhen auf dem Maidan (70-80 Prozent der Demonstranten stammten aus dem Westen der Ukraine) verkündete der ukrainische Präsident Janu-kowitsch am Abend des 20. Februar 2014 nach Gesprächen mit den Außenministern Deutschlands, Polens und Frankreichs sowie einem Vertreter Russlands (aber ohne Beteiligung der USA) ein Eingehen auf die wichtigsten Forderungen der Opposition. Die mit den drei Außenministern und den Führern der oppositionellen Parteien erar-beitete Vereinbarung wurde jedoch ohne die Einbeziehung von Vertretern der russischsprachigen ostukrainischen Regionen (Partei der Regionen), die mehr als ein Drittel der Ukraine ausmachen, unterzeichnet. Ungeachtet dieses Fehlers hätte die Vereinbarung zu einer Beruhigung der Lage und zu einem geordneten Machtwechsel führen können. Bei dieser Vereinbarung wurden die Rückkehr zur Verfassung von 2004, die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die Gründung einer Übergangsre-gierung und vorgezogene Neuwahlen beschlossen – also die wesentlichen Forderun-gen der Maidan-Demonstranten erfüllt. Es wurde aber auch beschlossen, dass die Demonstranten die Plätze räumen und alle illegalen Kampfgruppen auf dem Maidan binnen 48 Stunden zu entwaffnen sind, damit die Gewalt beendet wird. Allerdings hätte der politische Reformprozess einige Zeit beansprucht. Das passte offenbar nicht in das von den USA favorisierte Szenario. Der neue deutsche Außenminister verstand wohl nicht, dass der gefundene Kompromiss offenbar mit den Plänen der USA in der Ukraine kollidierte. Nach einer kurzen Unterbrechung, welche die USA-Strategen offenbar für die Neujustierung der Opposition benötigten, wurden ent-gegen der Vereinbarung die gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem Maidan dramatisch eskaliert. Besonders organisiert von den zu allem entschlossenen, paramilitärisch organisierten Gruppen des Rechten Sektors der Swoboda-Partei, der sich erst im November 2013 unter dem Neonazi Dmytro Jarosch formiert hatte. Jarosch führt seit 2005 die rechtsnationale Kampfgruppe der Swoboda-Partei Dreizack und schwor seine Gefolgsleute auf die 10 Gebote Banderas ein, unter anderem auf das Gebot: „Übe Hass und Rücksichtslosigkeit gegen die Feinde deiner Nation“. Die rechten Paramilitärs tragen schwarze Ski-Masken, Schutzwesten und militärische Bekleidung. Dieser Untergrundtruppe gehören auch Mitglieder anderer neonazistischer Vereinigungen wie z. B der UNSO an. Jarosch hatte auf dem Maidan zur „Entrussifizierung“ der Ukraine aufgerufen, was einer Aufforderung zum Bür-gerkrieg gleichkam und Russen in der Ostukraine und auf der Krim gegen die Mai-dan-Rebellen aufbrachte.

Wenn man sich TV-Berichte über den Maidan vom Februar 2014 etwas genauer ansieht, erkennt man, dass der Platz überwiegend durch die Fahnen des Rechten Sektors der Swoboda-Partei (gelbe Hand mit gestreckten drei Fingern auf blauem Grund) und die schwarz-roten Fahnen der UNA-UNSO dominiert wurde. Die UNA-UNSO führt die Fahne der ehemaligen, mit der deutschen Wehrmacht ko-operierenden UPA-Armee Banderas.

Für die Nichteinhaltung der zwischen dem noch amtierenden Präsidenten Januko-witsch und der Opposition getroffenen Vereinbarung und die neue Forderung nach sofortiger Absetzung des Präsidenten waren die auf den Barrikaden meist an vorderster Front kämpfenden Truppen des Rechten Sektors entscheidend. Die Grup-pierung konnte diese Rolle übernehmen, weil sie offenbar eine von US-Geheim-diensten logistisch unterstützte und gesteuerte Organisation ist. Die USA, die viel entschiedener als die EU eine Änderung der Machtverhältnisse in der Ukraine anstrebten, setzten auf den Rechten Sektor, weil diese Truppe bereit war, in Kampfhandlungen mit den Sicherheitskräften einzutreten. Sie war gut organisiert, hatte Waffen und war taktisch geschult. Sie hatte großen Anteil an den blutigen Ereignissen des 22. Februars auf dem Maidan.

Nach Angaben des Innenministeriums der ukrainischen Übergangsregierung wurden in der zweiten Hälfte des Februar 2014 bei der Erstürmung von Polizeirevieren und Armeekasernen in Lwiw und Umgebung von durch den Rechten Sektor aufge-wiegelten Nationalisten 5.000 Kalaschnikow-Sturmgewehre, 2.741 Makarow-Pisto-len, 123 MGs, 12 Flammenwerfer, 1.500 Handgranaten und große Mengen Munition entwendet. Ein Teil dieser Waffen wurde nach Kiew verbracht.

Am 5. März veröffentlichten Hacker den achtminütigen Mitschnitt eines Telefonge-sprächs zwischen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Brüssel und dem estnischen Außenminister Urmas Paet, der sich in Kiew aufhielt, über die Frage, wie die Lage in der Ukraine stabilisiert werden könnte. Paet berichtete ihr, eine medi-zinische Untersuchung habe ergeben, dass am 22. Februar Scharfschützen sowohl auf Demonstranten als auch auf Polizisten geschossen hätten. In seinem Bericht zitiert Paet eine ukrainische Ärztin, die Verwundete auf dem Maidan behandelt hatte und die nun Gesundheitsministerin in der Übergangsregierung ist. Die Ärztin habe Paet darüber informiert, dass sie Beweise besitze, die belegen, dass dieselben Scharfschützen sowohl auf Demonstranten als auch auf Polizisten geschossen haben. Andere Augenzeugen hätten Paet gleichfalls berichtetet, dass eine unbe-kannte Gruppe von Scharfschützen erst auf die Polizeieinheiten und dann auf die Demonstranten geschossen habe. Paet übermittelte Ashton seine Bedenken, dass hinter den Scharfschützen Mitglieder der neuen Koalition und nicht Sicherheitskräfte der Regierung Janukowitsch stünden.

Die Attacken der Scharfschützen lösten auf dem Maidan eine Massenpanik mit über 100 Toten aus und führten zum Kollaps des diplomatischen Kompromisses, den die Außenminister Deutschlands, Polens und Frankreichs im Namen der EU, aber ohne Washington, ausgehandelt hatten. Offenbar hatte die diplomatische Initiative der Europäer die amerikanischen Vorstellungen vom Ablauf eines Machtwechsels durch-einander gebracht. Man musste sich schnell etwas einfallen lassen, um den mittel-fristig angelegten Kompromiss zu torpedieren. Also sorgte man dafür, dass die Kon-fliktparteien aufeinandergehetzt wurden. Dass die USA über das Treiben ihrer euro-päischen Verbündeten in Kiew nicht glücklich waren, offenbart der Mitschnitt eines Telefonats der Europa-Beauftragten des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, in dem sie darüber spricht, dass die USA in der neuen Regierung der Ukraine Jarzenjuk und nicht Klitschko sehen möchten. Gefolgt wurde diese Auslassung von einem säuerlichen »Fuck the EU«, bezogen auf den Alleingang der drei Außenminister. In Russlands Regierung stärkte das die Auffassung, es handele sich bei den Ereig-nissen in Kiew um einen von den USA zumindest geförderten Staatsstreich.

Die zitierte US-Politikerin plauderte bei ihrem Besuch in der Ukraine auch aus, dass die USA der ukrainischen Opposition bisher ca. 5 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt haben. Und mit dieser Rückendeckung versuchten die Rechtsextremisten die Lage im Land weiter zu verschärfen. Am 08. März 2014 forderte Dmytro Jarosch (in einem von ukrainischen Hackern mitgeschnittenen Gespräch) von der ukrainischen Regierung, die Militärlager für radikale Gruppen auch auf der Krim zu öffnen. Das hätte die Situation auf der Halbinsel und insbesondere im Umfeld russischer Stütz-punkte eskalieren lassen.

Wenn man zudem bedenkt, dass nach Aussagen von Diplomaten die USA ca. 300 bewaffnete Männer der US-Firma Academ (ehemals Blackwater) nach Kiew ein-fliegen ließen, die dann schwer bewaffnet, mit Schutzwesten und militärischen Uni-formen ausgestattet, auf Seiten der Polizei in Donezk auftauchten, wird deutlich, dass Russlands Präsident Putin nicht übertreibt, wenn er die USA und die NATO beschuldigt, einen Staatsstreich in der Ukraine betrieben zu haben.

Und die von der EU hofierte Opposition spielte nunmehr in dem US-Szenario mit. Anstatt sich an die mit den Vertretern der EU vereinbarten Punkte zu halten, wurde der Präsident einfach vom Parlament abgesetzt. Den Übergangspräsidenten wählte ein Rumpf-Parlament, das von zwei Parteien (Partei der Regionen und Kommu-nisten) boykottiert wurde. Sie hatten vorher aus Protest gegen die Rückkehr zur Verfassung von 2004 den Saal verlassen. Man hatte nun ein Parlament, welches nur noch aus den Vertretern der Oppositionsparteien bestand, die dann nach der Ver-fassung von 2004 den Präsidenten absetzten. Der vom Maidan-Rat vorgeschlagene Ministerpräsident wurde schließlich vom mittlerweile wieder vollständigen Parlament gewählt. Die ukrainische Protestbewegung hatte den Politiker Arseni Jazenjuk, wie von der USA gewünscht, als neuen Regierungschef nominiert. Der sogenannte Maidan-Rat, in dem die Führungsspitzen der bisherigen Oppositionsbewegung ver-sammelt sind, bestimmte den 39-jährigen Fraktionsvorsitzenden der Vaterlandspartei und ehemaligen Außenminister der Juschtschenko-Regierung zum Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten. Bei der Wahl des Ministerpräsidenten sollen von den 449 Abgeordneten 417 anwesend gewesen sein. Der neue ukrainische Premier-minister soll 317 Stimmen erhalten haben – darunter auch die der Klitschko-Partei.

Um sich die Unterstützung und Zustimmung der Protestbewegung zu sichern, wurde das Übergangskabinett auf dem Maidan zur Zustimmung per Akklamation vorgestellt (ein einmaliger Vorgang in der bisherigen Weltgeschichte). Als dabei einige Mit-glieder mit Pfiffen begrüßt wurden, war das ein erstes Warnsignal. Nicht einmal die Demonstranten standen geschlossen hinter der Übergangsregierung.

Tatsächlich täuscht der Name Regierung der nationalen Einheit, da nicht alle poli-tischen Kräfte einbezogen wurden. Eine wirkliche Einheitsregierung hätte auch Mit-glieder der Partei der Regionen einbinden müssen, die vor allem in der östlichen, russischsprachigen Ukraine unterstützt wird. Diese fehlen jedoch auf zentralen Posten der Regierung.

Die rechtsradikale Swoboda-Partei stellt nun mehrere Mitglieder in der Übergangsre-gierung, darunter den Vizechef der Regierung und den Generalstaatsanwalt. Der Chef des Rechten Sektor, Jarosch, ist nun Vizechef des nationalen Sicherheitsrates, der wiederum vom Sicherheitsbeauftragten des Maidan, Andrej Paruby, geleitet wird. Andrej Paruby, Mitbegründer der Swoboda-Partei, wurde zum Sekretär des Komitees für Nationale Sicherheit und Nationale Verteidigung (RNBOU) ernannt. Er hat damit eine Schlüsselposition erhalten, weil dieses Komitee das Verteidigungsministerium, die Streitkräfte, die Strafverfolgungsbehörden und alle Geheimdienste überwacht. Das RNBOU ist ein zentrales Entscheidungsgremium, das dem Präsidenten untersteht.

Der Neonazi Jarosch führt gleichzeitig die Fraktion des Rechten Sektors im ukra-inischen Parlament. Russland hat wegen terroristischer Aufrufe gegen ihn Haftbefehl erlassen. Er will im Mai zur ukrainischen Präsidentschaftswahl antreten und plant die Gründung einer eigenen Partei.

Oleh Makhnitsky, ein Mitglied der Swoboda-Partei, wurde zum Generalstaatsanwalt der Ukraine ernannt – somit kontrollieren die Neonazis auch die Strafverfolgung.

Tetyana Chernovol, die in der westlichen Presse als kämpferische Journalistin dar-gestellt wird, gehört der antisemitischen UNA-UNSO an und wurde zur Vorsitzenden des Antikorruptionskomitees der Regierung berufen.

Die UNA-UNSO ist eine rechtsextreme, nationalistische Partei. Gegründet wurde sie am 30. Juni 1990 in Lwiw. Politisch vertritt sie eine radikal antisemitische und antirussische Haltung. So wird die historische Existenz des Holocaust angezweifelt. In allen Konflikten Russlands in den letzten Jahren (Bergkarabachkonflikt, Tschet-schenienkrieg, Transnistrienkonflikt oder Süd-Ossetien-Krieg) kämpfte der paramili-tärische Arm der Partei, die USNO, immer gegen die Russen.Während der Maidan-Demonstrationen schloss sich die Partei und ihre USNO dem Rechten Sektor an. Führende Mitglieder des UNA-UNSO beteiligten sich auf dem Maidan an gewalt-samen Übergriffen, Einschüchterungen und Willkürmaßnahmen.

Yegor Sobolev, der Anführer einer anderen Gruppierung der Maidan-Bewegung, die Jazenjuk politisch nahe steht, wurde Vorsitzender des „Lustrations-Komitees“. Die Lustrations-Kampagne soll Anhänger der abgesetzten Regierung aus dem öffent-lichen Dienst, aus Regional- und Kommunalverwaltungen, aus dem Bildungswesen, aus der Forschung und aus anderen wichtigen Bereichen entfernen.

Die Aufnahme von Rechtsextremen in die Übergangsregierung wurde in den russischsprachigen Regionen der Ostukraine als Provokation empfunden.

Die USA und die EU begrüßen derweil die ukrainische Revolte als Sieg der Demo-kratie und Schlag gegen das autoritäre System in den ehemaligen Sowjetrepubliken. Der Realität entspricht diese Sichtweise nicht. Die Wahrheit ist, dass der Westen durch gut vorbereitete, verdeckte Operationen die Bildung einer von Neonazis durch-setzten Regierung lanciert hat. Man hat die sozialen Spannungen im Land politisch ausgenutzt, um geostrategische Interessen des Westens durchzusetzen:

  • Umklammerung Russlands unter Einbeziehung des zukünftigen EU- und NATO-Mitglieds Ukraine
  • Verhinderung des Wiederaufstiegs Russlands zur Großmacht
  • Liquidierung der russischen Militärstützpunkte auf der Krim und somit die Ent-machtung Russlands im Gebiet des Schwarzen- und des Mittelmeeres.

Es geht den USA aber auch um Gas und ÖL. Im Nordosten und im Westen der Ukraine wurden große Schiefergasvorkommen entdeckt und im ukrainischen Ho-heitsgebiet zwischen Odessa und der Krim gibt es Erdöl- und Erdgasvorkommen im Schwarzen Meer. Nach ersten Angaben soll es sich dabei um 1200 Milliarden m³ förderbare Reserven handeln. Die USA-Firma Chevron will mehr als 7 Milliarden Euro in die Schiefergasförderung der Ukraine investieren. Dazu wurden bereits Ab-kommen zur Erschließung des Oleska-Feldes im Westen der Ukraine (zwischen Lwiw und Iwano-Franko) abgeschlossen, denen jedoch erst nach der zweiten Ab-stimmung in den Parlamenten dieser Gebiete zugestimmt wurde. Das Abkommen soll 50 Jahre laufen. Die Investoren können unbegrenzt ukrainisches Wasser, Sand und Gestein nutzen und brauchen keine Steuern zu zahlen. 2018 soll mit der För-derung begonnen werden. Für das Yusifska-Feld im Osten der Ukraine (zwischen Charkow und Donezk) hat sich der britische Konzern Shell gemeinsam mit dem amerikanischen Konzern NARDA die Schürfrechte gesichert. Der amerikanische Konzern ExxonMobil sicherte sich die Rechte für das Öl und Gas im Schwarzen Meer. Es ist jedoch fraglich, ob diese Rechte nach der Eingliederung der Krim in den russischen Staatsverbund gültig sind. Eher werden wohl russische Unternehmen dieses Geschäft vorantreiben.

Die Ukraine steht derweil vor den Staatsbankrot, die Schulden belaufen sich zur Zeit auf 75 Milliarden US-Dollar und mit den aktuellen Zahlungsverpflichtungen auf 130 Milliarden. Das ist eine Summe, die wahrscheinlich auch die Möglichkeiten der EU und USA sprengt.

Hauptgrund für die jetzige Situation in der Ukraine ist nicht die Verweigerung der Unterschrift zum Assoziierungsabkommen mit der EU durch Janukowitsch. Dieses Abkommen war durch die EU selbst immer wieder hinausgezögert und unter für die Ukraine nachteiligen Bedingungen in Aussicht gestellt worden. Vielmehr es geht um die Erweiterung der NATO und – wie so oft – um Erdgas und Öl.

 

Welchen Status hat die Krim?

Die Krim hatte den Status einer Autonomen Republik in der Ukraine, mit eigenen Hoheitsrechten auf dem Gebiet der Verwaltung, der Finanzen und der Rechtspflege. Nur das Gebiet Sewastopol gehörte nicht dazu, es war ein Oblast (Gebiet mit Gouverneur) der Ukraine.

Bis 1430 war die Krim unter der Herrschaft der Goldenen Horde. Nach Abzug der Mongolen verblieben viele Tataren auf der Krim und es entstand ein Krim-Khanat (Nebenlinie des Mongolenklans). Krimtataren machten Raubzüge in den Norden bis Moskau und setzten 1571 Moskau in Brand. Russen wurden als Sklaven in den Orient verkauft. Die Tataren wurden 1572 in der Schlacht von Molodi von den Russen vernichtend geschlagen und zogen sich auf die Krim zurück. Saporoger Kosaken gewannen die Herrschaft über die Ostukraine und stellten die Ostukraine  1654 unter den Schutz des russischen Zarenreiches.

Die tatarischen Kahns regierten weiter auf der Krim und das Verhältnis zu Russland verbesserte sich erst 1777, als Katharina II. dem ihr hörigen Kahn Shagin Girey an die Macht verhalf. Dieser wurde jedoch alsbald von Fürst Potemkin im Auftrag der Zarin abgesetzt.

8. April 1797 konnte somit die Krim von Katharina II. als russisches Territorium für alle Zeiten deklariert werden. Sie wurde Teil des Gouvernements Taurien, welches über die Krim hinaus bis zum Dnepr (gesamte Ostukraine) reichte. Viele Krimtataren wurden verjagt, 100.000 flohen in die Türkei.

Von 1853 bis 1856 kam es zum Krimkrieg. Frankreich, Großbritannien und das Os-manische Reich besetzten große Teile der Halbinsel. Die noch vorhandene tata-rische Bevölkerung sympathisierte mit den Osmanen. Nach dem Sieg der Russen setzte eine weitere Massenflucht der Krim-Tataren ein.

Nach der Revolution von 1917 wurde die Krim zuerst Unabhängige Tatarische Repu-blik und 1921 zur Autonomen Sozialistischen Republik Krim innerhalb der RSFSR.

Von 1942 bis 1944 war die Krim durch die deutsche Wehrmacht besetzt. Teile der Krim-Tataren kollaborierten mit den Deutschen und stellten sogar kleine bewaffnete Einheiten in der Wehrmacht. Nach dem Sieg der Roten Armee über die Deutschen auf der Krim wurden auf Befehl Stalins vom 18. Mai 1944 alle noch auf der Krim lebenden Krimtataren als Kollaborateure nach Sibirien deportiert. Stalin hob auch die Autonomie der Krim innerhalb der RSFSR auf.

Von 1945 bis 1954 war die Krim ein Oblast (Gebiet) der RSFSR. 1954, zum 300. Jubiläum des Vertrages von Perejaslaw (Treue-Eid der Kosaken auf den russischen Zaren Alexei I.) verschenkte der Ukrainer Nikita Chruschtschow bei einem Trinkge-lage die Insel Krim an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik – ohne Zustim-mung des Obersten Sowjets (des Parlaments) der RSFSR. Seit 1989 vollzieht sich die Rückkehr von Krim-Tataren aus Sibirien und dem Exil auf die Krim. Heute sind von den 2,1 Millionen Einwohnern der Krim 25 Prozent Ukrainer, 60 Prozent Russen und 12 Prozent Tataren.

Nach dem Zerfall der UdSSR wurde die Ukraine am 24. August 1891 einschließlich der Krim zu einem selbstständigen Staat. In einem Referendum zur Frage des Ver-bleibs der Ukraine bei Russland oder der Bildung eines eigenen ukrainischen  Staates, das im Dezember 1991 in der Ukraine abgehalten wurde, stimmten auf der Krim 54 Prozent der Wähler für die Ukraine als selbstständigen Staat.

In der Folgezeit konnte die Regierung in Kiew jedoch nur mühsam die Herrschaft der Ukraine über die Krim durchsetzen. Die Bewohner der Krim wollten bereits 1992 in einem Memorandum über die Unabhängigkeit der Krim von der Ukraine und für einen eigenen Krim-Staat abstimmen. Um das zu verhindern, sah man sich in Kiew ge-zwungen, der Krim den Status einer Autonomen Republik in der Ukraine zu ga-rantieren.

Auf Grund ihrer geographischen Lage hat die Krim eine für das Schwarze Meer beherrschende strategische Position. Sie war immer das Sprungbrett für die Sowjetunion und Russland zum Mittelmeer und den nahen Osten. Sie spielt für die russische Außenpolitik eine große Rolle. Russland will das Schwarze Meer und das Mittelmeer nicht der USA-Kriegsmarine überlassen.

Die Flottenpräsenz Russlands auf der Krim hat eine lange Tradition. Im Mai 1783 hatten erstmals 11 Schiffe der Russischen Asowschen Flotte und 17 Schiffe der rus-sischen Dnepr-Flotte in der Krim-Bucht Achtiarskaja Anker geworfen und somit den Grundstein für die Hafenstadt Sewastopol gelegt.

Seit dieser Zeit ist die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol stationiert. Die in ihrer Nachfolge stehende sowjetische Schwarzmeerflotte war einer der bedeutenden Flottenverbände der UdSSR. Und die nun dort stationierten russischen Marineein-heiten bilden derzeit die stärkste Kriegsflotte im Schwarzen Meer. Ihr Verbleib auf ukrainischem Boden nach der Auflösung der UdSSR war zunächst in einem Pacht-vertrag mit der Ukraine für 20 Jahre geregelt worden. In der Amtszeit der Minister-präsidentin Timoschenko wurde immer wieder versucht den Vertrag zu kippen. Zur Beförderung dieses Vorhabens wurden diverse administrative Schikanen gegen die russischen Militärs und ihre Familien auf der Krim veranlasst, wie z. B. die Zuweisung nicht akzeptablen Wohnraumes. Nach der Wahl von Janukowitsch zum Präsidenten der Ukraine wurde der Vertrag, der 2017 ausgelaufen wäre, für eine Pacht von 100 Millionen US-Dollar jährlich und gegen einen Preisnachlass für russische Erdgas-lieferungen an die Ukraine um 25 Jahre verlängert. Der Vertrag sicherte Russland die Stationierung von bis zu 388 Schiffen aller Art, 25.000 Marinesoldaten (Stützpunkte: Feodossija und Simferopol) und 161 Marineflugzeugen (Flugplätze: Katscha und Gwardejskoje) zu. Bis Ende 2013 hatte Russland in Sewastopol 42 Kriegsschiffe (ein U-Boot, zwei Kreuzer, zwei Fregatten, einen Zerstörer, zehn Korvetten, neun Schnellboote, neun Minensuchschiffe, neun Amphibienlandungsschiffe sowie 18.400 Soldaten und Marineinfanteristen stationiert.

Nach dem Regierungswechsel in Kiew spitzte sich die Lage in der Ostukraine und auf der Krim zu. Führende Vertreter der russischen Abgeordneten des Krim-Parla-ments erklärten: „Durch die verfassungswidrige Machtübernahme in der Ukraine durch radikale Nationalisten und mit Unterstützung bewaffneter Banden sind Frieden und Ruhe auf der Krim gefährdet“.

Nach der Stürmung des Krim-Parlamentes durch Bewaffnete, die sich als Vertreter der russisch sprechenden Bevölkerung der Krim ausgaben, floh der ehemalige Re-gierungschef der Autonomen Republik der Krim, Sergej Kunizyn, nach Kiew. Dort wurde er von der Klitschko-Partei als Abgeordneter im Kiewer Übergangs-Parlament übernommen. Das Krim-Parlament wählte indes Sergej Axjonow zum neuen Regie-rungschef.

Der Oberste Rat (Parlament) der Halbinsel Krim strebte eine Unabhängigkeit nach dem Kosovo-Vorbild an. Er hatte am 11. März 2014 eine Erklärung zur Unab-hängigkeit der Region von der Ukraine und zum Beitritt zur Russischen Föderation angenommen. Dieser Beschluss wurde während einer außerordentlichen Tagung gefasst, und von 78 Abgeordneten unterstützt. Das Krim-Parlament zählt insgesamt 100 Mitglieder. Das Dokument wurde auch von dem nicht zur autonomen Krim-Republik gehörenden Stadtrat der Hafenstadt Sewastopol getragen. Der Stadtrat betonte, dass das Krim-Parlament und der Stadtrat von Sewastopol diesen Beschluss „ausgehend von der UNO-Charta und einer Reihe anderer internationaler Dokumente angenommen haben, die das Recht eines Volkes auf Selbstbestimmung verankern, sowie unter Berücksichtigung der Bestätigung des Internationalen UNO-Gerichts in Bezug auf die Provinz Kosovo vom 22. Juli 2010 für den Fakt, dass eine einseitige Unabhängigkeitsverkündung des Teils eines Staates nicht gegen die Völkerrechtsnormen verstößt“.

Die Krim-Einwohner sollten nun am 16. März 2014 die Frage beantworten, ob sie Russland beitreten oder zur Verfassung der Krim von 1992 zurückkehren und damit Bestandteil der Ukraine bleiben wollen. Der ukrainische Interimspremier Arseni Jazenjuk hatte bereits im Vorfeld verkündet, dass Kiew das Ergebnis des Refe-rendums über den Status der Krim unter keinen Umständen anerkennen werde. Und wegen des Referendums auf der Krim könnten die für den 25. Mai geplanten Präsi-dentschaftswahlen in der Ukraine verschoben werden. Die Wahrscheinlichkeit sei „sehr hoch“, betonte er in der Obersten Rada. „Falls sich die Situation auf der Krim nach einem für uns äußerst negativen Szenario entwickelt, dann wird es in abseh-barer Zeit überhaupt keine Präsidentschaftswahlen geben.“ Somit hätten die USA ihr Ziel erreicht.

Russische Diplomaten verweisen in dem Zusammenhang immer wieder auf den Beschluss des Internationalen Gerichtshofs über den Status des Kosovo von 2010, das im Februar 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien verkündet hatte.

Damals hatte Moskau die Souveränität des Kosovo nicht anerkannt. Präsident Wla-dimir Putin warnte damals, dass der Kosovo-Präzedenzfall „das gesamte System der internationalen Beziehungen, das im Laufe von Jahrzehnten und Jahrhunderten entstanden ist, zusammenbrechen lässt“. Dieser Präzedenzfall „könnte eine Ketten-reaktion mit kaum vorhersehbaren Folgen auslösen...“, so Putin damals. Westliche Politiker begründeten ihre Zustimmung zur Abspaltung des Kossovo damit, dass der Bevölkerung in dieser Provinz ein Genozid gedroht habe. Andererseits hatte man ja nach eigenem Bekunden mit dem nicht durch UNO-Mandat gedeckten Kriegseinsatz der NATO gegen Serbien gerade diese Gefahr angewendet. Insofern war die Argumentation der westlichen Sezessionsbefürworter schon immer recht fragwürdig. Doch in dem Augenblick, da Russland mit einer an diesem Vorgang orientierten Begründung für die Krim-Bevölkerung gleiches Recht fordert und durchsetzt, rea-gieren westliche Politiker und zumeist in der Sache ahnungslose Medienvertreter reflexartig. Hier wird seitens des Westens offenkundig mit zweierlei Maß gemessen, wobei sich die europäische Politik als getreuer Vasall der Vereinigten Staaten erweist, die auch in dieser Region ihre geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen durchsetzen wollen. Mit der Aufnahme der Krim in den russischen Staatsverband sind diese Ambitionen zunächst blockiert.

Das geopolitische Kräftemessen auf der Krim führte mittlerweile auch zu militärischen Muskelspielen. So finden neben dem von westlichen Medien viel zitierten russischen Manöver an der Grenze zur Ukraine in den Gewässern vor der Krim auch NATO-Seemanöver unter Beteiligung amerikanischer, bulgarischer und rumänischer Kriegs-schiffe statt. Insbesondere der US-Lenkwaffenzerstörer Truxtun soll offenbar ameri-kanische Entschlossenheit demonstrieren. Eine eventuelle Teilnahme von Schiffsein-heiten der ukrainischen Flotte war wegen der Blockade ihrer Häfen auf der Krim durch die russische Schwarzmeerflotte nicht möglich. Als flankierende Drohgebärde führen NATO-AWACS-Flugzeuge Überwachungsflüge in ukrainischem Luftraum durch und NATO-Truppen halten Luftverteidigungsmanöver in Polen ab. Wenn schon ein direktes Eingreifen des Westens außer Diskussion steht, möchte man doch zumindest demonstrieren, welche waffentechnologischen Möglichkeiten man hat. Doch wie so oft gehen nicht alle Träume von Politikern und Strategen in Erfüllung, wenn ein entschlossener Gegner mit gleicher Münze zahlt: Über der Krim wurde am 14. März eine US-Spionagedrohne MQ-5B Hunter in 4.000 Metern Höhe abgefangen. Sie gehörte zur 66. Aufklärungsbrigade der US-Armee, die ihren Stand-ort in Deutschland hat. Nach einer elektronischen Störabwehr durch das russische System Krasucha-4, welches alle Signale für die Steuerung der Drohne außer Kraft setzte, fiel sie fast unzerstört in die Hände der sogenannten Selbstverteidigungs-kräfte auf der Krim. Es ist ein Signal Russlands an den Westen, dass man auch im militärischen Hochtechnologiebereich auf Augenhöhe agiert. Das Pentagon de-mentierte erwartungsgemäß diese russische Information sofort.

 

Weitere Informationen zum Thema:

Rudolph/Markus: Renaissance einer Weltmacht. Berlin 2013

Rudolph/Markus: Superwaffen für einen sauberen Krieg. Berlin 2014

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